Jürg Schmid, Schweiz Tourismus (Teil 2): «Unser Winter sieht aus wie erwartet»
Schweiz-Tourismus-Direktor Jürg Schmid glaubt, dass der Turnaround geschafft ist. Im zweiten Teil des Moneycab-Interviews erläutert er die Gründe, erklärt warum Winterferien in der Schweiz auch etwas kosten dürfen und äussert sich zum zu erwartenden Touristen-Boom aus China.
Von Patrick Gunti
Moneycab: Nach Berechnungen der Konjunkturforschungsstelle BAK Basel hat die Zahl der Übernachtungen in den Schweizer Hotels in den letzten 12 Monaten um 1,9 % zugenommen – das bedeutet die erste Zuwachsrate in den letzten drei Jahren. Sehen Sie eine Trendwende und worauf führen Sie die steigenden Zahlen zurück?
Jürg Schmid: Ja, der Turnaround im Schweizer Tourismus ist geschafft. Für den kommenden Winter rechnet BAK Basel sogar mit einem Wachstum der Hotelübernachtungen um 2.1%. Die Erholung der Nachfrage ist vor allem auf die konjunkturelle Erholung und die verbesserte Konsumstimmung in den Auslandsmärkten zurückzuführen.
«93% der Chinesen, welche die Schweiz bereisen, geben «Schnee» als Hauptreisegrund an, 68% die Landschaft.» Jürg Schmid, Direktor Schweiz Tourismus
Eine Zunahme der Gäste aus dem Ausland vorausgesetzt – auf welche Märkte setzen Sie hier besonders?
Überdurchschnittliche Zunahmen erwarten wir aus den Fernmärkten USA, China, Russland und Japan; aber auch Italien und UK dürften sich positiv entwickeln.
Schweizer Skiorte haben viel zu bieten, ein Problem bleibt aber: Winterferien in der Schweiz bleiben eine kostspielige Angelegenheit. Wird die Schweiz da jemals mit Ländern wie Österreich konkurrenzieren können?
Wir stehen ja nicht nur im Wettbewerb mit Österreich, obwohl das im Grossraum Zürich – wohl der geografischen Nähe zu Österreich wegen – so wahrgenommen wird. Wenn sich heute ein Gast für Winterferien im Schnee statt am Strand entschieden hat, haben wir Alpenländer schon einiges richtig gemacht.
Nehmen wir als Beispiel die einheimischen Gäste: Schon im September 2004 wussten 38% der Schweizerinnen und Schweizer, dass sie dieses Jahr Winterferien machen werden. 84% davon wählen für ihre Winterferien die Schweiz, gerade mal 8% Österreich. Als Hauptgründe geben die Wintergäste der kommenden Saison Schneesicherheit, Landschaft und Panorama sowie die Attraktivität der Pisten an. Und genau hier punktet die Schweiz. Unsere Ferienorte liegen höher, unsere Abfahren sind länger. Bei uns sieht der Winter aus, wie man es erwartet. Im Dorf liegt Schnee, auf dem Heimweg vom Fonduerestaurant knirscht er unter den Schuhen und die Kinder liefern ihren Eltern eine zünftige Schneeballschlacht. Original Winter eben. Und das darf auch etwas kosten.
Dass Schweizgäste mit ihrem Aufenthalt grundlegend zufrieden sind, zeigt übrigens eine aktuelle DemoSCOPE-Studie: Auf der Schulnotenskala haben die Befragten die Zufriedenheit ihres Aufenthalts in der Schweiz mit 5.16 bewertet.
Wintersportorte müssen heute ja alles anbieten, um konkurrenzfähig zu sein. Perfekte Pisten und gute Hotels reichen da längst nicht mehr aus. Alternativsportarten sind ebenso gefragt wie Wellness, Familien mit Kindern sind genauso ein Zielpublikum wie Party-People, die die Nacht zum Tag machen.Gerät man nicht in Gefahr, sich zu verzetteln?
Ich bin nicht der Meinung, dass man heute als Destination zwingend alles anbieten muss, um konkurrenzfähig zu sein. Vor allem für kleinere Orte gilt: Die Wahl des Gastes fällt heute eher auf einen klar positionierten Ort als auf eine Destination, die alles für alle anbietet. Eine klare Positionierung ist nachvollziehbar, ist eine Orientierungshilfe in einer Zeit der kaum überschaubaren Informationsflut.
Nachdem der Wellness-Trend in der Schweiz am Anfang etwas verschlafen wurde, ist jetzt aufgerüstet worden. Wie wichtig ist der Wellness-Markt mittlerweile geworden und welche Anstrengungen unternimmt Schweiz Tourismus, das Wellness-Land Schweiz zu vermarkten?
Die Schweizer Wellnesshotels setzen heute, vor allem im 4- und 5-Sternebereich, Massstäbe im Alpenraum. ST betreibt eine Marketingkooperation, an der sich heute 61 Wellnesshotels beteiligen, die landesweit konsequent nach einem Qualitätssystem bewertet werden. Auf MySwitzerland.com erfreut sich die Wellness-Suchmaschine, die aufgrund persönlicher Wünsche und Präferenzen innert Sekunden Vorschläge für das perfekte persönliche Wellnesshotel liefert, grosser Beliebtheit.
