Josef Fehr, Präsident des Liechtensteinischen Bankenverbandes
Von Janine Köpfli, Liechtensteiner Vaterland
Herr Fehr, das Jahr 2006 war ein Rekordjahr für die Banken. Ging es im Jahr 2007 weiter aufwärts? Gab es auch Negatives?
Josef Fehr: Im Jahr 2007 wurden am Banken- und Finanzplatz Liechtenstein viele Anstrengungen unternommen, um weiterhin mit Qualität und Vertrauen erfolgreich zu sein. Wachstum ist jedoch immer zusammen mit dem entsprechenden Verantwortungsbewusstsein zu sehen. Der eigentliche Erfolg lässt sich dann messen, wenn die Aktivitäten insgesamt nachhaltig Wirkung zeigen. Die Banken in Liechtenstein haben dazu die nötigen Voraussetzungen geschaffen. Wir gehen davon aus, dass die Grenze von 200 Milliarden Franken für verwaltete Vermögen per Ende 2007 erreicht werden kann. Ende 2006 waren es rund 161 Milliarden Franken.
«Transparenz ist insbesondere in zwei Bereichen wichtig: wenn es um die Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung geht, sowie wenn zugunsten des Kunden die Entscheidungsgrundlagen für Anlageentscheide offengelegt werden.» Josef Fehr, Präsident des Liechtensteinischen Bankenverbandes
Die Banken in Liechtenstein haben anstrengende Monate hinter sich. Alles drehte sich um die MiFID-Umsetzung. Seit 1. November ist diese nun in Kraft. Was ist die nächste Herausforderung? Schengen? Betrugsabkommen?
Wenn wir die Herausforderungen hinsichtlich Umsetzungsaufwand betrachten, die in der nächsten Zeit auf die Banken zukommen werden, so sind insbesondere die Normen der Zahlungsverkehrsrichtlinie zu nennen. Zudem steht nächstes Jahr die Implementierung der dritten EU-Geldwäschereirichtlinie an. Der Bankenverband hat sich betreffend dem Abkommen von Liechtenstein mit der EU über den Schengen/Dublin-Acquis bereits zum Zeitpunkt der Parafierung des Vertragstextes vor über einem Jahr positiv geäussert. Die Verhandlungen der Regierung mit der EU über ein Betrugsabkommen sind gemäss unseren Informationen noch im Gange. Wir verfolgen die Entwicklung sehr genau.
Bei der EU-Finanzmarktrichtlinie MiFID geht es vor allem um Transparenz. Wie weit möchte man in dieser Hinsicht in Liechtenstein gehen? Geht Transparenz über alles? Wie gehen die Kunden mit dieser neuen Transparenz um?
Transparenz ist insbesondere in zwei Bereichen wichtig: wenn es um die Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung geht sowie wenn zugunsten des Kunden die Entscheidgrundlagen für Anlageentscheide offengelegt werden. In diesen beiden Bereichen geht es um Offenheit gegenüber dem selbstverständlichen Anspruch des Staates auf Strafverfolgung und dem selbstverständlichen Anspruch des Kunden auf Schutz seines Vertrauensverhältnisses zur Bank. Wir dürfen davon ausgehen, dass die Kunden unseren Umgang mit dieser Transparenz schätzen.
Kürzlich sorgten der Elite-Report und die Fuchsbriefe für erhitzte Gemüter bei den Vermögensverwaltern Liechtensteins. Banken, die bei den Fuchsbriefen schlecht abschnitten, wurden beim Elite-Report sehr gut bewertet. Wie kann es solch grosse Unterschiede bei der Bewertung geben?
Das müssen sie die Tester selber fragen. Ein auch von aussen einsichtiger Grund sind die möglicherweise unterschiedlichen Testverfahren und unterschiedlichen Testfälle.
Sind diese Tests überhaupt ernst zu nehmen? Wenn ja, wie wichtig sind diese Tests für die Bankenwelt in Liechtenstein? Und international?
Die Banken beachten solche Tests. Das Aufstellen von Qualitätskriterien und deren Überprüfung ist grundsätzlich zu begrüssen. Unabhängig von diesen Berichten ist mir in Liechtenstein keine Bank bekannt, die sich nicht um die Einhaltung höchster Qualitätsstandards bemüht. Der Tester, der die Bank jeden Tag aufs Neue überprüft, ist der Kunde. Ihm gegenüber vermögen nur attraktive Produkte und seriöse, auf seine Bedürfnisse ausgerichtete Dienstleistungen auf die Dauer zu bestehen.
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Von grossen Krisen wie die Immobilienkrise in Amerika blieb die Finanzwelt in Mitteleuropa dieses Jahr grösstenteils verschont. Was wäre für Sie ein Horrorszenario, das auch Liechtenstein treffen könnte?
Es ist nach den heutigen Erkenntnissen selbst für Experten schwierig zu beurteilen, wie lange die Finanzmarktturbulenzen noch anhalten und wo sie sich letztlich wie auswirken werden. Direkte Auswirkungen auf unseren Finanzplatz sind aufgrund der hiesigen Strukturen nicht zu erwarten. Der liechtensteinische Finanzplatz ist stabil und auf Langfristigkeit angelegt. Die aktuellen Ereignisse zeigen, dass hohe Aufmerksamkeit geboten ist, sodass das Vertrauen in die Institutionen und Abläufe der internationalen Finanz- und Kapitalmärkte aufrechterhalten werden kann.
