Klaus Zink, CEO Von Roll Inova: «Die Zukunftsaussichten sind mehr als positiv»

Von Lukas Schweizer

Moneycab: Herr Zink, das Motto von Von Roll Inova lautet derzeit «Sichern ? Konsolidieren ? Wachsen». Für 2004 versprechen Sie sich mit dem Programm Einsparungen von mehreren Millionen Franken. Wie viel konnten Sie schon einsparen?

Klaus Zink:
Wir sind in das Jahr 2004 mit einem Programm gestartet, von dem wir uns messbare Verbesserungen in quantitativer und qualitativer Hinsicht versprechen. Qualitativ richtet sich unser Programm «Sichern ? Konsolidieren ? Wachsen» auf eine Optimierung des Projektmanagements und auf eine Steigerung der Projektrentabilität. Weitere Schwerpunkte sind die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden, die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Standorten, Verbesserungen in der Beschaffung sowie die Weiterentwicklung des Anlagenservices.
In quantitativer Hinsicht versprechen wir uns in der Tat auch einige Einsparungen. Direkt messbare und unmittelbar wirksame Einsparungen bewegen sich in einer Höhe von gut einer Million Franken. Da sie Gemeinkosten betreffen, sind sie auch entsprechend nachhaltig. Darüber hinaus erwarten wir Einsparungen aus weiteren internen Verbesserungsprogrammen in Höhe von bis zu sieben Millionen Franken nach drei Jahren.
Diese Summe wird sich einstellen, wenn die eingeführten Verbesserungen allesamt in unseren Prozessen wirksam werden. Um konkreter zu werden: wir erwarten insgesamt einen ansteigenden Effekt von ca. ein bis zwei Millionen Franken im ersten Jahr und letztlich ca. acht Millionen nach drei Jahren.
Sicher ist jedenfalls, dass diese Einsparungen nicht auf einer Reduktion des Gesamtpersonalbestandes beruhen, denn dieser wird mit Ende des Jahres 2004 sogar etwas höher sein als zum Zeitpunkt des Eigentümerwechsels.

Bleiben wir noch bei den nackten Zahlen. 2002 machte Von Roll Inova einen Umsatz von 277 Millionen Franken. Mit wie viel rechnen Sie 2004 und was schaut für ein Gewinn raus?

Wir erwarten für 2004 eine markante Umsatzsteigerung; unser Auftragsbestand deutet aus heutiger Sicht darauf hin, dass wir in diesem Jahr deutlich über 300 Miollionen Franken liegen werden. Das EBIT der Gruppe soll im positiven Bereich, etwa in einstelliger Millionenhöhe, liegen.
Die Veränderung der Umsatzziffer zwischen zwei Jahren ist aber im Anlagenbau nicht unbedingt ein Massstab für «Wachstum oder Schrumpfung». Wir planen mit einem moderaten Anstieg des Auftragseingangs im einstelligen Prozentbereich für die nächsten zwei Jahre und legen dabei eher Wert auf die Ergebnisqualität.

Zurück zum Optimierungsprogramm, welche Altlasten wurden abgearbeitet und wo sind Sie noch dran?

Auch wenn ich eingestehe, dass neue Akteure sich mit «Altlasten» immer leichter tun als jene, die sich bereits jahrelang damit auseinandersetzen, kann ich doch sagen, dass wir hier schon einiges ins Rollen gebracht haben.
Unter «Altlasten» ? wenn wir das beliebte, aber unschöne Wort hier schon verwenden ? verstehen wir vertragliche Verpflichtungen aus Aufträgen, die ? aus welchen Gründen auch immer ? in der Vergangenheit nicht optimal gelaufen sind. Diesbezüglich sind wir im Übrigen unter den meisten Anlagenbauern in guter Gesellschaft. Fakt ist, dass wir zu diesen Verpflichtungen stehen, auch wenn diese zum Teil eine erhebliche Last für die neue Eigentümerschaft darstellen.
Daneben gibt es auch zum Teil gerichtsanhängige Streitfälle, von denen wir einige bereits lösen konnten, wobei wir uns in den meisten Fällen aussergerichtlich geeinigt haben, was letztlich Zeit und Geld spart.
Es gibt allerdings auch Fälle, wo prinzipiell keine Kompromisse möglich sind, z.B. dann, wenn es um unser Know-how geht. Ein derartiger Fall wurde erst kürzlich zu unseren Gunsten entschieden.

