Die Flughafen Zürich AG hat im ersten Halbjahr 2004 einen höheren Gewinn erzielt, als im ganzen Jahr zuvor. CEO Josef Felder erklärt im Moneycab-Interview warum und äussert sich zu den „Dauerbrennern“ Lärmverteilung und Luftfahrtpolitik des Bundes.
Von Patrick Gunti
Josef Felder, CEO Unique.
Moneycab: Herr Felder, der Flughafen Unique hat im ersten Halbjahr 2004 mit einem Reingewinn von 4,5 Mio. Franken bereits mehr Gewinn erzielt als im ganzen letzten Jahr. Auch der Umsatz kletterte in die Höhe. Worauf sind diese erfreulichen Zahlen zurückzuführen?
Josef Felder: Insbesondere die Schweizerinnen und Schweizer fliegen wieder mehr, ebenso kommen wieder mehr ausländische Gäste in die Schweiz. Wir haben zudem im letzten Jahr ab der Inbetriebnahme des neuen Dock E die Passagiergebühren angepasst. Das trägt entscheidend zum Umsatz bei.
Die Zahl der Passagiere hat zwar zugenommen, hingegen ist der Anteil der Transferpassagiere massiv zurückgegangen, ebenso rückläufig waren die Flugbewegungen. Wie sehr beunruhigen Sie diese Zahlen?
Der Anteil an Transferpassagieren zeigt unter anderem, wie sehr unser Land interkontinental verknüpft ist und ob die Schweiz im Bereich internationales Wirtschaftswachstum eine Rolle spielen will. Die Tatsache, dass die Flugzeuge besser ausgelastet sind, freut natürlich die Fluggesellschaften. Für uns sind vor allem die Passagierzahlen wichtig.
Wie sehen Ihre Prognosen für das Gesamtjahr 2004 und das kommende Jahr aus?
Wir rechnen insgesamt mit ca. 17,1 bis 17,3 Millionen Passagieren und einem Gewinn für das Jahr 2004. Für das kommende Jahr stellen wir jetzt noch keine Prognosen in den Raum.
Der Flughafen Zürich steht immer mehr in der Kritik der Airlines. So hat sich Swiss-Chef Christoph Franz dahingehend geäussert, dass der Betriebszustand in Zürich völlig unbefriedigend sei und EasyJet hat wegen der hohen Passagiertaxen sogar den Rückzug bekannt gegeben. Wie schmerzlich ist der EasyJet-Abgang, wie hoch sind die finanziellen Einbussen und wie können Sie verhindern, dass nicht andere Airlines diesem Beispiel folgen?
Der Flughafen Zürich leidet aufgrund der Einschränkungen von deutscher Seite. Christoph Franz hat recht, das ist für uns alle ein unbefriedigender Zustand. Das Problem können allerdings nur die Politiker lösen.
Zu zweiten Frage: Der Luftverkehrsmarkt ist dynamisch. In den letzten anderthalb Jahren durften wir am Flughafen Zürich 16 neue Fluggesellschaften begrüssen. Sowohl SWISS als auch British Airways bieten zusammen 16 tägliche Flüge nach London an. Ab 30. September 2004 bedient Helvetic Airways zudem einmal pro Tag London Gatwick, und British Airways nimmt auf den Winterflugplan am 31. Oktober 2004 zwei tägliche Verbindungen nach London-Gatwick auf. Die wegfallenden Verbindungen werden durch die neuen Angebote kompensiert. Die Tatsache, dass am Flughafen Zürich mit Germania, Germanwings, Air Berlin, Helvetic, Niki, Sky Europe und Smart Wings mehr Günstigairlines als an jedem anderen europäischen Flughafen starten und landen, zeigt, dass die Konditionen am Flughafen Zürich und der Markt Schweiz attraktiv sind.
Eine Möglichkeit, die Gebühren zu senken bestünde dann, wenn sich der Bund an den Kosten für Sicherheit und Schallschutz beteiligen würde. In welchem Rahmen stellen Sie sich diese Beteiligung vor? Wie viel kosten Sicherheit und Schallschutz die Passagiere heute?
Es wird sich herausstellen wer sich in welcher Grössenordnung beteiligt. Jeder abfliegende Passagier zahlt heute 10 Franken an Sicherheits- und 5 Franken an Lärmgebühren.
Der Bund hat in seinem „Bericht über die Luftfahrtpolitik der Schweiz 2004“ das Ziel geäussert, dass die Lärmbelastung der Bevölkerung möglichst gering zu halten sei. Wie er das konkret erreichen will, blieb offen. Unique spricht sich klar für eine Lärmkonzentration aus. Was sind Ihre Argumente für diese Lösung und wie soll die Entschädigungsfrage für die betroffenen Gebiete gelöst werden?
Wir erwarten auch vom Bund, ebenso wie vom Kanton klare Aussagen. Lärm zu verteilen widerspricht der Umweltgesetzgebung, der Raumplanung, der Siedlungspolitik, allen volkswirtschaftlichen und natürlich auch betriebswirtschaftlichen Grundsätzen. Der Bund muss ebenso klar regeln, wer entschädigungsberechtigt ist und wer nicht.
Der Luftfahrtbericht des Bundes mit der Idee, die Verantwortung für die Schweizer Flughäfen längerfristig dem Bund zu übertragen, hat bei Ihnen wenig Freude ausgelöst. Was sind Ihre Kritikpunkte an dem Bericht, der ja auch kein Bekenntnis zur Hub-Funktion beinhaltet?