«Bei der Vergabe von Hypotheken stehen die Liechtensteiner Banken im direkten Konkurrenzkampf mit Schweizer Banken.»
Die Hypothekarzinsen sind in Liechtenstein seit Jahren auf einem Rekordtief. Sie sind tiefer als in der Schweiz. Warum und welche Vorteile bringt das Liechtenstein?
Ja, wir haben in den letzten Jahren historisch tiefe Zinsen gehabt. Der Grund war die expansive Geldpolitik der Schweizerischen Nationalbank. Mit der schrittweisen Erhöhung der Leitzinsen hat sich die Zinssituation wieder etwas normalisiert. Die Liechtensteiner Banken haben in diesem Jahr den Satz für variable Hypotheken denn auch auf drei Prozent angepasst. Bei der Vergabe von Hypotheken stehen die Liechtensteiner Banken im direkten Konkurrenzkampf mit Schweizer Banken.
Woanders kämpfen die Menschen nicht ums eigene Haus, sondern ums Überleben. Mit Kleinstkrediten kann Armut wirkungsvoll bekämpft werden. Banken versprechen gute Renditen für diese Art der Investition. Wie gefragt ist Microfinance in Liechtenstein? Sind die Renditen wirklich so gut?
Die unbestritten positiven Auswirkungen von Microfinance für Länder mit unterentwickelten Volkswirtschaften machen ein Engagement in diesem Bereich – sei es mit der direkten Unterstützung von Microfinance-Instituten, sei es durch die Investition in Microfinance-Fonds – zu einem wichtigen und effizienten Beitrag der internationalen Solidarität und der Diversifikation des eigenen Portefeuilles mit interessanter Performance. Der Bankenverband unterstützt deshalb die «Microfinance Initiative Liechtenstein (MIL)». Die Nachfrage insbesondere nach Investitionsmöglichkeiten in Microfinance-Fonds steigt in Liechtenstein.
Was wären Ihre Gründe, um in Mikrokredite zu investieren?
Die Investition in Microfinance-Fonds ist ein Social Investment, das nachhaltig eine gute Performance abliefert.
In den Entwicklungsländern nehmen vor allem Frauen Mikrokredite in Anspruch. Frauen und Finanzen – ein Thema, das auch in Liechtenstein im Rahmen einer Tagung aufgegriffen wurde. Bieten liechtensteinische Banken ein Angebot speziell für Frauen?
Jede Kundin und jeder Kunde ist für uns ein Partner mit spezifischen Bedürfnissen und Anforderungen an unsere Dienstleistungen. Die Zusammenstellung des Portefeuilles erfolgt denn auch individuell.
Untersuchungen zeigen, dass Frauen oft die besseren Investoren sind als Männer. Frauen planen häufiger langfristig und sind deshalb auch erfolgreicher. Können Sie dies aus eigener Erfahrung bestätigen?
Das ist gut möglich. Ich persönlich kann das aber nicht beurteilen. An den Märkten tauschen sich letztlich Menschen aus. Um erfolgreich zu sein, sind sowohl harte als auch weiche Faktoren nötig.
Welches ist das wichtigste Ziel der Banken für das kommende Jahr?
Wir wollen die begonnenen Projekte, ob in Bezug auf Wachstum oder in Bezug auf Qualität, nachhaltig fortsetzen. Wir wollen die Privatsphäre so gut wie möglich schützen und wir wollen die internationale Reputation des Banken- und Finanzplatzes weiter fördern.
Ihre Vorsätze?
Weiterhin in Talente investieren, höchste Standards bei der Kundenbetreuung und Innovation halten und vor allem: offen und mutig in die Zukunft gehen.
Der Gesprächspartner:
Josef Fehr, Jahrgang 1957, ist liechtensteinischer Staatsbürger. Nach Abschluss des rechtswissenschaftlichen Studiums und der Promotion zum Dr. iur. an der Universität Freiburg, Schweiz absolvierte er ein Gerichts- und Anwaltspraktikum.
1986 trat er als Rechtskonsulent in die Liechtensteinische Landesbank AG ein.
1992 wurde er Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter des Ressorts Handel.
Von 1993-1995 absolvierte er berufsbegleitend den 7. Lehrgang der Swiss Banking School. Seine Diplomarbeit mit dem Titel «Führung und Leitung einer Bank-Aktiengesellschaft» wurde als Heft 107 in der Publikationsreihe der Swiss Banking School veröffentlicht.
Von 1998-2000 war er als Geschäftsleitungsmitglied für das Ressort Privatkunden verantwortlich.
Seit 2000 ist er Vorsitzender der Geschäftsleitung.
Josef Fehr ist seit Januar 2003 Mitglied des Vorstandes des Liechtensteinischen Bankenverbandes. Nach seinem Amt als Vizepräsident von 2004 bis 2006, wurde er am 14. März 2006 zum Präsidenten gewählt.
Dieses Interview wurde uns freundlicherweise vom Liechtensteiner Vaterland zu Verfügung gestellt