Von Helmuth Fuchs
Die Buchvernissage in einem cool gestylten Club im Zürcher Seefeld betonte die Andersartigkeit von Rainer E. Gut einmal mehr. Nicht der Prunk der Bahnhofsstrasse gab den Rahmen, sondern die reduzierte Sachlichkeit einer Bar im Trendquartier am See. Gut, während seiner Laufbahn nie Teil der etablierten Bankierskreise der Limmatstadt und kein grosser Freund der Medien, gibt in seinen Erklärungen zum Buch nochmals unaufgeregt Einblick in einige Eckpfeiler seiner Wertewelt: Familie, bedingungsloses Pflichtbewusstsein, die Liebe zur Schweiz.
Nach Escher die prägendste Figur der Credit Suisse Geschichte
Rainer E. Gut, der eine kritische Distanz auch zur eigenen Leistung und Bedeutung einnimmt, hat sich lange gegen das Projekt einer Biografie gesträubt. Es bedurfte der Hartnäckigkeit und des Leistungsausweises von Joseph Jung, um ihn umzustimmen. Professor Jung, Leiter des Ressorts «Stiftungen und Unternehmensgeschichte» der Credit Suisse Group hat mit dem im letzten Jahr publizierten Werk «Alfred Escher 1819-1882 – Der Aufbruch zur modernen Schweiz» sozusagen den Nährboden gelegt für die Biografie Rainer E. Guts. Keine andere Führungspersönlichkeit hat nach dem Gründer Alfred Escher die Geschichte der heutigen Credit Suisse Group über so lange Zeit (23 Jahre) so fundamental geprägt wie Rainer E. Gut, der elfte Leiter des Unternehmens. Für Jung war deshalb klar, dass die Geschichte der Credit Suisse nicht ohne die Geschichte Guts geschrieben werden kann.
Riskantes Unternehmen mit erfolgreichem Ausgang Zum Geleit (Oswald J. Grübel)
Das Risiko der Biografie war für beide Seiten nicht unerheblich. Gut, der die Medien während seiner beruflichen Laufbahn und danach erst recht mied, wo er es konnte, und dadurch Gerüchten und Interpretationen seiner Arbeit und seiner Person so viel Raum liess, dass sich in der Öffentlichkeit das Bild eines distanzierten Machtmenschen etablierte. Jung, der als Historiker noch nie eine Biografie einer lebenden Person schrieb und sich als Chefhistoriker der Credit Suisse Group die Frage der kritischen Distanz stellen musste.
Autor
Joseph Jung
Titel
Rainer E. Gut
Die kritische Grösse
ISBN
978-3-03823-397-8
Format
15.0 x 22.0 cm,
400 Seiten,
Leinen mit Schutzumschlag
Verlag
NZZ Libro. Hier bestellen…
Inhalt
Böses Erwachen in Chiasso
Milieu
Einstieg in die Berufswelt
Wall Street
Über Swissam zur SKA
SKA verpasst den Anschluss
SKA im Schlaf des Gerechten
Wachstumsstrategie 1977-2000
Internationales Investment Banking
Bankenplatz Schweiz in den 1990er
Späte Aufarbeitung
Swissair
Swiss
Nestlé
Wer das vorliegende Buch liest, kommt zum Schluss, dass sich das Risiko für beide gelohnt hat. Unaufgeregt und jeweils eine klare Abfolge der Ereignisse herstellend, gelingt es Joseph Jung, dem Leser ein entlang der Krisen und wichtigsten Entscheide konsistentes Bild von der Entwicklung der SKA zur Credit Suisse Group zu vermitteln. Diese Entwicklung verwebt er mit der persönlichen Geschichte Rainer E. Guts, seinem Aufstieg und der langen Zeit an der Spitze der Bank, die er in ihrer heutigen Form gestaltet und geprägt hat. Um dieses Zentrum gruppieren sich die weiteren Themen, welche Gut zum herausragenden Wirtschaftsführer der letzten dreissig Jahre machten: Die Aufarbeitung der Rolle der Banken im zweiten Weltkrieg und die Zahlung an die Holocaust-Opfer, der Niedergang der Swissair und die Gründung der Swiss, seine 24 Jahre als Verwaltungsrat der Nestlé.
Im doppelten Sinne der Meister seiner Zeit
Rainer E. Gut, der am kommenden Montag 24. September seinen 75. Geburtstag feiert, geniesst offensichtlich das Leben als Privatperson fernab von Öffentlichkeit und Mandaten. Heute fühle er sich Lichtjahre vom Berufsleben entfernt und sei endlich selbst der Meister seiner Zeit. Unbestritten eine der wichtigsten Personen der modernen Schweizer Wirtschaftsgeschichte hat Rainer E. Gut die SKA nach dem Chiasso-Skandal von der behäbigen Schweizer Bank zu einem global führenden Finanzinstitut umgestaltet. Zusammen mit seiner Rolle bei Nestlé und bei der Aushandlung des Holocaust-Vergleiches eine Leistung, welche die Entwicklung der Schweiz als Banken- und Wirtschaftsplatz ebenso nachhaltig geprägt hat wie ihre ethische Befindlichkeit. Joseph Jung setzt dieser Leistung mit seinem Buch das verdiente Denkmal, nicht ohne auch kritische Aspekte einfliessen zu lassen. Das mehrt das Lesevergnügen und mindert die Einsturzgefahr des Denkmals.