Der Bericht hält fest, dass der Bund bisher nur sehr begrenzte Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich Luftverkehr gehabt hätte. Wir teilen diese Einschätzung nicht. Vielmehr stellen wir fest, dass die gesamte Gesetzgebung über die Luftfahrt bereits heute Bundessache ist, dem Bund in der Siedlungs- und Raumplanung mit dem Sachplan Infrastruktur Luftfahrt (SIL) das entscheidende Planungsinstrument zur Verfügung steht und dass der Bund auf der Stufe des Betriebes der Flughäfen Genehmigungsinstanz für Änderungen der Betriebsreglemente ist. In allen drei Bereichen hat der Bund in Bezug auf den Flughafen Zürich seine Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten bisher nur teilweise, unseres Erachtens sogar nur mangelhaft wahrgenommen.
Der Bericht nennt als übergeordnetes Ziel des Bundes die bestmögliche Anbindung der Schweiz an die wichtigsten europäischen und die wichtigsten interkontinentalen Zentren. Bei der entscheidenden Frage, ob die Anbindung an die wichtigen interkontinentalen Zentren über Direktflüge oder indirekt über andere Drehkreuze (Hubs) gewährleistet werden soll, bleibt der Bericht indessen sehr oberflächlich und unscharf. Verschiedene Studien halten klar fest, dass eine nur indirekte Anbindung die Konkurrenzfähigkeit des Standortes Schweiz massiv belastet und zum Verlust von Arbeitsplätzen sowie zu einem erheblichen Rückgang der Wertschöpfung führt. Das Streben nach einer zweckmässigen Anbindung muss deshalb ein Streben nach Direktverbindungen sein. Eine direkte Anbindung an interkontinentale Zentren setzt aber voraus, dass die Airlines diese Strecken wirtschaftlich betreiben können. Dafür sind mit wenigen Ausnahmen Umsteige-Passagiere unerlässlich.
Die Kosten für eventuelle Entschädigungen im Zusammenhang mit Fluglärm werden von Unique mit 800 Mio. bis 1,2 Mrd. Franken beziffert. Nach dem Bundesgerichtsentscheid zum Fluglärm könnten diese weitreichenden finanziellen Konsequenzen Wirklichkeit werden. Was für Modelle haben Sie entwickelt, wie dieses Geld aufgebracht werden könnte? Eine weitere Anhebung der Passagiergebühren wäre wohl unvermeidlich?
Das Bundesgericht hat im Fall einer Gemeinde entschieden, dass Ansprüche auf Entschädigung nicht verjährt sind. Mehr steht zurzeit nicht fest. Falls es zu Entschädigungszahlen kommt, planen wir die Lärmgebühren – heute 5 Franken –innerhalb der Passagiergebühren von insgesamt 36 Franken auf 10 Franken zu erhöhen. Das wäre immer noch marktgerecht, auch wenn wir grundsätzlich der Meinung sind, dass die schweizerische Entschädigungspraxis heute im europäischen Vergleich eine Wettbewerbsverzerrung darstellt.
Der Flughafen Zürich belegte im 2. Quartal in der Rangliste der unpünktlichsten europäischen Flughäfen den viertletzten Platz. Sind diese Verspätungen nur auf die deutschen Verordnungen zurückzuführen? Besteht Anlass zur Hoffnung, dass sich die Situation bald bessert?
80 Prozent der dem Flughafen Zürich zuweisbaren Verspätungen entstehen aufgrund der deutschen Verordnungen. Wir klagen dagegen in Deutschland, der Bund klagt in Brüssel gegen diese leider vor der Ablehnung durch das Parlament eingeführten Verordnungen.
Letzte Frage: Fluglärmstreit, unzufriedene Airlines, wartende Passagiere, Lärmklagen, unklare Ziele der Politik – die Themen Ihres Arbeitsalltages klingen nicht sehr verheissungsvoll. Wie motivieren Sie sich für diese schwere Aufgabe?
Es gibt eben auch andere Themen: die 5. Bauetappe, die im Zeitplan und unter den vor 10 Jahren angenommen Kosten abgeschlossen wird. Motivierend ist die Vorfreude auf die Erlebnistage am Flughafen Zürich vom 10. – 12. September und auf die Inbetriebnahme des neuen Airside Centers mit 60 neuen Shops und Restaurants kurz darauf am 15. September.
Josef Felder
CEO Unique (Flughafen Zürich AG) (seit März 2000)
Geboren am 25. April 1961
Nationalität: Schweizer
Ausbildung: Eidg. Dipl. Buchhalter / Controller
Zuvor:
1998-2000Flughafen-Immobilien-Gesellschaft, Zürich
CEO und designierter Gesamtleiter Zukunft Flughafen Zürich
1996-1998Crossair Limited Company for Regional European Air Transport, Basel
Executive Vice President & General Manager Product Management
1993-1996 Crossair Limited Company for Regional European Air Transport, Basel
Vice President Accounting & Administration
Die Unique – Flughafen Zürich AG betreibt als privatisiertes Unternehmen im Auftrag des Bundes die national und international etablierte Verkehrs- und Begegnungsdrehscheibe der Schweiz – den Flughafen Zürich. Unique beschäftigt rund 1200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Gemeinsam mit 180 Flughafenpartnern, die insgesamt zirka 20’000 Menschen beschäftigten, sorgt Unique dafür, dass die Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs Luftfahrt in Zürich zuverlässig funktioniert.
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