Die Studie wurde am Montag vom Bundesamt für Statistik (BFS) veröffentlicht. Sie ermöglicht es zum ersten Mal in der Schweiz, die Lebensbedingungen auf breiter Basis zu untersuchen, indem Informationen über das Wohlbefinden und die Einkommensverteilung kombiniert werden. Laut der Studie gaben 2009 74,6% der Schweizer Bevölkerung an, mit ihren Lebensbedingungen sehr zufrieden zu sein. Am stärksten wurde das Zusammenleben, das Arbeitsklima und die Wohnsituation geschätzt.
«Verfügbares Äquivalenzeinkommen»
Bei der eigenen finanziellen Situation zeigten aber nur 51,4% hohe Zufriedenheit. Bei Ausländern aus Südeuropa und Personen mit tiefer Bildung lag dieser Prozentsatz noch markant tiefer (knapp 31 respektive 44%). Zur Ermittlung des Lebensstandard der Haushalte geht die Studie von einem «verfügbaren Äquivalenzeinkommen» aus, das sich aus dem verfügbaren Haushalteinkommens unter Einbezug der Anzahl Personen errechnen lässt. Teilt man die Bevölkerung in zwei gleich grosse Gruppen, so zeigt sich, dass die wohlhabendere Hälfte ein 2,3- mal höheres verfügbares Äquivalenzeinkommen besass als die einkommensschwächere Hälfte.
Armutsgefährdet ein relativer Begriff
Als armutsgefährdet gelten Personen in einem Haushalt, dessen Einkommen deutlich unter dem üblichen Einkommensniveau des jeweiligen Landes liegt – es ist also ein relativer Begriff. Laut der «Armutsgefährdungsschwelle» der Europäischen Union liefen in der Schweiz 2009 14,6% der Bevölkerung Gefahr, in die Armut abzugleiten. Ihr Jahreseinkommen lag unter 28’700 CHF (für Einzelpersonen) respektive 60’270 CHF (für ein Ehepaar mit zwei Kindern). Laut den strengeren Kriterien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) waren dagegen nur 8% der Schweizer Bevölkerung armutsgefährdet. Zu den am stärksten armutsgefährdeten Gruppen zählen Ein-Eltern-Familien, kinderreiche Familien, Ausländer, Personen mit geringer Ausbildung, Erwerbslose, Kinder und ältere Alleinstehende.
Materielle Entbehrungen
Die Mehrheit dieser armutsgefährdeten Personen müssen auch materielle Entbehrungen hinnehmen. Sie können keine unerwarteten Ausgaben tätigen, sich keine Ferien ausserhalb ihrer Wohnung leisten, oder sie leben in lärmigen Problem-Quartieren. Eine Minderheit kann sich auch nicht qualitativ ausreichend ernähren. 6,7% der Bevölkerung sind hier betroffen – besonders stark ausländische Männer und junge Erwachsene. Die Erhebungen über die Einkommen und Lebensbedingungen wird europaweit in 25 Ländern durchgeführt. In der Schweiz wurden 7’000 Haushalte mit 17’000 Personen einbezogen. (awp/mc/ps/11)