Von Gérard Al-Fil
Moneycab: Herr Zogby, wo stehen die Beziehungen zwischen Amerika und der arabischen Welt heute, sechs Jahre nach den Folterbildern von Abu Ghuraib und 18 Monate nach der historischen Rede Präsident Barack Obamas an der Al-Azahr-Universität in Kairo an die muslimisch-arabische Welt?
James Zogby: In den Jahren vor dem Wahlsieg Barack Obamas wurde Amerika im Nahen Osten eindeutig negativ wahrgenommen. Es ist aber interessant zu beobachten, dass der Obama-Effekt das Ansehen der USA in der arabischen Welt wieder verbessert hat. Auch Amerikaner und amerikanische Produkte sind, seit Obama ins Weisse Haus einzog, im Nahen Osten und Nordafrika wieder willkommener. Dies gilt auch für klassische amerikanische Werte. Ein wenig sind die Leute aber auch enttäuscht von Obama.
Woher rührt diese Enttäuschung?
Die Enttäuschung, die ich meine, bezieht sich weniger auf das Verhalten Washingtons im Hinblick auf eine islamische Solidarität mit Afghanistan oder Pakistan. Was die Herzen der arabischen Welt bewegt ist die Rolle Amerikas in Palästina und im Irak.
Nicht auch in Afghanistan?
Der Krieg in Afghanistan erreicht weniger die Dimension in der arabischen öffentlichen Meinung, als man annehmen würde. Auch ist der Mann auf der Strasse nicht von Konflikten im Kaschmir berührt.
«Menschen mit Migrationshintergrund werden in Europa stets nach ihrer Herkunft gefragt, dann nach ihrem Pass und so weiter. Aber selbst wenn Sie in der zweiten oder dritten Generation dort leben und eingebürgert sind, werden Sie dauerhaft auf ihre Herkunft festgeschrieben. Dies führt bei Immigranten zu einem Gefühl des Ausgeliefertseins und mitunter der Isolation.» James Zogby, President Arab American Institute, Washington
Inwieweit sind Ihnen in Ihrer Rolle als Präsident des Arab American Institutes die Belange amerikanischer Staatsbürger arabischer Herkunft ein Anliegen?
Das Arab American Institute (AAI) ist ein politisches Forschungsinstitut, das der amerikanisch-arabischen Gemeinde dient, um ihren Einfluss in Politik und Gesellschaft zu stärken. Wir untersuchen, vor welchen Herausforderungen und Problemen Bürger mit arabischen Hintergrund in den USA stehen und verfolgen Politik und Gesellschaft im Mittleren Osten und Nordafrika und wie diese Ereignisse die aussenpolitischen Koordinaten in Washington und das Leben in meiner Heimat Amerika im Allgemeinen beeinflussen.
Seit 9/11 haben Übergriffe auf Menschen mit nahöstlichen Migrationshintergrund im Westen zugenommen. Was konnten Sie für die arabischstämmige Gemeinde in Amerika in den letzten Jahren erreichen?
Unser Institut hat als erstes auf die diskriminierende Praxis an US-Flughäfen hingewiesen, arabische Passagiere vor dem Boarding zu «screenen», das heisst, sie genauer zu befragen und sie zu durchsuchen. Ich habe dazu auch vor dem Kongress in einer Anhörung unter Eid Beweise vorgetragen, die zeigen, dass das «pre-screening» in keinem einzigen Fall dazu geführt hat, einen potenziell kriminellen Passagier aufzuspüren. Wir trafen auch Präsident Barack Obama und erläuterten ihm, warum das pre-screening an amerikanischen Flughäfen von Passagieren mit arabischem Aussehen oder mit muslimischen Namen als rassistisch einzustufen ist. Auch indische Sikhs fallen in die Kategorie und werden schon beim Einchecken befragt, später zu einer gesonderten Durchsuchung aussortiert. Es ist daher nicht mit unserer Verfassung zu vereinbaren und bringt auch keine zusätzliche Sicherheit, im Gegenteil. An einigen Flughäfen wurde diese Praxis daraufhin abgeschafft. Leider werden uns aber immer noch Fälle des diskriminiereden «pre-screenings» zugetragen. Wir werden nicht aufhören, diese Missstände anzuzeigen und öffentlich zu machen.
