Jens Alder: «Wir bleiben cool»

Von Andreas Thomann, Redaktion emagazine

Andreas Thomann: Die Eingabe Ihres Namens in der schweizerischen Mediendatenbank ergibt rund 250 Treffer für die letzten sechs Monate ? eine stolze Zahl. Warum steht der Swisscom-Chef derart im Rampenlicht?

Jens Alder:
Die Swisscom ist kein gewöhnliches Unternehmen. Obwohl privatisiert, hält der Bund nach wie vor die Mehrheit der Aktien. Das gibt vielen in der Schweizer Bevölkerung das Gefühl, die Swisscom sei auch ihr Unternehmen. Zudem erbringt die Swisscom Dienstleistungen, die fundamental sind fürs Land, genau wie die SBB, die Post oder die Elektrizitätswerke.&

Sie abstrahieren völlig von Ihrer Person. Falsche Bescheidenheit?

Sicher nicht. Bevor ich diese Position hatte, kannte mich niemand. Und ich möchte mit Ihnen wetten: Sollte ich diese Rolle nicht mehr haben, werde ich auch wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.

«Wenn es um Milliardenbeträge geht, sind Emotionen ein schlechter Ratgeber.» Jens Alder, CEO der Swisscom

Im Moment stehen Sie aber noch im Rampenlicht und geniessen als Manager auch weitherum Respekt. Eigentlich erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Sie in den letzten sieben Jahren insgesamt 7000 Stellen abgebaut haben.

Ich bezweifle sehr, dass mein Ruf oder derjenige des Unternehmens darunter nicht gelitten hätten. Dass ein profitables Unternehmen Stellen abbauen muss, ist für eine Mehrheit der Bevölkerung schlicht unverständlich. Man kann zwar theoretisch argumentieren, dass Profitabilität rückwärtsblickend ist, der Stellenabbau dagegen vorwärtsblickend, doch emotional können das die wenigsten nachvollziehen. Wir können aber für uns in Anspruch nehmen, dass wir den Imageschaden in Grenzen halten konnten.&

Was hat zu dieser Schadensbegrenzung beigetragen?

Irgendwie ist es uns wohl doch gelungen, zu erläutern, dass ein Unternehmen die Kosten reduzieren muss, wenn es einerseits nicht wächst und sich andererseits in einem Markt mit fallenden Preisen befindet. Und bei uns sind nun mal die Personalkosten das grösste Kostenelement. Noch wichtiger war aber die Tatsache, dass wir beim Stellenabbau jederzeit mit grossem Verantwortungsbewusstsein an die Sache herangingen.&

Inwiefern?
Wir haben nicht einfach die Leute gezwungen, unser Unternehmen zu verlassen, sondern versuchten, den von uns angerichteten Schaden so weit wie möglich zu begrenzen. Das äussert sich schon rein quantitativ: Seit der Privatisierung der Swisscom 1998 haben wir insgesamt zwei Milliarden Schweizer Franken für Sozialpläne ausgegeben. Das ist mehr als unser Nettojahresgewinn.

Wie hart ist das eigentlich für Sie persönlich, dass Sie Jahr für Jahr einen neuerlichen Stellenabbau ankündigen müssen?

Offen gesagt: Ich habe die Nase schon lange voll. Schliesslich besteht die eigentliche unternehmerische Aufgabe darin, Stellen zu schaffen und nicht zu vernichten. Der Gewinn dient dem Unternehmen nur dazu, seine Investitionen zu finanzieren und die Kapitalgeber zu frieden zu stellen. Ich habe aber die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass der Trend eines Tages dreht.


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Die Vorzeichen dafür stehen nicht sehr gut. Die Politik drängt zurzeit auf eine Öffnung der so genannten letzten Meile, mit der Begründung, damit den Wettbewerb unter den Anbietern zu fördern. Was ist dagegen aus liberaler Sicht überhaupt einzuwenden?

