Von André Schäppi
Herr Clozel, mit dem Auftauchen von Konkurrenzprodukten zu Tracleer von Actelion Ende letztes Jahres werden bald ernsthafte Konkurrenten bei der Behandlung von Bluthochdruck im Lungenkreislauf auf den Markt drängen. Zudem soll ein vergleichbares Medikament leichter zu verabreichen sein. Weshalb sind Sie trotzdem überzeugt, dass Sie Ihre Umsatzprognose bis spätestens 2009 von CHF 1 Mrd. erreichen werden?
Jean-Paul Clozel: Wir sind auf gutem Weg, dieses Ziel zu erreichen. Das zeigt die Umsatzentwicklung der letzten Jahre. Wir sind jetzt bei einem Umsatz von 660 Mio. CHF. verglichen mit einem Umsatz von 470 Mio. CHF im Vorjahr. Das ist ja bereits ein bedeutender Schritt in diese Richtung. Da zu kommt, dass wir in wichtigen Märkten wie Japan, die Türkei oder Brasilien die Marktzulassung für Tracleer erhalten haben. Das wird Umsatz generieren. Im Weiteren erwarten wir demnächst die Marktzulassung von Tracleer für China. Betreffend Konkurrenten bleibt festzuhalten, dass Tracleer sehr effektiv wirkt, gute Erfahrungswerte zeigt und auf recht lange Erfahrungen zurückschauen schauen kann. Da wird es ein Konkurrenzprodukt nicht einfach haben.
«Unsere Entscheidung, Antibiotika zu erforschen und zu entwickeln, ist ein Schritt in Richtung Diversifizierung der Risiken»
Jean-Paul Clozel, CEO Actelion
Ein Teil des Umsatzes soll mit Zavesca generiert werden. Aktuell beträgt der Umsatz mit diesem Produkt etwa 15 Mio. CHF. Wie soll sich Zavesca entwickeln?
Wir erwarten einen Beitrag an der Milliarde von 50 Mio. CHF durch Zavesca.
Actelion investiert gegenwärtig rund CHF 170 Mio. in Forschung und Entwicklung. Soll der Aufwand in den kommenden Jahren erhöht werden?
Ja, wir haben für 2006 Aufwendungen für Forschung und Entwicklung zwischen 225 und 250 Millionen vorgesehen, was eine überproportionale Steigerung gegenüber den Vorjahren bedeutet. Da sich einige viel versprechende innovative Wirkstoffe in unserer Forschungs- und Entwicklungs-Pipeline befinden, müssen wir auch genügend Ressourcen zur Verfügung stellen.
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Fast der gesamte Umsatz wird mit Tracleer erzeugt. Um die Abhängigkeit zu verringern wird an der Entwicklung weiterer Medikamente gearbeitet. Welche sind das?
Zu den aussichtsreichen zählt Clazosentan, ein Medikament zur Behandlung von Gefässspasmen in Folge zerebraler Subarachnoidalblutungen. Dann ist da auch noch unser Orexin-Rezeptor-Antagonist. Neuere Forschungen zeigen, dass Orexin, ein Neuropeptid-Hormon, einen starken Einfluss auf das Schlaf/Wach-Verhalten hat. Somit könnten Schlafmittel entwickelt werden, die ohne die Nebenwirkungen der üblichen Schlafmittel – wie bspw. Benommenheit – angewendet werden können. Diese Wirkstoffe haben durchaus ein Blockbuster-Potenzial. Aber wir arbeiten auch anderen, von denen jedes ein paar Hundert Millionen Umsatz generieren könnte.
Ende letztes Jahr hat die Ankündigung, dass Actelion in den Bereich Antibiotika vorstösst für Gesprächsstoff gesorgt. Damit verlässt Actelion erstmals das angestammte Forschungsgebiet, das Endothel. Wo steht man aktuell mit dieser Entwicklung und weshalb hat man sich zu diesem Schritt entschieden?