Sie persönlich haben Ihre Wurzeln im Libanon, stammen aus einer christlich-maronitischen Familie?
Ja, mein Vater war 1922 nach Amerika eingwandert, ohne Bewilligung. Illegal würde man heute sagen. Dank einer Amnestie wurde er eingebürgert.
Fühlen Sie sich denn mehr als Libanese oder als Amerikaner?
In den USA sind wir alle in erster Linie Amerikaner. Der Stolz auf die Wurzeln bleibt natürlich. Aber Ihre Frage ist interessant, denn in Europa wird man als Immigrant nie wirklich von der einheimischen Bevölkerung als einer der ihren akzeptiert.
«Das Minarett-Verbot war nur einer von vielen Fehlern, den die Schweiz in den letzten Jahren beging.»
Wie meinen Sie das?
Menschen mit Migrationshintergrund werden in Europa stets nach ihrer Herkunft gefragt, dann nach ihrem Pass und so weiter. Aber selbst wenn Sie in der zweiten oder dritten Generation dort leben und eingebürgert sind, werden Sie dauerhaft auf ihre Herkunft festgeschrieben. Dies führt bei Immigranten zu einem Gefühl des Ausgeliefertseins und mitunter der Isolation. In den Staaten die per se ein Schmelztiegel sind, ist dies nicht so. Die europäischen Staaten tun sich noch immer schwer beim Thema Einwanderung und Integration.
In den USA gibt es insgesamt 1’200 Moscheen, das Schweizer Stimmvolk hat vor knapp einem Jahr den Bau von Minaretten verboten. Ein Fehler?
Das Minarett-Verbot war nur einer von vielen Fehlern, den die Schweiz in den letzten Jahren beging.
Palästinenser und Israelis haben wieder direkte Friedensgespräche aufgenommen. Wie optimistisch sind Sie, dass die neue Gesprächsrunde zu einer Lösung des Palästinaproblems führt?
Ich bin hoffnungsvoll, aber nicht optimistisch.
Dr. James Zogby:
Dr. James J. Zogby is the author of Arab Voices (Palgrave Macmillan, October 2010) and the founder and president of the Arab American Institute (AAI), a Washington, D.C.-based organization which serves as the political and policy research arm of the Arab American community. Since 1985, Dr. Zogby and AAI have led Arab American efforts to secure political empowerment in the U.S. Through voter registration, education and mobilization, AAI has moved Arab Americans into the political mainstream.
For the past three decades, Dr. Zogby has been involved in a full range of Arab American issues. A co-founder and chairman of the Palestine Human Rights Campaign in the late 1970s, he later co-founded and served as the Executive Director of the American-Arab Anti-Discrimination Committee. In 1982, he co-founded Save Lebanon, Inc., a private non-profit, humanitarian and non-sectarian relief organization which funds health care for Palestinian and Lebanese victims of war, and other social welfare projects in Lebanon. In 1985, Zogby founded AAI.
In 1975, Dr. Zogby received his doctorate from Temple University?s Department of Religion, where he studied under the Islamic scholar Dr. Ismail al-Faruqi. He was a National Endowment for the Humanities Post-Doctoral Fellow at Princeton University in 1976, and on several occasions was awarded grants for research and writing by the Knight Foundation, National Endowment for the Humanities, the National Defense Education Act, and the Mellon Foundation. Dr. Zogby received a Bachelor of Arts from Le Moyne College. In 1995, Le Moyne awarded Zogby an honorary doctoral of laws degree, and in 1997 named him the college?s outstanding alumnus. In 2007 Temple University?s College of Liberal Arts named him its Distinguished Alum.
Dr. Zogby is married to Eileen Patricia McMahon and is the father of five children. Zogby?s mother, Cecilia Ann, was a woman committed to religion, family, education, and service of others.
Arab American Institute:
The Arab American Institute (AAI) is a nonprofit organization committed to the civic and political empowerment of Americans of Arab descent. AAI represents the policy and community interests of Arab Americans throughout the U.S. through two primary focus areas: campaigns and elections, and policy formulation and research.
The Arab American Institute Foundation (AAIF) was founded by the Arab American Institute in 1995. AAIF supports programs that promote greater awareness of Arab Americans in the U.S., demographic research and international outreach. AAIF serves as the primary national resource on the Arab American experience for the media, academia, government agencies and the private sector.