von Robert Jakob
Herr Wolle, sie haben die meisten Ihrer Niederlassungen in Thailand. Spüren Sie etwas von dem politischen Wirbel um die Rothemden?
Thailand ist unsere grösste Ländergesellschaft mit etwa 10,000 Mitarbeitern. Wir sind jedoch flächendeckend über ganz Asien präsent. Die politischen Proteste haben generell einen negativen Einfluss auf die wirtschaftliche Situation in Thailand, insbesondere auf das Konsumverhalten der Bevölkerung und den Tourismus. Dank unserer starken Marktposition und der breiten Diversifikation in den unterschiedlichen Industrien haben wir es bisher geschafft, unser Geschäft in Thailand kontinuierlich auszubauen.
Als Unternehmen, das anderen Firmen beim Markteintritt und ?Expansion in fernen Ländern hilft, ist DKSH auf solide Gesetzesstrukturen in diesen Ländern angewiesen. Wie können Sie dort jeweils vor Ort Einfluss nehmen?
In vielen dieser Länder sind die Gesetzesstrukturen anders als wie wir es uns in Europa gewohnt sind. Man muss mit einem hohen Grad an Unsicherheit und Ambivalenz umgehen können. Dies ist ja genau einer der Gründe, wieso europäische Firmen gut beraten sind, eine Expansion nicht im Alleingang zu unternehmen, sondern mit einem Partner, der in Asien zu Hause ist, der sich vor Ort auskennt und über die lokale Infrastruktur verfügt. DKSH ist seit mehr als 140 Jahren bestens etabliert in den asiatischen Märkten und stellt tragfähige, immer wieder geprüfte Netzwerke zur Verfügung. Auf dieser Plattform können westliche Unternehmen mit einem kalkulierbaren Risiko, wenig Fixkosten und auch in nützlicher Frist in Asien expandieren. Auf Basis unserer Erfahrung vor Ort und unserem kulturellen Know-how bieten wir Beratung an und erarbeiten mit dem Kunden einen Geschäftsplan für den Eintritt in den neuen Markt. Im Gegensatz zu einer Beratungsfirma setzen wir diesen Plan auch selbst um. Wir können vor Ort das Marketing, den Vertrieb für ihn übernehmen, und wir verfügen über die Logistikinfrastruktur, um die flächendeckende Distribution sicherzustellen. Am liebsten bieten wir ganze Paketlösungen an.
«DKSH ist seit mehr als 140 Jahren bestens etabliert in den asiatischen Märkten und stellt tragfähige, immer wieder geprüfte Netzwerke zur Verfügung.» Jörg W. Wolle, CEO und VR-Delegierter DKSH
Mit dem Kauf des letzten bedeutenden Handelshauses mit Schweizer Wurzeln, der Firma Hagemeyer-Cosa-Liebermann, sowie den beiden anderen Zukäufen, Chiao Tai und Biolife haben Sie weitere Pflöcke in Hongkong, Taiwan, Malaysia, Südkorea und Mikronesien eingeschlagen. Insgesamt kommen 700 neue Mitarbeitende hinzu. Nach dem Einstieg von Stephan Schmidheiny bei DKSH vor zwei Jahren hätte ich persönlich stärker auf Zukäufe in Südamerika gewettet….
Wir haben 2009 eine Überprüfung unserer Strategie vorgenommen – in Zusammenarbeit mit einer spezialisierten Strategieberatungsfirma. Das Resultat bestätigte, was wir erwartet haben. In unseren bestehenden Märkten und Geschäftsfeldern besitzen wir noch unglaublich viel Wachstumspotential. Unsere Strategie ist daher überspitzt gesagt: «Schuster bleib bei deinem Leisten», d.h. wir fokussieren uns auf das wo wir gut sind, auf die bestehenden Märkte (Asien, Europa) und die vier Geschäftsfelder Konsumgüter, Healthcare und Pharmaprodukte, Technologie und Spezialrohstoffe. In diesen Bereichen expandieren wir gezielt weiter. Expansion in neue Kontinente steht daher im Moment nicht auf dem Fahrplan.
Aber was bringen denn die Übernahmen in Ihren, ich nenne es mal Stammlanden, an neuem Potenzial?
