Klaus Künzli, Zentralpräsident Gastrosuisse: «Mit der Strategie Orange wollen wir die Branche aufrütteln»

von Patrick Gunti


Herr Künzli, den Gastronomiebetrieben in der Schweiz steht vor einem grossen Wandel. Wo erwarten Sie die grössten Veränderungen?


Vieles ist in Bewegung. Unsere Gäste verändern sich und ihre Gewohnheiten. Den Gast, wie wir ihn gekannt haben und auch entsprechend um seine Gunst buhlten, ihn verwöhnten und auch hofften, dass er stetig wiederkommt – diesen Gast gibt es immer weniger. Wer als Gastro-Unternehmer weiterhin erfolgreich bestehen will, muss sich mit seinem Betrieb entsprechend positionieren und gegebenenfalls neu ausrichten. Mit der Strategie Orange wollen wir die Branche aufrütteln, was uns offensichtlich gelungen ist.


Das klassische Drei-Mahlzeiten-Denken ist also vorbei, an die Stelle des Durchschnittsgastes tritt der «Ich-Gast». Können Sie uns diesen näher vorstellen?


Das Charakteristische des Ich-Gastes besteht eben darin, dass er schwierig zu charakterisieren ist. Er ist stark von den interaktiven Medien wie z.B. Internet beeinflusst und sucht ständig das für ihn gerade passende Angebot in der passenden Preisklasse. Der neue Ich-Gast ist zudem sehr gut informiert: er weiss, welche Lebensmittel ihm gut tun und welche nicht, und zwar nicht nur in Bezug auf die Gesundheit, sondern auch auf Leistungsvermögen, Stimmung usw.


Wie müsste sich entsprechend die Anbieterstruktur verändern?


Die Entwicklung der Anbieterseite ist differenziert zu betrachten. Es ist davon auszugehen, dass die gastgewerbliche Betriebsdichte in Ballungszentren und an Attraktionspunkten weiter zunimmt, in weniger dicht besiedelten Gebieten jedoch sinkt. Die Chancen der Gruppenbetriebe und der Systemgastronomie werden tendenziell steigen. Die herkömmlichen Schweizer Einzelbetriebe müssen ihr Angebot anpassen, wollen sie nicht zu den Verlierern gehören.


«Das Charakteristische des Ich-Gastes besteht eben darin, dass er schwierig zu charakterisieren ist.» (Klaus Künzli, Zentralpräsident GastroSuisse)


Sie haben es erwähnt – um den tiefgreifenden Veränderungen gerecht zu werden, reagiert GastroSuisse mit der «Strategie Orange». Was beinhaltet diese generell?


GastroSuisse hat mit der Strategie Orange ein Instrumentarium entwickelt, das gastgewerblichen Unternehmern helfen soll, sich in Zukunft besser zu positionieren. Wir haben ein Tool für Restaurateure entwickelt, wie sie sich in diesem gesättigten und hart umkämpften Markt in Zukunft behaupten können. Dieses Instrument besteht aus einem 12 Punkte-Programm (d.h. 12 Profilierungs-Merkmale, genannt die 12 Prositioning-Parameter).


Ein Rezept für die Zukunft ist das sogenannte «Food-Moduling». Wie präsentiert sich dieses System und was hat der Kunde davon?


Der Gast verlangt zunehmend mehr Wahlfreiheit und Individualität, wie er es beispielsweise bereits kennt von Selbstbedienungs-Buffets oder Free-Flow. Food-Moduling, als ein Teil der Strategie Orange, ist eine der Möglichkeiten, die es künftig auch der herkömmlichen, bedienten Gastronomie erlauben, diesem wichtigen Gästebedürfnis nachzukommen. Die Grund-Idee des Food-Moduling besteht darin, dass der Gast die Wahl, Kombination, Reihenfolge und Anzahl gleichwertiger Menükomponenten selber bestimmt.


Welches sind nebst Food-Moduling die wichtigsten Punkte der «Strategie Orange»?


