Jürg Michel, CEO Würth Finance Group: «Der Schweizer Markt dient für einen Teil der Finanzdienstleistungen der Würth-Gruppe als Pilotmarkt»

Von Helmuth Fuchs

Dabei dient die Schweiz als Testmarkt für eine mögliche europäische Ausdehnung der Finanzleistungen. Wie die Entwicklung geplant ist, welchen Stellenwert der Schweizer Markt für ihn hat und wie viele Arbeitsplätze er schaffen will deckt Jürg Michel, CEO der Würth Finance Group im Moneycab Interview auf.

Moneycab: Herr Michel, die Würth-Gruppe hat sich in der Schweiz vor allem als Hauptsponsor der Tour de Suisse einen Namen gemacht. Jetzt wollen Sie zusätzlich zum weltweit grössten Händler von Befestigungs- und Montagematerial auch noch der grösste unabhängige Finanzdienstleister in der Schweiz werden. Was ist die Idee dahinter und wie soll das ablaufen?

Jürg Michel: Die Würth-Gruppe ist bekannt für die Nähe zu ihren Kunden. Weltweit sind täglich über 27’000 Aussendienstmitarbeiter unterwegs, um zusammen mit den Kunden vor Ort deren aktuelle Bedürfnisse zu evaluieren und Lösungen anzubieten. Ich bin davon überzeugt, dass diese aktive Betreuung draussen beim Kunden auch im Bereich der Finanzdienstleistungen ein zunehmend wichtiger Erfolgsfaktor ist und zu einer Kernkompetenz jeder Finanzgesellschaft werden muss. Diese Kompetenz beruht bei Würth auf über 60 Jahren Erfahrung und ist ein entscheidender Vorteil für unseren Finanzdienstleistungs-Bereich.

Während die Würth Gruppe in der Schweiz mit 1’000 Mitarbeitern einen Umsatz von 790 Millionen Franken erwirtschaftet (weltweit 50’000 Mitarbeiter, 6,2 Milliarden Euro), haben im Bereich Financial Services 24 Mitarbeiter 2005 ein Volumen von knapp 60 Millionen Franken vermittelt. Welche Ziele setzen Sie sich für die nächsten drei Jahre?

Bei der Würth Financial Services AG werden wir die Mitarbeiteranzahl über die nächsten drei Jahre von heute 24 auf rund 100 ausbauen, wobei 80% dieser Mitarbeiter Finanzplaner sein werden. Zum jetzigen Zeitpunkt möchte ich noch keine genaueren Finanzkennzahlen nennen, aber selbstverständlich wird mit dem Wachstum der Mitarbeiteranzahl auch der Umsatz entsprechend zunehmen.



«Der Schweizer Markt dient für einen Teil der Finanzdienstleistungen der Würth-Gruppe als Pilotmarkt. Falls sich unser Geschäftsmodell hier erfolgreich bewährt, werden wir unsere Finanzaktivitäten auf internationale Märkte ausrollen.» Jürg Michel, CEO Würth Finance Group



In der Schweiz besitzt die Würth Financial Services keine Bankenlizenz. Kann das erwünschte Wachstum als reiner Vermittler und Vermögensverwalter überhaupt erzielt werden und in welcher Konstellation werden Sie eine eigene Bankenlizenz erwerben?

Der Erwerb einer Bankenlizenz in der Schweiz steht für uns zurzeit nicht im Vordergrund, weil eigene Bankprodukte zum Verlust unserer Unabhängigkeit führen würden. Im Rahmen der internationalen Finanzdienstleistungsaktivitäten hat die Würth-Gruppe aber im letzten Jahr in Deutschland das Internationale Bankhaus Bodensee (IBB) übernommen. Allenfalls ist denkbar, dass die IBB in Zukunft einmal eine Filiale in der Schweiz eröffnen wird. Zurzeit ist dies jedoch nicht geplant.

Bei der Betrachtung der geografischen Präsenz (Zürich, Basel, Bern, Thalwil, Glarus, Chur) fehlt die Westschweiz, mit Genf als Finanzzentrum. Wie und wann werden Sie hier Fuss fassen?

