Joachim Hunold, CEO airberlin
Von Radovan Milanovic
Moneycab: airberlin strebt die Allianz zum Bündnis um British Airways und der spanischen Iberia für Anfang 2012 an. Die Oneworld-Partnerschaft peilt vor allem Geschäftsreisende an. Als Mitglied der Allianz werden Sie statt der bisher 150 Ziele in 40 Ländern rund 900 Ziele in 150 Ländern anbieten können. Bleibt Berlin dann weiter Ihr einziger Hub? Inwieweit betrifft die neue Ausrichtung Ihr Geschäft in der Schweiz?
Joachim Hunold: airberlin hat gegenwärtig drei wichtige Drehkreuze: Berlin, Düsseldorf und Palma de Mallorca. Zum Sommerflugplan 2010 hat airberlin seinen Hub in Berlin beträchtlich ausgebaut. Statt vorher 3’000 gibt es nun 6’000 wöchentliche Umsteigeverbindungen in Berlin, die von Passagieren aus Skandinavien und Osteuropa sehr gut angekommen werden. Von Berlin aus ergeben sich für diese Passagiere auch gute Verbindungen in der Schweiz.
«Die Schweiz ist für airberlin ein hochinteressanter Markt. Im März haben airberlin und Boeing ein neues Gesamtpaket für die Auslieferung von Flugzeugen beschlossen.» Joachim Hunold, CEO airberlin
Sie planen Ihre Flotte in der Schweiz um 50% von 6 auf 9 Maschinen aufzustocken. Anderseits gab Boeing im März bekannt, dass Sie aufgrund der Luftfahrtkrise Ihre Bestellung von 25 Boeing 787 Dreamliner auf 15 und die Kaufoptionen von 10 auf 5 zusammen reduziert haben. Entwickelt sich das Geschäftsumfeld in der Schweiz anders als im europäischen Ausland?
Die Aufstockung unserer Flotte in der Schweiz ist bereits vollzogen. Der Grund für die Aufstockung liegt im erweiterten Angebot aus der Schweiz vor allem nach Italien und auch nach Spanien. Die Schweiz ist für airberlin ein hochinteressanter Markt. Im März haben airberlin und Boeing ein neues Gesamtpaket für die Auslieferung von Flugzeugen beschlossen. Ein Bestandteil war die Reduzierung der Bestellungen der Boeing 787. Das ist eine Reaktion auf veränderte Marktbedingungen und die Verzögerung bei den Auslieferungen dieses sehr modernen Flugzeugs.
Ihr Low-Cost Konkurrent EasyJet «brilliert» mit Flugverspätungen, Annullationen und Kunden welche im Regen stehen gelassen werden. Themen, welche gar das Schweizer Parlament in Bezug auf die Betriebsbewilligung der Airline beschäftigen. Wie steht es mit der Pünktlichkeit von airberlin in der Schweiz? Profitieren Sie vom Imageverlust von EasyJet?
Die Pünktlichkeit von airberlin in der Schweiz ist unverändert gut. Zwar haben wir auch die Streiks der europäischen Fluglotsen gespürt, aber abgesehen davon halten wir unsere gewohnten Pünktlichkeitsstandards.
Werden Ihre bisherigen Kunden mit der Konzentration auf das neue Kundensegment «Geschäftskunden» aufgrund Ihrer Vollmitgliedschaft ab 2012 der Oneworld Allianz in Zukunft nicht vernachlässigt? Müssen Ihre Fluggäste somit mit höheren Flugpreisen rechnen?
airberlin hat seit einigen Jahren das Segment «Geschäftsreise» deutlich und erfolgreich ausgebaut. Unser Geschäft mit Firmenkunden ist eine unserer drei Säulen des hybriden Geschäftsmodells, des Einzelplatz- und Pauschalreise- sowie Firmenkundengeschäft, das in Europa viele Nachahmer findet. Unsere Geschäftsreisende schätzen das Preis-Leistungsverhältnis von airberlin und sein dichtes Streckennetz in Deutschland und Europa sowie unsere Langstreckenverbindungen. Wir werden – wie bisher – auch die anderen beiden Säulen unseres Geschäftsmodells nicht vernachlässigen. Das sehen auch unsere künftigen Partner von Oneworld so, die den Passagiermix und das umfassende Streckennetz von airberlin als einen grossen Vorteil für sich sehen.