Es gab eine Gruppe von Forschern, die zu uns stossen und in diesem Feld aktiv sein wollte. Die Entscheidung, Antibiotika zu erforschen und zu entwickeln, ist natürlich auch ein weiterer Schritt in Richtung Diversifizierung der Risiken. Im Weiteren ist die Nachfrage nach Medikamenten gegen resistente Bakterienstämme hoch. Und genau in diese Richtung zielen wir. Wir wollen Medikamente herstellen, bei denen die Bakterien keine Resistenz entwickeln können. Was ebenfalls für die Diversifizierung in diesen Bereich spricht, ist, dass man bei der Antibiotika-Entwicklung relativ schnell Resultate für die Zulassung erzielen kann, was mit anderen Medikamenten oft nicht möglich ist. Zudem sind derartige Entwicklungen bedeutend weniger risikoreich.
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Im Herbst hat ein Tessiner Unternehmen den Life Sciences Prize erhalten, das mit einem interessanten Geschäftmodell ein Alternativprodukt zu Tracleer auf den Markt bringen könnte. Es forscht nämlich nicht nach neuen Wirkstoffen, sondern versucht, für längst bekannte Wirksubstanzen neue Anwendungen zu finden. Das hat den Vorteil, dass diese Substanzen nicht mehr auf Toxizität oder Nebenwirkungen getestet werden müssen und schliesslich auch billiger auf den Markt kommen können. Weshalb begeht man bei Actelion nicht auch solche Wege?
Obwohl das Modell sehr interessant ist, ist es trotzdem kein einfacher Weg. Es kann beispielsweise sein, dass man sich in Patent- oder Lizenzabhängigkeiten begibt. Dann kommt dazu, dass auch nicht sicher ist, ob man mit diesem Modell in mehr als einem Fall, also längerfristig, erfolgreich, sein kann. Deshalb ist das für uns kein Weg, denn wir wollen unsere Entwicklungen unabhängig von derartigen Randbedingungen vorantreiben können und uns ganz auf die Entwicklung innovativer Medikamente konzentrieren.
Zur Person
Der 50jährige Jean–Paul Clozel ist französischer Staatsbürger. Der ausgebildete Kardiologe wandte sich nach mehrjähriger Tätigkeit der angewandten Forschung zu. Während seiner 12jährigen Tätigkeit bei der Hoffman-La Roche war er verantwortlich für die Auswahl des ersten T-Kanal-Blockers. Er entwickelte einige neuartige Substanzen wie Bosetan und Clazosentan. Für seine Tätigkeiten wurde er 1997 mit dem Forschungspreis ausgezeichnet. Ende 1997 gründete er mit seiner Frau und Freunden die Actelion. Während er sich anfänglich auf Forschung konzentrierte, wurde er später CEO und brachte das Unternehmen im Jahr 2000 an die Börse.
Das Unternehmen
Actelion Ltd ist ein biopharmazeutisches Unternehmen mit Hauptsitz in Allschwil/Basel, Schweiz. Actelions erstes Medikament, Tracleer®, ist ein zur Therapie der pulmonalen arteriellen Hypertonie zugelassener dualer Endothelin-Rezeptor-Antagonist in Tablettenform. Actelion vertreibt Tracleer® durch eigene Niederlassungen in den wichtigsten internationalen Märkten, so den Vereinigten Staaten, der Europäischen Union, Japan, Kanada, Australien und der Schweiz. Actelion, gegründet im Jahre 1997, ist ein weltweit führendes Unternehmen bei der Erforschung des Endothels. Das Endothel trennt die Gefässwand vom Blutstrom. Actelion konzentriert sich darauf, innovative Medikamente in Bereichen mit hohem medizinischem Bedarf zu entdecken, zu entwickeln und zu vermarkten. Actelion Aktien sind am SWX Swiss Exchange notiert. Das Unternehmen erzielte 2005 mit über 1000 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 660 Mio. CHF.