In der Schweiz werden wir uns vorerst auf den deutschsprachigen Raum konzentrieren bevor wir in der Westschweiz aktiv werden. Unser Konzept beruht auf einem regionalen Filialnetz, damit unsere Finanzplaner möglichst nahe bei den Kunden sind. Im Jahr 2006 eröffnen wir zwei Standorte in St. Gallen und Luzern. Danach streben wir die Ausdehnung in die Westschweiz an, wobei wir wiederum eine lokale Filiale eröffnen werden. Dabei ist zurzeit noch offen, ob dies mittels organischen Wachstums geschieht oder durch eine Akquisition angestrebt wird.

Der Schweizer Markt dient für einen Teil der Finanzdienstleistungen der Würth-Gruppe als Pilotmarkt. Falls sich unser Geschäftsmodell hier erfolgreich bewährt, werden wir unsere Finanzaktivitäten auf internationale Märkte ausrollen. Die Internationalisierung erfolgreicher Geschäftsmodelle ist ein Teil der Wachstumsstrategie der Würth-Gruppe und ist in der Vergangenheit schon sehr oft erfolgreich durchgeführt worden. Auch im Finanzbereich verfolgen wir diese Strategie.


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Andere Firmen, wie zu Beispiel die Credit Suisse, haben sich nach verlustreichen Erfahrungen vom Allfinanz-Gedanken verabschiedet. Sie scheinen aber mit den Angeboten als Versicherungsmakler, dem Leasing und den Bankdienstleistungen der IBB in die Richtung eines Allfinanz-Anbieters gehen zu wollen. Wieso glauben Sie, dass die Würth Finance mit einem Allfinanz-Angebot besser abschneiden kann als andere Anbieter?

Am Beispiel GE Capital wird deutlich, dass der Allfinanz-Gedanke nicht grundsätzlich als gescheitert betrachtet werden kann. Jedoch sind die bestehenden Geschäftsmodelle der Banken und Versicherungen stark auf ihre spezifischen Dienstleistungen ausgerichtet. Insbesondere die Art und Weise, wie Bank- und Versicherungsprodukte verkauft werden, ist dabei grundlegend unterschiedlich. Diese Vereinheitlichung der Vertriebsformen ist in vielen Fällen nicht gelungen und hat dazu beigetragen, dass erhoffte Synergien nicht realisiert werden konnten.


Ein entscheidender Vorteil der Würth Finance Group ist, dass wir die Umsetzung des Allfinanz-Modells von der «grünen Wiese» aus in Angriff nehmen können. Zurzeit stehen der parallele Aufbau verschiedener Geschäftsbereiche und die Etablierung der entsprechenden Vertriebsstrukturen im Vordergrund. Dieser Aufbau geschieht unter einem Dach, damit wir unseren Kunden umfassende Finanzdienstleistungen aus einer Hand anbieten können.

Die Würth-Gruppe hat sich zum Ziel gesetzt, jedes Jahr ein Wachstum von 10% zu erzielen. Davon sollen zwei Drittel organisches Wachstum sein und ein Drittel durch Zukäufe bewerkstelligt werden. Wie sieht Ihre Wachstumsformel aus und in welchem Bereich kommen für Sie Zukäufe in Frage?

Nachdem wir 2005 den Versicherungsbroker Oberhänsli & Partner AG gekauft und die Würth Leasing AG gegründet haben, ist es vorerst unser Ziel, diese Ressourcen optimal einzusetzen und organisch zu wachsen. Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass Wachstum auch durch externen Zukauf generiert wird, falls ein zu uns passendes Unternehmen am Markt angeboten wird.

Im Stammgeschäft mit dem Befestigungs- und Montagematerial sind Sie vor allem auch im Mittelstand verankert. Ihre Kunden sind altersmässig eher an Pensionsfragen und Nachfolgeregelung interessiert als an riskanten Anlagestrategien. Haben die anderen Banken hier ein Segment vernachlässigt, oder wieso glauben Sie, dass Sie in der bankenmässig gut abgedeckten Schweiz Erfolg haben werden?

Die Betreuung unserer Privat- und Firmenkunden im Finanzbereich geht weiter als bei den Banken, weil wir neben Anlage- und Vorsorgelösungen, auch Dienstleistungen im Versicherungsbereich, in der Nachfolgeplanung oder im Steuerbereich anbieten. Zudem treten wir am Markt als Makler auf und beurteilen dadurch die Finanzprodukte der verschiedenen Anbieter objektiv und neutral. Insbesondere diese Unabhängigkeit von eigenen Produkten ist eine wichtige Abgrenzung gegenüber Banken und ein wahres Bedürfnis von Privat- wie auch von Firmenkunden im Finanzbereich.