Als Low Cost Carrier kennt airberlin bis heute nur die Ein-Klassen Konfiguration. Wird sich Ihr Model mit der Neuausrichtung ändern? Insbesondere unter dem Aspekt der Zwei-, beziehungsweise Dreiklassensysteme Ihrer künftiger Allianzpartner?
Auf den innerdeutschen und auf den europäischen Strecken bietet airberlin ein Einklassen-Konzept an, das ist richtig. Auf unseren Langstrecken haben wir eine Business-Klasse, die sehr gut angenommen wird. Wir werden an dieser Aufteilung auch weiter festhalten.
Ihre 50 Schweizer Destinationen wie Catania, Rimini, Ibiza, Malaga, Karibik, Thailand… um nur einige zu nennen, sind typische Feriendestinationen. Jetzt kommt die Neuausrichtung auf Geschäftskunden bei einer Abdeckung von typischen Ferien-Reiseziele. Ist dies kein Widerspruch?
Das ist kein Widerspruch, da wir aufgrund unseres Geschäftsmodells alle Fluggäste ansprechen. Zudem finden sich unter den Destinationen, die aus der Schweiz bedient werden, durchaus viele Ziele, die für Geschäftsreisende sehr interessant sind. Zu nennen sind da unter anderem: Rom, Mailand, Barcelona, Wien, Berlin, Düsseldorf etc.
«Gegenüber der Bahn haben wir – aus Sicht der Geschäftsreisen – auf jeden Fall Vorteile bei Strecken, die mehr als 400 Kilometer betragen.»
Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Travel-Management Carlson Wagonlit und Airplus zeigt, dass Geschäftsreisende wieder mehr fliegen. Doch die Reisespesen sind erheblich zusammen gestrichen worden. Flogen 30% der Geschäftskunden 2007 in der Business Klasse, so waren es 2009 nur noch 21%. Anderseits erhöhte sich im gleichen Zeitraum der Prozentsatz der Economy Kunden von 69% auf 78%. Dieselbe Studie zeigt auch, dass die Bahn vermehrt Geschäftskunden absorbiert. Wie reagieren Sie auf diese Entwicklungen?
Vom Wechsel vieler Geschäftsreisender von der Business- in die Economy-Klasse hat airberlin profitiert. Hier zeigt sich der Vorteil unseres Einklassen-Konzepts in Europa mit einem Service-Angebot wie Verpflegung an Bord, Zeitschriften, Vielfliegerprogramm «topbonus» etc. für das wir jährlich mit rund 10 internationalen Preisen ausgezeichnet werden. Gegenüber der Bahn haben wir – aus Sicht der Geschäftsreisen – auf jeden Fall Vorteile bei Strecken, die mehr als 400 Kilometer betragen.
Im Juli gaben Sie die Zunahme der Passagierzahlen im Vergleich zur Vorjahresperiode um 6,4% auf 3,7 Mio bekannt. Anderseits sank die Auslastung der Flugzeuge um 2,1 Prozentpunkte auf 81,2%. Da Sie seit Anfang Juli die flyniki konsolidieren, sind die Vorjahreszahlen nur beschränkt miteinander vergleichbar. Wie sehen die beiden wichtigen Luftverkehrskennziffern ohne Konsolidierung aus?
Seit der Konsolidierung von NIKI von Anfang Juli weisen wir diese beiden Kerngrössen gemeinsam aus. Das hat vor allem abgrenzungstechnische Gründe, deren Berichterstattung nicht zu mehr Transparenz führen würde.
«Das laufende Geschäftsjahr ist durch die mehrere Tage dauernde Luftraumsperrung in Europa im April und Mai sowie den daraus resultierenden Kosten ein völlig untypisches und herausforderndes Jahr.»
Im vierten Quartal 2009 hat airberlin ein Fremd- zu Eigenkapitalverhältnis von 75% zu 25% ausgewiesen. Die Kerosinkosten, welche rund 25% Ihrer Betriebskosten ausmachen, hedgen Sie nur noch zu ca. 60%. Beide Positionen weisen auf eine Änderung der Geschäftspolitik oder Richtung Expansion hin.
Das Eigenkapital hat sich, wie im ersten Quartal nicht unüblich, ertragsbedingt zurückgebildet. Positiv wirkte eine höhere Marktbewertung von Sicherungsinstrumenten. Die Eigenkapitalquote betrug zum Ende des 1. Quartals 2010 21,1% nach 25,3% am Ende des Geschäftsjahres 2009. Ende des zweiten Quartals betrug die Eigenkapitalquote 20%, was durch den saisonalen Verlust durch die finanziellen Folgen der Luftraumsperrung in Europa begründet ist. Bei der Absicherung des Treibstoffs setzt airberlin seine bisherige Linie fort. Bis August waren zum Stand des Quartalsberichtes im März rund 90% mit Sicherungsgeschäften abgedeckt. Für das 4. Quartal bestand zu diesem Zeitpunkt eine Absicherung von durchschnittlich 62%. Eine Abkehr von der bisherigen Geschäftspolitik kann ich daraus nicht erkennen.