Einen riesigen Boom erwartet die Branche in den kommenden Jahren mit Touristen aus China, nachdem diese nun leichter in die Schweiz einreisen können. Was erwarten Sie aus diesem Markt für Wachstumszahlen und welche Tourismus-Regionen der Schweiz werden Ihrer Meinung nach besonders profitieren?
ST erwartet einen kontinuierlichen Anstieg von Logiernächten chinesischer Gäste von rund 120‘000 im Jahr 2003 auf 300‘000 im Jahr 2007, 500‘000 im Jahr 2010 und 800‘000 im Jahr 2015. Die Tagesausgaben chinesischer Gäste liegen bei rund 450 Franken (Aufenthalt, Mahlzeiten, Transporte und Shopping); der zu erwartende Umsatz liegt also bei 135 Mio. Franken im Jahr 2007, 225 Mio. Franken im Jahr 2010 und 360 Mio. Franken im Jahr 2015.
93% der Chinesen, die die Schweiz bereisen, geben «Schnee» als Hauptreisegrund an, 68% die Landschaft. Das zeigt klar, dass unsere Positionierung richtig ist. Aber auch unsere Städte sind beliebte Reiseziele der Chinesen, Stichwort Shopping und Sightseeing.
Nun ist ein Tourist aus China ja nicht irgendein Tourist, seine Kultur unterscheidet sich von der europäischen oder amerikanischen grundsätzlich. Was für unterstützende Massnahmen unternimmt Schweiz Tourismus, damit sich der Gast aus China hier wohl fühlt?
ST hat schon kurz nach Zuspruch des «Approved Destination Status» China-Workshops für die Branche angeboten und zusammen mit hotelleriesuisse das Vademekum «Chinesen zu Gast in der Schweiz» heraus gegeben, das Vorschläge und Tipps zum Empfang von Gästen aus dem Reich der Mitte für Schweizer Leistungsträger bereithält.
Nachdem die Schweiz von China den «Approved Destination Status» bekommen hat, haben bereits zahlreiche Reisegruppen aus dem Reich der Mitte die Schweiz bereist. Wie sehen die ersten Erfahrungen aus?
Die Chinesen sind begeistert von unserem Land!
Eine weitere einmalige Chance für die Schweiz, sich der Welt zu präsentieren, bietet sich mit der EURO 2008, welche die Schweiz zusammen mit Österreich austrägt. Laut einer Studie darf der Schweizer Tourismus mit Umsätzen von 250-280 Mio. Franken rechnen, dies neben einer riesigen Werbewirkung. Welchen Stellenwert nimmt dieses Event für Schweiz Tourismus ein und was für Massnahmen sind geplant?
Die EM 08 wird das grösste Sportereignis sein, das je in diesem Land stattfand. Entsprechend wird der Stellenwert der Veranstaltung bei ST sein. Wir betreiben integriertes Marketing in 34 Ländern, davon wird die EM 08 profitieren.
Letzte Frage: Verbringt der Direktor von Schweiz Tourismus seine Ferien zwangsläufig immer in der Schweiz, oder wohin kann die Reise gehen, wenn Sie ausspannen wollen?
Wie Sie wissen, wurde der Wintertourismus vor genau 140 Jahren in der Schweiz erfunden; das heisst, wir haben hier den Original-Ferienwinter. Meine Familie und ich fühlen uns in den Schweizer Bergen äusserst wohl und mir persönlich würde etwas fehlen, wenn ich meine Winterferien nicht in der Schweiz verbringen dürfte.
Moneycab Interviews Jürg Schmid
Direktor Schweiz Tourismus (seit November 1999)
Geboren: 2. November 1962
Zivilstand: Verheiratet, drei Kinder
NachAbsolvierung der kaufmännischen Lehre bei Bank Vontobel in Zürich tätig im Ressort Private Banking. Anschliessend Absolvierung des Studiums zum Betriebs-ökonom HWV Fachrichtung Marketing in Zürich. Danach Account Manager bei Hewlett Packard in Zürich in der Computer-Division.
Von 1994 bis 1999 war Schmid für Oracle Corporation tätig. Zuerst zeichnete er in der Schweizer Niederlassung in Baden-Dättwil als Geschäftsleitungsmitglied für Verkauf und Marketing verantwortlich. 1997 wurde er in die Regionalleitung zum Direktor Verkauf und Marketing befördert. In seiner Funktion war er verantwortlich für die 35 Länder umfassende Region Nord-, Zentral- und Osteuropa, Russland und die Russische Föderation, den Mittleren und Nahen Osten sowie Afrika.
Seit dem 1. November 1999 ist Jürg Schmid Direktor von Schweiz Tourismus, ein öffentlich-rechtliches Unternehmen mit dem Ziel und Auftrag die Schweiz als Ferien-, Reise- und Kongressland zu vermarkten. 167 Mitarbeitende in 20 Niederlassungen weltweit setzen sich national und international für eine kreative und proaktive Promotion der Schweiz ein.