Kaum mehr Chancen für Arcandor-Hilfen
Arcandor hofft auf eine Staatsbürgschaft von 650 Millionen Euro und einen Kredit über 200 Millionen Euro. Forderungen aus der Politik nach einem stärkeren Engagement der Eigentümer wurden lauter.
Einschätzung Brüssels überaus wichtig
Die Einschätzung Brüssels sei überaus gewichtig, hiess es in Berlin. Arcandor müsse daher Rettungs- oder Umstrukturierungshilfen prüfen. Diese seien allerdings mit deutlichen Kürzungen bei den Kapazitäten und Arbeitsplätzen verbunden. Wirtschaftsminister Karl- Theodor zu Guttenberg (CSU) machte deutlich, dass die Regierung im Sinne der Arbeitnehmer an einem Fortgang des Unternehmens interessiert sei.
Konzern «nicht förderungswürdig»
Entscheidende Bedingung für Hilfen aus dem 100-Milliarden-Fonds ist, dass die Probleme eines Unternehmens vorübergehend und Folge der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise sind – also erst seit Juli 2008 bestehen und nicht Ergebnis von Missmanagement in der Zeit davor. Auch muss ein Unternehmen grundsätzlich gesund, der Finanzierungsengpass also nur vorübergehend sein. Der Sprecher von EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes sagte in Brüssel, nach Analyse der vorliegenden Informationen sei der Konzern «nicht förderungswürdig, weil er schon vor dem 1. Juli 2008 in Schwierigkeiten gewesen ist».
50’000 Arbeitsplätze auf dem Spiel
Am Dienstagabend hatte sich Kroes mit Guttenberg beraten. Der Lenkungsausschuss des Fonds will Anfang nächster Woche endgültig über die Hilfen für den Arcandor-Konzern mit 50.000 Arbeitsplätzen beraten. Der Bürgschaftsausschuss kam am Mittwoch zu Beratungen zusammen.
«Klare Absage»
Guttenberg sprach von einer «sehr klaren» Ansage aus Brüssel. Aus Sicht der EU-Kommission könne Arcandor keine Hilfen aus dem «Deutschlandfonds» nutzen. Ein gesundes Unternehmen vor Juli 2008 sei aber Voraussetzung für Bürgschaften oder Kredite. Zudem gebe es kritische Nachfragen zur Zukunftsfähigkeit des Arcandor-Konzeptes. Auch seien die Beiträge von Banken und Arcandor-Eignern ausbaufähig.
Andere Wege der Rettung
Er habe Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick deutlich gemacht, dass andere Wege geprüft werden müssten, um Arbeitsplätze und Standorte zu sichern, sagte Guttenberg. Dazu zähle auch die «Rettungsbeihilfe», die ebenfalls in Brüssel beantragt werden müsste. Sie sei aber an sehr strenge Kriterien gebunden wie ein drastischer Kapazitäts- und Stellenabbau. Die Kapazitäten müssten um mindestens 30 Prozent gekürzt werden: «Das ist bereits sehr viel mehr als in anderen Optionen». Jetzt müsse sich das Unternehmen entscheiden.
Andere Lösungsmöglichkeiten mittels Investoren?
Guttenberg betonte: «Wir wollen und wir werden weiterhin den Fortgang dieses Unternehmens so konstruktiv, so klar und im Sinne der Arbeitnehmer begleiten.» Es müssten aber auch die Kriterien und die Regeln eingehalten werden, die für den Fonds gelten. Möglicherweise gebe es auch Investoren, die eine andere Lösung anstrebten.
Steinbrück: «Fall Arcandor unterscheided sich von Opel»
Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) forderte, die Staatshilfen für Arcandor weiter vorurteilsfrei zu prüfen. «Jede öffentliche Vorabfestlegung halte ich für falsch.» Der Fall Arcandor unterscheide sich von Opel. Bei Arcandor seien die Eigentümer in der Pflicht. Die Familie Schickedanz und die Privatbank Sal. Oppenheim halten zusammen etwa 60 Prozent an Arcandor. «Wir haben erkennbar keine anderen Investoren, die einsteigen.» Opel habe zudem Sicherheiten und Kreditgeber. «Im Fall von Arcandor haben wir die drei Dinge in dieser konkreten Form nicht.»
Grossaktionäre engagieren sich «vorbildlich»
Karstadt-Geschäftsführer Stefan Herzberg unterstrich, die Gesellschafter Sal. Oppenheim und die Familie Schickedanz engagierten sich «in einem wirklich vorbildlichen Masse». Sie prüften aber ein weiteres Engagement. Er sehe weiter Chancen für eine Staatsbürgschaft für den Mutterkonzern Arcandor, sagte er im Deutschlandradio. Im vergangenen Jahr hätte der Konzern seine Probleme noch selbst lösen können. Die Staatsbürgschaft sei erst wegen der Finanzkrise nötig geworden. «Ich will zunächst mal sagen, dass die 25.000 Arbeitsplätze von Opel genauso wichtig sind wie die 50.000 von Arcandor», sagte er.
Kleine Banken schiessen quer
Bei den Verhandlungen um überlebensnotwendige Kredite für Arcandor schiessen nach Informationen der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX die kleineren der Kredit gebenden Konsortialbanken quer. Sie hätten klar gemacht, dass sie nicht bereit seien, den auslaufenden Kredit über insgesamt 650 Millionen Euro zu verlängern oder neue Darlehen zu gewähren. Auf die betroffenen Banken entfalle ein Rahmen von rund 100 Millionen Euro. Damit stehe auch die Gesamtfinanzierung auf der Kippe. Ein Arcandor-Sprecher sagte auf Anfrage: «Wir sind mit den kleineren Banken weiter im Gespräch.»
Arcandor will auch andere Rettungsmöglichkeiten prüfen
Arcandor will nach der der ablehnenden Haltung der EU-Kommission zu der von ihm beantragten Staatshilfe nun auch andere Rettungsmöglichkeiten prüfen. Arcandor werde sich intensiv mit der Bewertung der EU zum Bürgschaftsantrag befassen, insbesondere mit den angedeuteten Alternativen, teilte der Konzern mit. Die Aussagen von Bundesminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), wonach mögliche Rettungsbeihilfen in Aussicht gestellt werden und die Bundesregierung Arcandor weiter konstruktiv begleiten wolle, werde Arcandor «aktiv aufgreifen». (awp/mc/ps/19)