Klaus Herms, Kühne + Nagel: «Wir werden in der Kontraktlogistik Zukäufe tätigen»
Quartal um Quartal publiziert Kühne + Nagel neue Rekordzahlen. Die nächste Dividendenerhöhung steht bevor, die Strategie scheint zu stimmen. In welchen Märkten und Bereichen sie noch wachsen wollen, welche strategischen Optionen sie haben, eröffnet Klaus Herms, CEO von Kühne + Nagel im Moneycab Interview.
Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Herms, die Bereiche See- und Luftfracht, die bezogen auf den Rohertrag zusammen etwas mehr als die Hälfte Ihres Geschäftes ausmachen, haben sich sehr erfreulich entwickelt. Beim Landverkehr und der Kontraktlogistik gibt es noch Verbesserungspotential. Vor allem beim Landverkehr betreiben Sie das Wachstum über Akquisitionen. Welche Länder stehen dabei im Vordergrund und welche Art von Firmen haben Sie für potentielle Zukäufe im Visier?
Klaus Herms: Mit dem Wiederaufbau unserer Landverkehrsaktivitäten starteten wir in Deutschland, einem Hauptmarkt in diesem Geschäftssegment. Dort haben
wir uns im Stückgutbereich bereits durch die Übernahme zweier mittel- ständischer Unternehmen – Pracht Spedition + Logistik GmbH und Häring Service Company – verstärkt. Weitere Akquisitionen werden ins Auge gefasst.
In einem nächsten Schritt werden wir uns um den Ausbau des europäischen Landverkehrsnetzwerks kümmern, hierbei steht insbesondere die Verstärkung der Verkehre zwischen West- und Osteuropa im Vordergrund.
Sowohl bei der See- wie auch bei der Luftfracht fallen die teils massiven Unpaarigkeiten auf. So werden zwar viele Güter von Asien nach Europa transportiert, auf dem Rückweg gibt’s dann aber fast nichts mitzunehmen. Welche Auswirkungen hat das auf Ihr Geschäft und mit welchen Mitteln begegnen Sie dem Problem?
Mit dem Einstieg in neue Märkte und der Abwicklung von Transporten mit Commodities, wie beispielsweise Altpapier, von Europa und Nordamerika nach Asien unterstützen wir aufkommensschwache Verkehre und die Reedereien in ihren Bemühungen, Container nach Asien zu bringen, wo das Equipment für den Export benötigt wird. Zugleich schaffen wir für uns die Voraussetzungen für weiteres Wachstum in der asiatisch-pazifischen Region.
In China haben Sie die begehrte A-Lizenz erhalten, das heisst, Sie können über eigene Tochterfirmen agieren. In Shanghai haben Sie schon eine starke Basis. Wie sehen Ihre Pläne bezüglich der Weiterentwicklung des chinesischen Marktes aus? Wo und in welchem Rhythmus werden Sie neue Standorte erschliessen?
Neben unserer 100-prozentigen Tochtergesellschaft in Schanghai haben wir 18 Repräsentationsbüros, die in den nächsten Monaten in eigene Nieder- lassungen umgewandelt werden. Zusätzlich werden wir – vorwiegend im chinesischen Hinterland – 9weitere Büros eröffnen. Damit sind wir im Reich der Mitte flächendeckend vertreten und können unser gesamtes Dienstleistungsangebot direkt offerieren und abwickeln.
Die Beteiligung an der SembCorp, im Jahr 2000 für 97 Millionen Franken erstanden, wurde Ende letzen Jahres für 69 Millionen wieder veräussert. Wie sieht Ihre Bilanz (finanziell und strategisch) dieses Engagements im Nachhinein aus, was hat funktioniert, was nicht?
Aufgrund der Entflechtung der Überkreuzbeteiligung wurden 13,37 Prozent der Aktien in einer erfolgreich verlaufenen Börsenaktion an institutionelle Investoren verkauft. Der aktuelle Kursverlauf zeigt, dass die Erhöhung des Free Floats unser Papier noch attraktiver gemacht hat. Aus strategischer Sicht war es nach der dreijährigen Erfahrung sicherlich besser, die Kooperation aufzulösen, da sich zeigte, dass SembCorp Logistics ein anderes Geschäftsmodell hatte und sich auf andere Branchen konzentrierte als wir. Darüber hinaus verlangten unsere Kunden, dass sie auch in Fernost unsere standardisierten Produkte in Anspruch nehmen können und dies war im Verbund mit SembCorp nicht möglich.