Die Flugverkehrs- und die Autoindustrie sind in Zeiten der Wirtschaftskrise die Branchen mit den grössten zyklischen Ausschlägen. airberlin ist jedoch zur zweitgrössten deutschen Airline gewachsen und plant die Ausweitung des globalen Geschäftes, während die Krise noch nicht überwunden ist. Was stimmt Sie so optimistisch?
W ir nutzen unsere Marktchancen wo immer wir sie sehen. Zudem zeichnen sich zyklische Branchen nach einer starken Abwärtsbewegung auch durch eine schnelle Erholung aus. Allerdings ist ein Bestandteil unsere Strategie, dass das Ertragswachstum vor der Gewinnung von Marktanteilen geht. Unsere künftige Vollmitgliedschaft in Oneworld zeigt, dass wir zusammen mit sehr renommierten internationalen Airlines, ein fester Bestandteil des internationalen Luftverkehrs sind und daher am prognostizierten Wachstum der Weltluftfahrt profitieren werden.
Lufthansa versus airberlin. Wieso sollten die Passagiere Air Berlin wählen?
Ich schätze die Lufthansa, aber sehe viele Gründe – wie unser europäisches Produkt und Service – um airberlin den Vorzug geben.
Welche Ziele haben Sie sich für das laufende Jahr gesetzt?
Das laufende Geschäftsjahr ist durch die mehrere Tage dauernde Luftraumsperrung in Europa im April und Mai sowie den daraus resultierenden Kosten ein völlig untypisches und herausforderndes Jahr. Wir sind aber zuversichtlich, dass wir es gut meistern werden und wir haben anlässlich des Halbjahresergebnisses am 26. August darauf hingewiesen, dass wir an unserer Ergebnisprognose für 2010 festhalten.
Der Gesprächspartner:
Herr Joachim Hunold wurde am 5. September 1949 in Düsseldorf, Deutschland geboren. Er ist verheiratet und hat vier Kinder. Nach dem Abitur 1970 Jurastudium. Seit 1978 berufliche Tätigkeit in der Luftfahrtbranche: bis 1982 bei Braathens Air Transport, Düsseldorf, danach bis 1990 Sales und Marketing Director bei der LTU Gruppe. Gründer der Air Berlin GmbH & Co. Luftverkehrs KG im April 1991 und Übernahme der airberlin, Inc. Seither Chef der airberlin Gruppe, zunächst als geschäftsführender Gesellschafter, seit der Schaffung der neuen Holdingstruktur mit Wirkung zum 1. Januar 2006 als deren CEO.
Das Unternehmen:
1 955 wurde die LTU (Lufttransport-Union, ab 1956 Lufttransport-Unternehmen) gegründet. Von Rewe-Touristik im Jahr 2000 übernommen, stiegen 2006 die Nürnberger Intro Verwaltungs GmbH und LTU-Geschäftsführer Jürgen Marbach in das Unternehmen ein. Ab 2007 entwickelte sich die LTU vom Charter- zum Liniencarrier. Im August 2007 übernahm airberlin die LTU und integrierte sämtliche Maschinen in die eigene Flotte.
Im November 2007 erwarb airberlin vom bisherigen Alleineigentümer Hotelplan eine 49-prozentige Beteiligung an Belair Airlines AG und übernahm die wirtschaftliche Verantwortung für die Schweizer Fluggesellschaft. Belair hat seinen Heimatflughafen in Zürich und bedient Feriendestinationen im Mittelmeerraum, Ägypten, die Kanarischen Inseln und deutsche Metropolen.
airberlin ist in den letzten Jahren sowohl organisch als auch über Akquisitionen gewachsen. Zur airberlin group gehören neben airberlin die österreichische Airline NIKI (49,9 Prozent), die Schweizer Fluggesellschaft Belair (49 Prozent) und die Düsseldorfer Fluggesellschaft LTU (100 Prozent). Das Unternehmen hat seinen Heimatflughafen in Wien und bedient neben Zielen in Österreich viele weitere Destinationen in Europa.