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Sie setzen bewusst auf erfahrene Mitarbeiter, die im Durchschnitt älter als 40 Jahre sind und sich schon länger als 10 Jahre im Beruf bewährt haben. Dies sind aber tendenziell auch die Mitarbeiter mit den grössten Ansprüchen an soziale Sicherheit und einem stabilen und hohen Einkommen. Geht die Rechnung hier mit Ihren Wachstumsplänen auf?

Das Finanzgeschäft ist ein Vertrauensgeschäft. Dieses Vertrauen wird in erster Linie zwischen Menschen aufgebaut, weshalb wir höchste Ansprüche an die Qualität und Integrität unserer Finanzplaner stellen. Die Erfahrung der Berater ist dabei eine wichtige Voraussetzung, um diese Qualität zu garantieren. Jeder unserer Mitarbeiter soll nach der Philosophie der Würth-Gruppe handeln, welche besagt, dass unsere Zusammenarbeit geprägt ist von gegenseitigem Vertrauen, Ehrlichkeit, Berechenbarkeit und Geradlinigkeit. Selbstverständlich stehen diese Werte auch bei der Finanzbetreuung unserer Kunden im Mittelpunkt.

Die Erfolgsgründe im Stammgeschäft sind die Konzentration auf den Vertrieb, die Internationalisierung und die Ausnützung von Synergien. Sollen die Vertreter im Schraubengeschäft Ihnen die Türen zu ihren Kunden öffnen, oder wo sehen Sie die Synergien mit dem Stammgeschäft?

Die Synergien zum Stammgeschäft sehen wir in der Art und Weise, wie wir unsere Kunden betreuen. Würth ist in seinem Stammgeschäft bekannt für höchste Qualität zu fairen Preisen. Diese Einschätzung ist kein Zufall und wir wollen auch im Finanzumfeld eine solche Wahrnehmung bei unseren Kunden erreichen. Dabei ist es unser erklärtes Ziel, den Aufbau eines eigenen Kundenstamms anzustreben, ohne vorerst gezielt Kunden aus dem Stammgeschäft von Würth anzugehen.

In den Unterlagen heisst es «Würth Finance Group – mehr als nur Finanzdienstleister». Was heisst das?

Der Slogan «.. mehr als nur ein Finanzdienstleister» bezieht sich auf die Aktivitäten der Würth-Gruppe ausserhalb der eigentlichen Geschäftsfelder. Neben den verschiedenen Sponsoringaktivitäten im Sportbereich, beispielsweise bei der Tour de Suisse, sind sicherlich die Kunstaktivitäten von Würth zu erwähnen. Die gesamte Kunstsammlung der Würth-Gruppe umfasst über 8’000 Exponate, die in wechselnden Ausstellungen an unseren Firmenstandorten, unter anderem in Arlesheim und Chur, der Öffentlichkeit zugänglich sind. Deshalb unser Slogan: «Würth Finance Group – mehr als nur ein Finanzdienstleister!»

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?

Ein Wunsch ist selbstverständlich, dass unsere Vision hier in der Schweiz in Erfüllung geht und wir in Zukunft zu den grössten unabhängigen Finanzdienstleistungs-Unternehmen gehören. Ein zweiter Wunsch ist, dass es zukünftig auch in der Schweiz mehr innovative Unternehmer gibt, welche das Wagnis eingehen, auch in etablierten Branchen eigene Geschäftsmodelle aufzubauen.






Zur Person
Geboren 1951 in der Schweiz, verheiratet und Vater von zwei Kindern.
Ausbildung zum Bankkaufmann. Mehrjährige, internationale Erfahrung auf den Finanzplätzen von Zürich, Frankfurt und New York. Langjährige Treasury-Tätigkeit bei namhaften Konzernen, wie z.B. der Swatch-Group und BP.
Seit 1991 bei der Würth-Gruppe tätig, verantwortlich für den Bereich Finanzen weltweit. Seit 2001 Mitglied der erweiterten Konzernführung.

Zum Unternehmen
Die Würth Finance International B.V. ist die eigene Finanzgesellschaft der Würth-Gruppe, einem führenden Direktvertriebsunternehmen auf dem Gebiet der Montage- und Befestigungstechnik. Die Würth Finance International B.V. beschäftigt über 40 Arbeitnehmer im Hauptsitz in s´Hertogenbosch (Holland) sowie in der Niederlassung in Küsnacht ZH (Schweiz).


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