Ihre starke Marktposition und das andauernde Wachstum verdanken Sie unter anderem den jährlichen Produktivitätssteigerungen. Dazu tragen auch die Investitionen in die Informationstechnologie bei. Wie strategisch ist die IT innerhalb der Kühne + Nagel und sehen Sie hier weitere Möglichkeiten innovative Dienstleistungen im Markt anzubieten, wie zum Beispiel integrierte Supply Chain Management Lösungen für andere Marktteilnehmer?
In der Logistikbranche ist die IT zu einer Kernfunktion avanciert. Die Globalisierung der Märkte, verkürzte Produktlebenszyklen und Druck hinsichtlich Zeit, Qualität und Kosten bringen hohe Anforderungen an ein effizientes Informationsmanagement mit sich. Im Mittelpunkt unseres IT-Bereichs stehen IT-basierte Produkte und Innovationen, die den Kundennutzen erhöhen. Wir erweitern und optimieren unsere Informationslogistikprodukte in der See- und Luftfracht fortlaufend, verfügen über ein hochmodernes global standardisiertes Lagerverwaltungssystem und bieten gerade auch im Bereich des Supply Chain Managements mit IT-Werkzeugen die Möglichkeit, die Supply Chain zu überprüfen, zu steuern und zu optimieren.
Das Afrikageschäft kommt nur sehr mühsam voran. Die Lieferung von Hilfsgütern und verderblicher Ware oder Aufträge durch Wiederaufbaubemühungen in Krisengebieten liefern vergleichsweise nur tiefe Wachstumsraten und geringe Rentabilität. Wie gross ist Ihr Durchhaltewillen in solch schwierigen Geschäftsfeldern?
Afrika ist hinsichtlich der wirtschaftlichen und politischen Situation in der Tat kein einfacher Markt. Wir müssen auf diesem Kontinent flexibel sein und unsere Strukturen den jeweiligen Marktverhältnissen anpassen. So konzentrieren wir uns in Ostafrika beispielsweise auf das Geschäft mit verderblicher Ware.
Was die Hilfsgütertransporte betrifft, so arbeiten wir in den Krisengebietenauf vertraglicher Basis mit internationalen Hilfsorganisationen zusammen, wobei das kommerzielle Interesse bei diesen Tätigkeiten nicht im Vordergrund steht.
Beim Landverkehr möchten Sie das Wachstum beschleunigen. Die Bahnen spielen dabei eine bedeutende Rolle. Auf Seiten der meist staatlichen Bahnbetreiber scheint die Dringlichkeit nach der Zusammenarbeit mit Dienstleistern wie Kühne + Nagel aber noch nicht sehr ausgeprägt. Welche Möglichkeiten haben Sie hier, den Bahnanteil am Transportvolumen zu erhöhen?
Die Liberalisierung der europäischen Bahnen würde ein dynamischeresWachstum des Güterverkehrs auf der Schiene sicherlich unterstützen, allerdings wird es noch eine Weile dauern, bis es soweit ist. Kühne + Nagel nutzt den Bahnverkehr wo immer möglich und konzentriert sich auf den Ausbau von Ganzzuglösungen. So haben wir bspw. im Jahr 2004 Ganzzugverkehre zwischen dem grössten europäischen Binnenhafen Duisburg und Parma eingerichtet. In UK befördern wir wöchentlich mehr als 500 TEU von und zu den Seehäfen auf der Schiene, um der Überlastung von Strassen und Häfen entgegenzuwirken.
Volle Kriegskasse (800 Millionen Franken), die Dividende soll erhöht werden, ein hoher Eigenkapitalanteil. Die ersten Fragen werden laut, ob mit dem Geld nicht sinnvollere Geschäftsoptionen wahrgenommen werden können (Akquisitionen). Bloss das Gerede von ewig Unzufriedenen oder fehlen Ihnen geeignete strategische Optionen zur Geschäftserweiterung?