Die Übernahme von Hagemeyer-Cosa Liebermann mit 350 Mitarbeitern und Operationen in Korea, Taiwan, Hong Kong, Guam and Saipan betrifft unser Luxusgüter- und Lifestyle Geschäft und verstärkt die führende Stellung von DKSH als unabhängiger Dienstleister für den Vertrieb von Luxusprodukten in Asien. Wie die vor zwei Jahren erworbene Desco ist die Cosa Liebermann ein Schweizer Handelsunternehmen, das vor mehr als einem Jahrhundert in Asien gegründet wurde. Die zweite Akquisition, Chiao Tai Logistics, der mit 200 Mitarbeitern und 7 Distributionszentren führenden, auf Konsumgüter spezialisierten Logistikfirma in Taiwan, verstärkt unser Geschäft in Taiwan und ermöglicht es der DKSH, in Zukunft Kunden eine regionale Lösung für die Marktexpansion im Dreieck Hong Kong, Südchina und Taiwan anzubieten. Und die Übernahme der Firma Biolife, dem führenden Anbieter von Vitaminen und Nahrungsergänzungsstoffen in Malaysia, verstärkt das own brands Geschäft in der Business Unit Healthcare. Insgesamt erweitert sich das Distributionsnetzwerk sowie die Marktabdeckung dank diesen Akquisitionen um mehr als 80 zusätzliche Niederlassungen.
Wird es in den nächsten Jahren so weiter gehen? Will heissen: offene Schleusen in Asien und punktuelle Zukäufe im Rest der Welt?
Wir verfolgen eine klare Wachstumsstrategie, mit dem Fokus auf unseren bestehenden Märkten ? also Asien und Europa ? und die vier Geschäftsfelder Konsumgüter, Healthcare und Pharmaprodukte, Technologie und Spezialrohstoffe. In diesen Bereichen werden wir weiter expandieren. Wir wachsen in erster Linie aus eigener Kraft: durch Multiplikation von erfolgreichen Vertriebspartnerschaften von einem Land ins nächste innerhalb der Region sowie systematisches und proaktives business development. Wir haben über die letzten Jahre sehr stark investiert in die regionale Abdeckung Asiens und in modernste IT-Infrastruktur als Basis für weitere Expansion. Neben organischem Wachstum tätigen wir auch Arrondierungs-Akquisitionen in strategischen Wachstumsbereichen ? seit dem Merger im Jahr 2002 haben wir 24 Unternehmen übernommen und in DKSH integriert.
$$PAGE$$
Neben Schmidheinys Anova ist auch die FFP der französischen Industriellenfamilie Peugeot sowie der Hedgefondspionier Rainer-Marc Frey wichtiger Aktionär von DKSH. Was hat Ihnen neben der Stärkung der Eigenkapitalbasis um 170 Millionen CHF der Einstieg prominenter Investoren gebracht?
Mit der Öffnung der Aktionärsbasis für neue Investoren und der damit verbundenen Kapitalerhöhung wurden rechtzeitig vor Ausbruch der Finanzkrise neue Perspektiven für Wachstum und Expansion eröffnet. Die Transaktion brachte uns zusätzliches Kapital und drei neue Aktionäre, die heute und in Zukunft unsere Expansionspläne tatkräftig ? sowohl mit finanziellen Mitteln wie auch durch Know-how, Erfahrung und Netzwerke ? unterstützen und bei den Entscheidungen zur strategischen Weiterentwicklung unseres Unternehmens ihr fundiertes Wissen aus unterschiedlichen Spezialgebieten einbringen.
Obwohl der Welthandel im vergangenen Jahr um unglaubliche 12% geschrumpft ist und in vielen Häfen kurz gearbeitet wurde, konnten DKSH gleichsam organisch weitere 4% zulegen. 2010 werden sie vermutlich wieder zweistellig wachsen, oder?
Davon gehen wir aus. Wir hatten einen äusserst erfolgreichen Start ins neue Jahr, mit Resultaten, die zweistellig über den Vorjahreswerten liegen.
«Bezüglich IPO muss ich enttäuschen. Zur Zeit gibt es keinen wirklich guten Grund für einen Börsengang.»
DKSH wären ein sicherer Kauf, wäre da nicht das hohe KGV und der prohibitiv grosse Geld-Brief-Spread im ausserbörslichen Handel. Können sich denn die Anleger denn gar keine Hoffnung auf ein going public machen?
