Jeffrey D. Sachs: «2025 wird Asien 50% der Weltwirtschaft kontrollieren.»
von Gérard Al-Fil
Bei seiner Vorlesung im Dubai International Financial Centre (DIFC) am gestrigen Dienstag äusserte sich Jeffrey D. Sachs, Berater von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon im Bereich der Entwicklungs- und Entwicklungspolitik, zu den drängendsten Problemen unserer Zeit. Kontrovers fiel das Urteil des in Harvard ausgebildeten Ökonoms zur amerikanischen Aussenpolitik aus. Jeffrey D. Sachs über?
?die Rolle Asiens in der Weltwirtschaft:
«Wir durchleben gerade das Zeithalter der Konvergenz: Die Unterschiede im globalen Wohlstand verringern sich, nachdem nur Europa, Nordamerika und Japan in den letzten zweihundert Jahren Wohlstand generierten. Die westlichen Staaten wachsen jetzt nur noch langsam oder gar nicht, während die bisherigen Entwicklungs- und Schwellenländer nurmehr mit zweistelligen Wachstumsraten glänzen. Asien ist gerade dabei, den Westen als die dominierende Wirtschaftsmacht abzulösen. Im Jahr 2025 wird Asien 50% der Weltwirtschaft kontrollieren, im Jahr 2050 über zwei Drittel. Bis dahin wird die Weltbevölkerung von heute 6.6 Milliarden Menschen auf 9.2 Milliarden anwachsen. Ich spreche hier nicht von einem «asiatischen Wunder», sondern von einer Ablösung der westlichen Welt durch jene Länder, die nach Jahrzehnten der Armut den Code zu langfristiger Prosperität entziffert haben.»
..die globalen Umweltprobleme und alternative Energien:
«Hätten alle Länder einen Lebensstandard wie die USA, würde unser globales Ökosystem zusammenbrechen. Der globalen Resourcenknappheit kann nur mit einem Energiemix begegnet werden. Ich bin aber kein Befürworter von Biotreibstoffen, da zu deren Produktion nicht genug Ackerland zur Verfügung steht. Vielmehr sollte die Solarenergie weltweit gefördert werden. Das Emirat Dubai kann hier eine führende Rolle spielen, weil in Dubai fast ganzjährig die Sonne scheint, und nicht zuletzt, weil Dubais Regent Scheikh Mohammed bin Rashid al Maktoum konsequent auf Zukunftstechnologien setzt, wie beispielsweise auf Forschung und Entwicklung in der Medizin oder der Biotechnologie. Sheikh Mohammed hat mit der im September 2007 gestarteten «Dubai Cares»-Initiative (nationales Spendenprogramm, das armen Ländern zugute kommt, d. Red.) auch bewiesen, dass das Golfemirat nicht nur an sich selbst denkt, sondern Verantwortung bei der Bekämpfung der globalen Armut übernehmen will.»
… Indien:
«Indien hat momentan 1.1 Milliarden Einwohner. Eine Frau in Indien bringt im Schnitt drei Kinder zur Welt. Die Probleme Indiens sprengen jede Vorstellungskraft. Der Subkontinent ist heute eine der trockendsten und wasserärmsten Gegenden der Welt. Dort zapfen die Landwirte jetzt schon das Grundwasser an, damit ihre Felder überhaupt noch Erträge abwerfen. Das Land kann es sich auf keinen Fall leisten, 600 Millionen Menschen mehr aufzunehmen. Eine Geburtenkontrolle wie in China ist der Schlüssel für eine bessere Zukunft Indiens.»
… Afrika:
«Noch immer sterben jährlich zwei Millionen Menschen an Malaria. In Afrika können sich viele Familien Medikamente nicht leisten, um Krankheiten, die längst unter Kontrolle gebracht werden können, vorzubeugen. Zwei Tage der Ausgaben des Pentagon, also 3 Milliarden Dollar, würden ausreichen, um die Malaria unter Kontrolle zu bringen. Die UN haben deshalb ein Programm gestartet, dass zunächst in den Dörfen in Zentralafrika beginnt, Aufklärungsarbeit zu leisten und Impfstoffe zu verteilen.»
?die US-Aussenpolitik:
«Die Aussenpolitik Washingtons löst derzeit überhaupt keine Probleme, sie schafft momentan nur neue. Beispiel: Bevor ich aus New York nach Dubai abgeflogen bin, las ich in der New York Times, dass wir den Stämmen im Osten Pakistans jetzt Waffen liefern werden, damit sie gegen Talibangruppierungen im benachbarten Afghanistan kämpfen sollen. Dies wird zu überhaput nichts führen, sondern – wie bei der Invasion des Irak – zu mehr Gewalt. Die Stämme in Pakistan benötigen Krankenhäuser, Impfstoffe für ihr Vieh, Brunnen und Strassen – und nicht mehr Waffen. Damit züchten wir nur die Konfliktgegner von Morgen heran. So hat das mein Land (die USA) leider immer wieder gemacht: Man gibt neuen Verbündeten Waffen und später bombardieren wir sie. Das US-Verteidigungsbudget beträgt für den Zeitraum 2006 – 07 unglaubliche 650 Milliarden Dollar. Damit steht dem Pentagon so viel Geld zur Verfügung wie allen restlichen Verteidigungsministerien der Welt zusammen.«
.. den Konflikt in Darfur im Westen des Sudan: «
Der Konflikt in Darfur ist wie die meisten Kriege heute ein staatsinterner Konflikt. Warum? Weil Darfur, wie alle Regionen mit hohem Konfliktpotenzial eine der trockendsten Gegenden ist. Seit Jahrzehnten gehen die Niederschläge im Westen Sudans dramatisch zurück. Kein Wunder, dass die UNO keine geeignete Gegend für einen Stützpunkt ihrer 25’000 UN-Friedenssoldaten finden konnte – weil es kaum eine wasserreiche Gegend gibt, um die Blauhelme zu versorgen. Dann sollten wir uns aber mal fragen, wie denn die 7 Millionen Menschen, die in Darfur leben, versorgt werden können? In dem wir zum Beispiel Geld in Wasseraufbereitungsanlagen und – leitungen investieren – und nicht in mehr Truppen, die nur noch mehr Wasser verbrauchen.»
…die US-Hypothekenkrise und den schwachen Dollar:
«Dazu werde ich mich nicht äussern. Ich sehe meine Mission darin, Lösungsvorschläge für die drängendsten globalen Probleme im Bereich der Umwelt und bei der Bekämpfung der Armut vorzuschlagen.»
Zur Person:
Jeffrey David Sachs (53) ist Berater des amtierenden UN-Generalsekratäers Ban Ki-moon im Bereich der Entwicklungs- und Wettbewerbspolitik. Der in Harvard ausgebildete Ökonom beriet auch dessen Vorgänger Kofi Annan. Auf Sachs› Initiative geht die Etablierung der UN Millennium Development Goals zurück , mit denen bis 2015 weltweit Hunger, Armut und Krankheiten erheblich reduziert werden sollen. Jeffrey D. Sachs, auch Direktor des Earth Institutes an der Columbia University, beriet Regierungen in Bolivien, Polen und Russland bei der Bekämpfung ihrer Hyperinflation. Er befürwortet einen Schuldenerlass für die ärmsten Staaten der Erde. Das Time Magazin zählte den aus Detroit stammenden Sachs 2004 zu den 100 wichtigsten Menschen der Welt, das New York Time Magazine bezeichnete ihn als «den vielleicht einflussreichsten Ökonomen unserer Zeit».