Gegen mehr Wettbewerb ist nichts einzuwenden. Doch die Entbündelung der letzten Meile ist nichts anderes als ein staatlicher Eingriff in privates Eigentum mit dem Charakter einer materiellen Enteignung. Hinter dieser Regulierung steht offiziell die Absicht, im Bereich des festnetzbasierten Breitbandangebots den Wettbewerb anzuheizen. Das Gegenteil wird eintreten, wie ein Blick auf die Länder zeigt, die die letzte Meile geöffnet haben. Diese Länder haben allesamt eine niedrigere Breitbandpenetration und höhere Preise als die Schweiz.

Und wo liegt Ihrer Ansicht nach der Denkfehler der Politiker?
Das Telekommunikationsgeschäft ist ein Infrastrukturgeschäft. Das heisst: Es muss sehr viel Kapital in Technologien investiert werden, bei denen die Erträge erst viel später anfallen. In solchen Märkten ist es Gift, wenn eine Behörde die Rahmenbedingungen von einem Tag auf den andern willkürlich verändern kann. Je grösser die Kompetenz der Behörden ist, desto riskanter ist es, Geld in diese Infrastruktur zu investieren.&


Als diplomierter Ingenieur ETH haben Sie Ihre Karriere früh der Technik verschrieben. Muss jemand technikverrückt sein, um eine Swisscom zu führen?

Als Technikfreak würde ich mich nicht bezeichnen. Aber natürlich fasziniert mich die Technik. Ich bin ja ursprünglich Kommunikationstechniker und habe mich immer in dieser Branche bewegt. Wenn ich schaue, welche Möglichkeiten heute schon existieren und vor allem welches Potenzial in diesem Bereich schlummert, dann ist es wahnsinnig schwer, sich dieser Faszination zu entziehen. 

Und welche Technologien stehen auf dem Technologieradar Ihrer Forschungs- und Entwicklungsabteilung ganz oben?

Ganz oben sind im Moment alle Technologien, die multimediale Inhalte ins Internetprotokoll überführen, also digitalisieren. Da öffnet sich ein unendliches Feld, sowohl im Festnetz wie im Mobilfunk. Eine Anwendung davon ist die Telefonie übers Internet, die so genannte Voice over IP. 

Wie stark fordert diese Technologie Ihr Geschäft heraus?

Es gibt kaum eine Technologie, die uns nicht zwingt, unser Geschäftsmodell zu ändern. Voice over IP ist insofern prominent als sie im schlimmsten Fall einen grossen Teil unseres Geschäftsvolumens ? den Festnetzbereich ? einfach verdunsten lassen könnte. Nur, solche Dinge kommen nicht über Nacht, und sie kommen schon gar nicht in voller Breite.

Stichwort Festnetz: Während 1997 drei Gesprächsminuten für ein Telefongespräch von Zürich nach Genf im Normaltarif noch 3.30 Franken kosteten, zahlt man heute bei der Swisscom gerade mal noch 24 Rappen. Hätten Sie damals eine solche Erosion für möglich gehalten?

Nein, natürlich nicht. Es gibt eine alte Weisheit, die sagt, dass man Veränderungen kurzfristig eher überschätzt, langfristig dagegen eher unterschätzt. Wir stellten natürlich schon fest, dass eine Erosion stattfand, doch in den ersten zwei Jahren nach der Liberalisierung schien die Situation weniger dramatisch als vorerst angenommen. Betrachtet man jedoch die letzten sieben Jahre, so erkennt man das wahre Ausmass der Veränderungen. Wir hätten uns doch nie vorstellen können, dass man nachts oder am Wochenende einfach gratis telefonieren kann. 


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In einem Umfeld des permanenten technologischen Wandels passieren zwangsläufig Fehler. Welches waren Ihre bisher grössten Irrtümer als Swisscom-Chef?