Auf Grund unserer ausgezeichneten Geschäftsergebnisse im Jahr 2004 ist es meines Erachtens nur richtig, unsere Aktionäre an dem Erfolg teilhaben zu lassen und die Dividende zu erhöhen! Richtig ist auch, dass wir eine gutgefüllte Kriegskasse haben, was allerdings nicht bedingt, einer blindwütigen Shoppingtour zu verfallen.
Wir werden im Landverkehr und in der Kontraktlogistik unser internes Wachstum durch Akquisitionen beschleunigen. Bevor wir zukaufen, wird immer eine sorgfältige Due Diligence durchgeführt. Die Kaufobjekte müssen zu Kühne + Nagel passen und der Return on Investment sichergestellt sein.
Im Bereich, wo Sie als Versicherungsmakler auftreten, haben Sonderrückstellungen das Ergebnis zu einer Ergebnisminderung von über 50% geführt. Wie wichtig ist die Funktion von Kühne + Nagel als Versicherungsmakler für Ihre Kunden?
Unsere Kunden schätzen es, dass wir sie auch im Bereich der Warentransportversicherung unterstützen und ihnen Angebote unterbreiten können. Die Angebote im Versicherungsbereich runden unser Dienstleistungsportfolio in idealer Weise ab.
Das begonnene Jahr scheint sich gut angelassen zu haben. Was sind die wichtigsten Ziele für 2005, die Sie erreichen möchten?
In der See- und Luftfracht planen wir wiederum schneller als der Markt zu wachsen, und das bei anhaltender Profitabilität. In der Kontraktlogistik wollen wir die Marge auf hohem Niveau halten und in den nächsten drei bis fünf Jahren den Umsatz verdreifachen, das heisst wir werden in diesem Bereich auch Zukäufe tätigen. Im Landverkehr steht die weitere Stärkung des Stückgutgeschäfts in Deutschland und der Ausbau des europäischen Landverkehrsnetzes im Vordergrund.
Sie haben zwei Wünsche frei, wie sehen diese aus?
Ich hoffe erstens, dass die Globalisierung und der freie Welthandel anhalten und zweitens die Europäische Union zu einer starken Föderation europäischer Staaten zusammenwächst und dadurch die Basis für künftiges Wachstum schafft.
Moneycab Interviews Klaus Herms
Klaus Herms ist gebürtiger Bremer und begann seine berufliche Laufbahn im April 1959 mit einer dreijährigen Ausbildung zum Textilfachmann. Nach sechsmonatigem Volontariat beim Bankverein war Herms 18 Monate als kaufmännischer Angestellter in Berliner und Schweizer Textilfabriken tätig. Anschliessend studierte er zwei Jahre an der Deutschen Aussenhandels- und Verkehrsschule in Bremen und schloss als Betriebswirt ab.
Im Januar 1968 trat Herms als Praktikant in die Dienste des Kühne & Nagel Stammhauses in Bremen. Im August 1969 wurde er nach Hongkong entsandt, um bei der dortigen Kühne & Nagel-Gesellschaft die Luftfrachtleitung zu übernehmen. Bis Ende 1973 war er Verkaufsrepräsentant für das Projektgeschäft in Fernost. Parallel dazu assistierte er dem Regionalchef der Gesellschaften in Hongkong, Singapur und Taiwan.
Anfang 1974 wurde Herms zum Regionalmanager Fernost ernannt. In den Folgejahren widmete er sich dem Aufbau einer Reihe von Landesgesellschaften, darunter Indonesien, Japan, Korea, Malaysia, die Philippinen, Sri Lanka und Thailand. 1980 übernahm er auch die Regionalvertretungen für Australien und Neuseeland.
Im Januar 1988 wurde Herms zum Line Chief Executive Asia Pacific ernannt und gleichzeitig zum Mitglied des damaligen Groupmanagements .
Seit dem 1. Juli 1999 ist Herms Vorsitzender der Geschäftsleitung von Kühne & Nagel.