Wie bereits erwähnt, steht ein 12 Punkte-Programm im Mittelpunkt. Zu diesen 12 sogenannten Prositioning-Parameters zählen – neben Food-Moduling – der Food-Vorfertigungsgrad, Ergänzungs- und Zusatzangebote, Raum und Rahmen, die Inszenierung des Angebotes, die Öffnungszeiten, Events und Kommunikation bis hin zu Überlegungen zu Standort, Vertriebswegen, Preis- und Konditionspolitik. Eine weitere zentrale Rolle spielen der Gastgeber sowie die Mitarbeitenden. Dieses umfassende Programm steht – entsprechend visuell aufbereitet – als praktisches Instrument zur Verfügung.


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Was passiert mit Gastronomiebetrieben, die diese Veränderungen nicht mitgehen können oder wollen?


Wer heute im Markt bestehen will, muss innovativ sein und offen für neue, gästeorientierte Lösungen, muss sich mit seinem Angebot klar positionieren und sich ein unverwechselbares Profil geben. Food-Moduling ist unter anderen eine gute Möglichkeit für die herkömmliche bediente Gastronomie.


Welche Anstrengungen werden im Ausbildungsbereich unternommen, um den sich verändernden Anforderungen besser gerecht werden zu können?


Als Branchenverband engagieren wir uns sehr für die Aus- und Weiterbildung. Die Strategie Orange wird als integrierter Bestandteil in die Führungsausbildung einfliessen, namentlich in die gesamtschweizerische, dreistufige und berufsbegleitende Gastro-Unternehmerausbildung von GastroSuisse.


Wandel ist also angesagt – in welchem zeitlichen Rahmen?


Wer rechtzeitig für die Zukunft gerüstet sein will, muss jetzt damit beginnen.


«Wer heute im Markt bestehen will, muss innovativ sein und offen für neue, gästeorientierte Lösungen, muss sich mit seinem Angebot klar positionieren und sich ein unverwechselbares Profil geben» (Klaus Künzli, Zentralpräsident GastroSuisse) 


Eine kaum geringere Herausforderung für die Gastronomiebetriebe wird die Umstellung zu rauchfreien Betrieben, oder zumindest separaten Raucherräumen. Welche Entwicklung erwarten Sie hier?


Im Interesse unserer über 20’000 Mitgliederbetriebe und auch deren Gäste fordern wir weiterhin einen umfassenden, praktikablen und landesweit einheitlich geregelten Passivrauchschutz. Der einzig zielführende und verfassungsmässig zulässige Weg zur entsprechenden Durchsetzung führt über die Schaffung eines Spezialgesetzes auf eidgenössischer Ebene.


Generell hat das Gastgewerbe im vergangenen Jahr einen Aufwärtstrend verspürt. Wie ist die Entwicklung im laufenden Jahr?


Das Gastgewerbe meldete im vergangenen Jahr erstmals wieder positivere Zahlen – auch für die Restauration. Am Horizont ist ein wirtschaftlicher Silberstreifen auszumachen. 2007 hat sich die Lage bisher weiter gebessert. Leider werden aber viele Restaurateure und Hoteliers für ihren grossen Einsatz nach wie vor zu schlecht honoriert. Die Gewinnspanne ist zu eng, und der Konkurrenzdruck nimmt noch weiter zu: im letzten Jahr sind erneut rund 500 neue Betriebe hinzugekommen – und das bei insgesamt stagnierenden Umsätzen.


Herr Künzli, besten Dank für das Interview.





Zu GastroSuisse
GastroSuisse ist der führende nationale Verband für Hotellerie und Restauration. Über 20’000 Mitglieder (Hotels, Pensionen, Gasthöfe, Restaurants und Cafés), organisiert in 26 Kantonalsektionen und vier Fachgruppen, gehören dem grössten gastgewerblichen Arbeitgeberverband an.


Zur Person:
Klaus Künzli ist seit 2002 GastroSuisse-Zentralpräsident und Grossrat des Kantons Bern. Er begann seine berufliche Karriere ursprünglich mit einer Kochlehre im Rest. Du Théâtre Bern und durchlief anschliessend verschiedene Ausbildungen im In- und Ausland. Er absolvierte unter anderem die Belvoirpark Hotelfachschule Zürich. Klaus Künzli war in der Geschäftsführung namhafter touristischer Betriebe und wirkte 28 Jahre lang als gastgewerblicher Unternehmer direkt an der Front.

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