Der grösste Irrtum fiel mitten in die Interneteuphorie. Die deutsche Regierung versteigerte im Jahr 2000 insgesamt sechs Lizenzen, um ein neues Mobilfunknetz für die dritte Mobilfunkgeneration, die so genannte UMTS-Technologie, aufzubauen. Auch wir beteiligten uns an dieser Auktion. Unser damaliger Business-Plan sagte uns, dass dieses Recht rund fünf Milliarden Euro wert war. Also steigerten wir bis zu diesem Betrag mit, stiegen aber aus, als die Konkurrenten über diese Limite hinaus weiter boten. Heute weiss man, dass diese Lizenzen massiv weniger wert sind. Ich war also bereit, bis zu fünf Milliarden Euro Aktionärsvermögen weitgehend zu vernichten. Doch ein Schutzengel verhinderte, dass es so weit kam.&

Drehen wir die Frage um: Wo ist die Swisscom als erste erfolgreich auf eine neue Technologie aufgesprungen?

Eigentlich ist das bei uns immer der Fall (lacht). In der Schweiz waren wir beispielsweise Pioniere im Bereich Wireless LAN, dem drahtlosen Zugang zum Breitbandinternet. Dank dieser starken Position stiessen wir auch ins Ausland vor, wo wir mit Eurospot eine separate Firma gründeten, die inzwischen in zehn europäischen Ländern an rund 2000 Standorten den drahtlosen Internetzugang ermöglicht.&

Die lang ersehnte Übernahme eines ausländischen Telecom-Anbieters blieb Ihnen bis heute verwehrt. Haben Sie keine Angst, als Mann der verpassten Chancen in die Geschichte einzugehen?

Mein Ego steht da nicht im Vordergrund. Die Frage lautet: Ist eine Übernahme gut fürs Unternehmen oder nicht. Ich bin persönlich davon überzeugt, dass wir keine Auslandsakquisition tätigen müssen, um unsere Konkurrenzfähigkeit in der Schweiz langfristig zu halten. Denn dort, wo es in unserer Industrie globale Skaleneffekte gibt ? im Mobilfunk ?, haben wir dank der Partnerschaft mit Vodafone Zugang zu einem grösseren Markt.&

Warum schielen Sie trotzdem permanent ins Ausland?

Das liegt daran, dass wir eine schuldenfreie Bilanz haben, was aus Aktionärssicht völlig ineffizient ist. Besser wäre es, unsere Bilanz mit Schulden zu belasten und dank dem investierten Geld einen Return zu erwirtschaften, der höher ist als die Fremdkapitalkosten. Gemäss unseren Analysen könnten wir bis zu zehn Milliarden Franken an Fremdkapital aufnehmen, und wir hätten europaweit immer noch eine der besten Bilanzen in unserer Branche. Einen so hohen Betrag kann man jedoch nur im Ausland investieren.

Nach der gescheiterten Übernahme von Telecom Austria im letzten Jahr zog die Swisscom im vergangenen April auch bei der tschechischen Cesky Telecom den Kürzeren. Frustriert?

Ehrlich gesagt schon ein wenig. Wir haben viel Zeit und Energie in diese Projekte gesteckt. Doch wenn es um Milliardenbeträge geht, sind Emotionen ein schlechter Ratgeber. Wir bleiben deshalb cool und warten auf die nächste Gelegenheit.





Jens Alder

Die Technik, vor allem die Kommunikationstechnik, zieht sich bei Jens Alder wie ein roter Faden durchs Leben.
Geboren 1957 in Horgen als Sohn eines Schweizers und einer Dänin studierte Jens Alder nach Abschluss des Gymnasiums an der ETH Zürich Elektroingenieur.

Seine erste Stelle trat Alder bei der Standard Telephon & Radio AG in Zürich an, zuerst als Entwicklungsingenieur, danach als Produktmanager. Es folgte ein Engagement beim Schweizer Ableger des französischen Telekommunikationsherstellers Alcatel als Produktmanager, später als Leiter des Bereichs Multimedia. Nach einem Abstecher zur Motor Columbus AG in Baden kehrte Alder als Mitglied der Geschäftsleitung zur Alcatel Schweiz zurück.

Im April 1998 übernahm er die Abteilung «Network Services und Wholesale» bei der Swisscom. Seit 16.12.1999 ist Jens Alder beim gleichen Unternehmen Präsident der Konzernleitung.






Dieser Artikel wurde Moneycab
freundlicherweise von der
Redaktion Emagazine zur Verfügung gestellt

www.emagazine.ch

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