Von Hartwig von Sass
Der Käfer, der zum Schluss kaum noch Käufer fand, war weltweit mehr als eine Blechkarosse mit vier Rädern. Er wurde funktionalisiert durch den Faschismus, war Symbol des deutschen Wirtschaftswunders, Kultobjekt der Hippie-Generation, Filmstar und vor allem Grundstein für den viertgrössten Automobilkonzern der Welt – Volkswagen.
Der Ur-Käfer entstand Anfang der 30-er Jahre im Kopf des Automobilkonstrukteurs Ferdinand Porsche. Am 22. Juni 1934 – inzwischen war in Deutschland Adolf Hitler an der Macht – bekam Porsche vom «Reichsverband der Deutschen Automobilindustrie» seinen mit 20.000 Reichsmark dotierten Auftrag. Innerhalb von zehn Monaten sollte er den ersten Prototypen des «Volkswagen» vorstellen. Porsche machte sich in seiner Gerage in Stuttgart an die Arbeit und präsentierte am 3. Juli 1935 die erste Variante der Limousine und ein knappes halbes Jahr später die Cabrio-Version.
1936 kam die Luxusvariante
Im Juli 1936 kam die Luxusvariante mit verbessertem Motor. Die Konstrukteure testeten diese drei «V 3»-Fahrzeuge auf jeweils 50.000 Kilometern und beseitigen bis Januar 1937 die Schwachstellen. Die dann folgenden 30 «W 30» mussten zusammen 2,3 Millionen Kilometer fahren.
Auch wenn der Wagen den Anforderungen nach Grösse, Motorleistung und Verbrauch entsprach – auf den Markt kam der damalige «Kraft- Durch-Freude-Wagen» vor dem Krieg nicht. Zwar legte Adolf Hitler am 26. Mai 1938 selbst den Grundstein für das Volkswagenwerk – und damit auch für die Stadt Wolfsburg. Aber in der damals hochmodernen Fabrik wurden fortan keine «Volkswagen», sondern Kübelwagen für seinen Vernichtungsfeldzug zusammengesetzt. Bis zum Ende des Krieges wurden nur 630 Limousinen gefertigt.
Briten sorgen für Schwung
In Schwung kommt der Käfer erst 1945, als die damalige britische Militärregierung 20.000 Fahrzeuge bestellte. Im Dezember 1945 läuft die Serienmontage mit 55 Käfern an, schon ein Jahr später verliess der 10.000. Käfer das Wolfsburger Band. Hätte es mehr Material gegeben, wären auch mehr Fahrzeuge produziert worden. Und fortan läuft der Wagen mit dem eigenwilligen Design in Deutschland und vom 8. August 1947 auch ins Ausland. Als erstes in die Niederlande und andere Länder Europas und dann auch nach Übersee. 1950 startet der US-Export mit 328 Fahrzeugen. Und gerade in den USA entwickelte er sich zum Liebling. In Spitzenzeiten fuhren vier Millionen US-Bürger den «Beetle». VW stieg wegen des Käfer-Exports ins Reedereigeschäft ein. Zwischen 1962 und 1972 unterhielt der Autobauer mit mehr als 80 Schiffen die weltweit grösste private Charterflotte.
Den Anfang vom Ende des Käfers läutete VW schon am 19. Januar 1978 ein, als der letzte deutsche Käfer im Emder Werk mit der Fahrgestellnummer 1 182 034 030 in Dakota-beige vom Band direkt ins Wolfsburger VW-Museum rollte. Inzwischen war der Nachfolger Golf, dessen Produktion im Januar 1974 in Wolfsburg begann, für VW wichtiger und trat aus wirtschaftlicher Sicht für VW an die Stelle des kleinen kugeligen Autos. Fortan wurden die Käfer, die in Deutschland verkauft wurden, im Ausland montiert.
Käfer rollt nur noch in Mexiko vom Band
Nach und nach stellte VW weltweit alle Käfer-Bänder ein – bis zum Schluss nur noch im Werk im mexikanischen Puebla. Gerade einmal 50 Stück wurden dort in den vergangenen Monaten noch montiert – zu wenig um selbst an einem Billig-Standort eine Gewinn bringende Produktion zu organisieren.
Auf Deutschlands Strassen sind die rollenden Eier selten geworden, 85.000 sind laut Kraftfahrt-Bundesamt noch angemeldet. Und wohl jeder über 35 Jahre kann Jüngeren Geschichten von nicht wärmenden Heizungen im Winter, Hitze im Sommer, kleinen dreieckigen Aufstellfenstern, von wenigen Schrauben gehaltenen Kotflügeln oder kleinen oder grossen Abenteuern im Käfer erzählen.
Fans bleiben Käfer treu
Auch wenn er künftig zum alten Eisen gehört, schon die abertausenden Fanclubs weltweit werden dafür sorgen, das der Buckelige, der für viele ein Spiegel der deutschen Geschichte ist, nie ganz von den Strassen der Welt verschwinden wird. Und auch das Internet hilft kräftig beim Erhalt des Auto-Mythos. So schreibt etwa die 15-jährige Anna-Maria im Gästebuch von www.vwkaefer.de: «Ich liebe dieses Auto, obwohl ich noch nie in einem sass. Ich hoffe ich finde in drei Jahren noch einen, der fahrtüchtig ist und nicht nach ein paar Monaten auseinander fällt! Aber ich bin fest entschlossen weiterzusuchen und lasse mich durch nichts und niemandem abbringen.» (awp/dpa/mc/mad)