Schweiz Tourismus erhält in den nächsten drei Jahren jeweils 46 Mio. Franken vom Bund. Im ersten Teil des Moneycab-Interviews äussert sich Schweiz-Tourismus-Direktor Jürg Schmid zur Bedeutung dieses Entscheides, den Auswirkungen, Kritikpunkten und zu den Folgen eines allfälligen Abseitsstehens beim Schengen-Abkommen.
Von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Schmid, das Parlament hat Schweiz Tourismus nach langen Diskussionen im Oktober für die nächsten drei Jahre jeweils 46 Mio. Franken zugesprochen. Schweiz Tourismus hatte 277 Mio. Franken für 2005 – 2009 beantragt. Sind Sie trotzdem zufrieden?
Jürg Schmid: Ich freue mich, dass damit unsere heutigen Mittel auch in den nächsten drei Jahren gesichert sind, die internationale Inflation berücksichtigt wurde und wir somit mit der gleichen Marketing-Schlagkraft wie bisher das Ferien-, Reise- und Kongressland Schweiz vermarkten können. Der Entscheid der eidgenössischen Räte darf als starkes Bekenntnis zum Schweizer Tourismus und als grosser Vertrauensbeweis in die Organisation und Arbeit von ST verstanden werden. Darüber hinaus dürfen wir uns als Branche aber nicht der Kritik verschliessen, die in den Diskussionen im Parlament am Tourismus in der Schweiz mehrfach geäussert wurde. Die Branche ist gefordert, aus dieser Kritik zu lernen und namentlich die Themen Dienstleistungs-, Service- und Infrastrukturqualität, Investitionen in Ausbildung des Personals sowie die lokale, regionale und nationale Zusammenarbeit zu verbessern.
Da die Gelder nur bis 2007 gesprochen sind, wird die Debatte über die möglichen Beiträge für die Zeit danach schon bald wieder beginnen. Davon ausgehend, dass der finanzielle Druck des öffentlichen Haushaltes in zwei bis drei Jahren nicht kleiner sein wird – befürchten Sie nicht, dass Schweiz Tourismus grössere Kürzungen wird in Kauf nehmen müssen?
Das Parlament hat in einem Postulat den Bundesrat beauftragt, bis 2006 ein Konzept vorzulegen, das die enge Koordination der verschiedenen Schweiz Promotions-Organisationen, namentlich OSEC, Präsenz Schweiz, Pro Helvetia, Schweiz Tourismus und Standort Schweiz, regelt. ST sieht in der umfassenden Koordination der Auslandwerbung beachtliches Synergiepotential und eine grosse Chance für die Schweiz. Wir freuen uns auf die Mitarbeit am Konzept zur besseren Koordination der Landeswerbung. Die langfristige Stärke der Marke Schweiz und die knappen Mittel aller verlangen nach einer umfassenden, neu zu definierenden Zusammenarbeit. Wir sind uns bewusst, dass wir mit unserer ausgewiesenen internationalen Erfahrung im Bereich der Dachmarkenführung, des integrierten Marketing sowie der weltweiten Markterschliessung eine grosse Verantwortung für eine zukünftige Lösung tragen. Die Schweiz ist zu klein, um verzettelt auf sich aufmerksam zu machen.
Auch bei Politikern unbestritten ist die Tatsache, dass der Tourismus einer der wichtigsten Wirtschaftszweige der Schweiz ist. Wie erklären Sie sich die trotzdem zögerliche finanzielle Unterstützung?
Ja, es stimmt, dass die Bedeutung des Tourismus Partei übergreifend als gross und unsere Wirtschaftsbranche als strategisch für unser Land bezeichnet wird. Mit Stolz dürfen wir feststellen, dass das Parlament mit der Arbeit von ST sehr zufrieden ist und wir eine hohe Anerkennung geniessen. Die vom Bund gesprochenen 46 Mio. Franken pro Jahr müssen vor dem aktuellen finanzpolitischen Hintergrund gesehen werden; im herrschenden Sparklima ist dieser Betrag als positiv zu werten.