Da muss ich sie leider enttäuschen, zurzeit gibt es keinen wirklich guten Grund für einen Börsengang.
Wenn die Zinsen weltweit ansteigen, sind Sie vielleicht froh, über einen schnellen Refinanzierungskanal, wen Sie einmal wirklich sehr viel Geld brauchen sollten, oder nicht?
Unsere solide finanzielle Situation bietet auf jeden Fall eine exzellente Perspektive für die weitere Entwicklung von DKSH. Ausserdem sind wir gut gerüstet für verschiedenste Kapitalmarkttransaktionen, wie wir es bereits in der Vergangenheit bewiesen haben.
DKSH profitiert auch im Handel vom Renommé der Schweiz als Synonym für Genauigkeit und Verlässlichkeit. Deshalb haben Sie auch 25 Millionen Franken in die informationstechnische Infrastruktur, vornehmlich in ein Resourcenplanungssystem gesteckt. Kann man einmal ein Beispiel zitieren, was so ein ERP-System bei einem weltweiten Dienstleister für Marktexpansion leistet?
Durch die Implementation von SAP im gesamten DKSH Konzern werden alle Geschäftsprozesse der DKSH weltweit harmonisiert und standardisiert. Damit können wir unseren Herstellern und Kunden gleichermassen identische Systeme und Qualitätsstandards in allen Ländern der DKSH Gruppe anzubieten. Unsere Geschäftspartner wünschen sich heute standardisierte Informationsrückflüsse aus den Märkten bezüglich Konsumverhalten und Kundenbedürfnissen. Diese Informationen helfen ihnen, ihr Geschäft erfolgreicher und effizienter zu betreiben. Sie können jedoch nur durch eine ausgeklügelte IT-Infrastruktur bereitgestellt werden. Die CHF 25 Millionen sind in etwa die jährlich wiederkehrenden Investitionen in unsere IT Systeme ? um eine der grössten SAP Installationen in Asien ? auf dem neuesten Stand zu halten.
Der Gesprächspartner
Jörg W. Wolle ist CEO und Delegierter des Verwaltungsrats der DKSH Gruppe, die im Juni 2002 aus dem Zusammenschluss der Asienaktivitäten von Diethelm Keller mit SiberHegner entstand. Zuvor war er seit 2000 in derselben Funktion für SiberHegner tätig. Von 1991 bis 1995 war Jörg Wolle als Direktor Marketing und Verkauf von SiberHegner in Hong Kong und wurde 1995 in die Konzernleitung von SiberHegner nach Zürich berufen. Jörg Wolle ist profunder Kenner der asiatischen Märkte und Honorar-Professor für Interkulturelle Kommunikation an der Fachhochschule Zwickau. Er ist Mitglied des Präsidiums des Ostasiatischen Vereins, des Verbands der deutschsprachigen Asienwirtschaft und Verwaltungsratsmitglied der Diethelm Keller Holding. Von 2006 bis 2009 war er Mitglied des Verwaltungsrats der UBS. Jörg Wolle, 52, ist promovierter Maschinenbauingenieur und Schweizer Staatsangehöriger.
Die Unternehmung
DKSH ist das führende Unternehmen im Bereich Market Expansion Services mit Schwerpunkt Asien, ein Dienstleister, der anderen Unternehmen und Marken hilft, in neuen oder bereits existierenden Märkten zu expandieren. Mit 560 Niederlassungen in 35 Ländern ? 20 davon in Europa und in Nord- und Südamerika ? und 21?000 Mitarbeitern, ist DKSH bezogen auf Umsatz und Mitarbeiterzahl eine der zwanzig grössten Schweizer Firmen. Im Geschäftsjahr 2009 hat die DKSH einen Gesamtumsatz von 8?600 Mio. Schweizer Franken erwirtschaftet. Die Geschäftsaktivitäten sind in vier Business Units gegliedert: Consumer Goods, Healthcare, Performance Materials und Technology. Das Unternehmen offeriert alle erdenklichen Kombinationen von Sourcing, Marketing, Verkauf, Vertrieb und After-Sales Service in einer gut eingespielten Infrastruktur vor Ort. DKSH ist ein ist Schweizer Unternehmen mit Hauptsitz in Zürich.