Einer der Kritikpunkte ist die mangelhafte Koordination zwischen den Tourismusorganisationen. So würden Tourismusprojekte unterstützt, die sich gegenseitig das Wasser abgraben. Die SVP moniert, zu viele verschie-dene Organisationen, verschiedenartige Zielsetzungen und zu viel Büro-kratie hätten den Schweizer Tourismus träge gemacht. Was entgegnen Sie diesen Kritikern?
ST ruft auf Destinations- und Regionsebene fortwährend zu Kooperationen auf und unterstützt entsprechende Projekte. Darüber hinaus ist unsere Aufgabe als Marketingorganisation die Vermarktung des Ferienlandes Schweiz. Dass auch auf politischer Ebene Verbesserungspotential in Sachen Koordination der Unterstützung und Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Tourismus besteht, bestreite ich aber nicht.
Schweiz Tourismus hat nach dem Entscheid des Bundes, bis 2007 jährlich 46 Mio. Franken zu sprechen, Änderungen angekündigt, um an Schlagkraft zu gewinnen. Wie sehen diese Massnahmen aus und welche Ziele werden avisiert?
Mit 46 Mio. Franken pro Jahr kann ST einen starken Beitrag leisten, damit der Schweizer Tourismus am prognostizierten Branchenwachstum teilhaben kann. ST will auch in Zukunft weltweit das Ferien- und Kongressland Schweiz überzeugend präsentieren, dies durch frische, innovative, überraschende und qualitativ hoch stehende Marketingmassnahmen. Dabei fällt der Blick nicht nur auf die Kunden und Märkte mit ihren sich stets verändernden Bedürfnissen und Rahmenbedingungen, sondern auch nach Innen, in die eigenen Organisationsstrukturen. Mit der eingeleiteten Vorwärtsstrategie werden die Strukturen gestrafft und ST der Vitalitätsschub verpasst, um den Schweizer Tourismus in eine erfolgreiche Zukunft zu führen. Die durch die Einsparungen generierten Zusatzmittel in der Höhe von gegen 2 Mio. Franken jährlich, fliessen vollumfänglich ins Marketing und in die internationale Promotion der Marke Schweiz.
Mit den organisatorischen Anpassungen werden vier Ziele avisiert:
Der Anteil Marketingmittel soll nochmals gesteigert werden. Künftig sollen noch mehr Mittel in die direkte Gästekommunikation fliessen. Die Präsenz in den strategischen Wachstumsmärkten (China, Golfstaaten, Indien, Korea und Russland) soll gestärkt werden.Die Einnahmen aus der Privatwirtschaft sollen gezielt erhöht werden und somit die Tourismuswerbung stärken.Die ST-Struktur wird schlanker und die Produktionen und Abläufe vereinfacht und beschleunigt.
Sie haben sicher Kontakt mit «Amtskollegen» in anderen Ländern und können Vergleiche ziehen. Wie steht nach Ihrer Meinung die Schweizer Tourismusförderung im internationalen Vergleich da?
140 Länder der Welt betrachten den Tourismus heute als strategische Branche und unterstützen sie finanziell. Der Bund beteiligt sich in der Schweiz am nationalen Tourismusmarketing etwa gleich stark wie es der Staat bei den wichtigsten Mitbewerbern im Ausland auch tut. Der grosse Unterschied in der Schweiz liegt in den Budgets der Regionen. Zwei Beispiele: Das Tirol verfügt über ein gut viermal höheres Marketingbudget als Graubünden; die Stadt Wien über ein sechsmal grösseres als Zürich.
Ein weiteres politisches Thema ist der Beitritt der Schweiz zum Schengen-Abkommen mit der EU. Bürokratische Hindernisse würden abgebaut, Mehrkosten für Reisende würden entfallen. Wie gross ist der Nachteil gegenüber den europäischen Mitbewerbern bei einem Abseitsstehen bei Schengen?
Aus touristischer Sicht ist das Schengen-Abkommen vor allem für drei unserer wichtigsten Zukunftsmärkte relevant. Namentlich Russland, Indien und China. Aus der Sicht eines Chinesen sieht die Situation heute noch so aus: Für ganz Europa bezieht er ein Visum. Für die Schweiz muss er aber einen speziellen Eintritt bezahlen, ohne dafür eine direkte Gegenleistung zu bekommen. Das Schweiz-Visum kostet 55 Franken pro Person. Sein erster Eindruck: Die Schweiz ist teuer. Noch problematischer ist die Tatsache, dass das Einholen der Visa ein Service der Reisebüros ist. Die Schweiz ist für Gäste aus den Fernmärkten oft Teil einer Europareise. Das Beschaffen des zusätzlichen Schweiz-Visums bedeutet fürs Reisebüro einen grösseren Aufwand oder, anders gesagt, einen geschmälerten Gewinn. Die Gefahr, dass unser Land deswegen aus den Reisekatalogen kippt, ist nicht zu unterschätzen. Die Nicht-Teilnahme am Schengenraum stellt also ein echtes Handelshemmnis dar.
Wie wichtig ist die schrittweise Ausdehnung der Personenfreizügigkeit. Was erhoffen Sie sich hier für positive Effekte?
Die Vereinfachung des freien Arbeitsmarkts erleichtert auch für die Tourismusbranche den Zugang zu einem attraktiven Pool von Arbeitskräften.
Schweiz Tourismus plant ein Hotelbewertungssystem für Gäste, welches auf MySwitzerland.com aufgeschaltet wird. Wie weit sind Sie mit der Entwicklung dieses Projekts und wie soll es funktionieren?
Hier geht es darum, dem Gast eine Plattform zu geben, auf der er seinen Eindruck eines Hotels zum Ausdruck bringen kann. Damit wird die Marktsicht transparent gemacht und Gäste, die ein Hotel suchen, bekommen eine zusätzliche Orientierungshilfe. Wir rechnen damit, dieses Tool 2005 realisieren zu können.
Wenig Freude dürfte Ihnen der Plan von GastroSuisse bereiten, welche 2006 eine eigene Hotelklassifikation einführen will und damit quasi in Konkurrenz mit hotelleriesuisse tritt, welche eine solche Klassifikation seit 25 Jahren vornimmt.
Ob ich Freude habe oder nicht, ist unwichtig. Im Vordergrund steht der Gast und sein Bedürfnis. Das Ziel einer Klassifikation ist, dem Gast Orientierung zu verschaffen. Bei zwei verschiedenen Klassifikationssystemen in einem so kleinen Land wie der Schweiz ist die Gefahr gross, dieses Ziel nicht nur nicht zu erreichen, sondern gar ins Gegenteil zu kehren.
Den zweiten Teil des Interviews lesen Sie hier am Mittwoch.
Moneycab Interviews Jürg Schmid
Direktor Schweiz Tourismus (seit November 1999)
Geboren: 2. November 1962
Zivilstand: Verheiratet, drei Kinder
NachAbsolvierung der kaufmännischen Lehre bei Bank Vontobel in Zürich tätig im Ressort Private Banking. Anschliessend Absolvierung des Studiums zum Betriebs-ökonom HWV Fachrichtung Marketing in Zürich. Danach Account Manager bei Hewlett Packard in Zürich in der Computer-Division.
Von 1994 bis 1999 war Schmid für Oracle Corporation tätig. Zuerst zeichnete er in der Schweizer Niederlassung in Baden-Dättwil als Geschäftsleitungsmitglied für Verkauf und Marketing verantwortlich. 1997 wurde er in die Regionalleitung zum Direktor Verkauf und Marketing befördert. In seiner Funktion war er verantwortlich für die 35 Länder umfassende Region Nord-, Zentral- und Osteuropa, Russland und die Russische Föderation, den Mittleren und Nahen Osten sowie Afrika.
Seit dem 1. November 1999 ist Jürg Schmid Direktor von Schweiz Tourismus, ein öffentlich-rechtliches Unternehmen mit dem Ziel und Auftrag die Schweiz als Ferien-, Reise- und Kongressland zu vermarkten. 167 Mitarbeitende in 20 Niederlassungen weltweit setzen sich national und international für eine kreative und proaktive Promotion der Schweiz ein.