Ein anderer zentraler Punkt ist die Verbesserung des Projektmanagements und damit verbundene Kosteneinsparungen. Was ist da der Standpunkt?

Von Roll Inova entwickelt sich hier ganz klar von einem technisch getriebenen zu einem markt- und kundenorientierten Unternehmen. Demzufolge müssen wir einerseits an einem zeitgemässen Rollenverständnis des Projektleiters und seiner Kompetenzen arbeiten. Andererseits ist der kaufmännischen Projektführung ein grösseres Augenmerk zu schenken.
Ersteres geschieht durch Anpassung der Geschäftsprozesse und einzelne Ausbildungsmassnahmen, letzteres durch Verstärkung der Ressourcen in diesem Bereich.

Es wird aber auch mehr Geld in die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter investiert. Können Sie das etwas konkreter erläutern?

Eine besondere Herausforderung ist in projektorientierten Unternehmungen immer die Erfahrungssicherung, da die Mitglieder temporärer Organisationseinheiten, wie es Projektteams nun einmal darstellen, beim jeweils nächsten Auftrag oft eine andere Rolle einnehmen. Was für den einzelnen Mitarbeiter eine Chance für die persönliche Entwicklung bedeutet, wirkt sich für die Organisation oftmals in einer Diskontinuität im Lernprozess aus. Mit anderen Worten: Für ein projektorientiertes Unternehmen ist die Vermeidung von Fehlerwiederholungen eine permanente Aufgabe, der stärkeres organisatorisches Augenmerk geschenkt werden muss, als dies beispielsweise in einem Produktionsbetrieb der Fall ist.
Wir müssen also nicht nur die Mitarbeiter aus- und weiterbilden, sondern auch dafür sorgen, dass die Organisation «lernt».

Bei der Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter setzen wir auf eine gesunde Mischung aus hausinternen, konzerninternen und externen Massnahmen.
Und bei der Ausbildung von «High Potentials» legen wir Wert auf Programme, die die Mitarbeiter verschiedener Unternehmungen der Gruppe zusammenführen.

Sie sagten, es sei spürbar, dass der Wille zur Veränderung bei den Mitarbeitern vorhanden sei und dass darin die Chance für die Zukunft bestehe. Welche Chance hat Von Roll Inova denn in der Zukunft?

Wir haben kürzlich in einem Vortrag zum Thema «Unternehmenskultur» eine interessante Klassifizierung des Mitarbeiterverhaltens gehört. Demzufolge gibt es in einem Unternehmen entsprechend der Bereitschaft zur Veränderung immer Cheerleaders, Pioniere, Beständige und am anderen Ende der Skala die Indifferenten, die Schwerfälligen und die so genannten Ajatollahs.

Cheerleaders sind in einem Anlagenbau-Unternehmen sicherlich verzichtbar, die haben wir auch nicht. Ich sehe in unserem Unternehmen aber ausreichend viele Pioniere, und zwar unter den Führungskräften ebenso wie auch unter den langjährigen Mitarbeitenden. Diese Pioniere sind in der Lage, ihre Mitarbeiter und Kollegen von der Notwendigkeit von Veränderungen zu überzeugen und sie mitzureissen. Insgesamt ist die Von Roll Inova geprägt von einem hohen Loyalitätsgrad der Mitarbeiter, geringer Fluktuation und hoher Expertise.
Die Zukunftsaussichten sind daher mehr als positiv.

Das Optimierungsprogramm soll die Marktposition des Unternehmens nachhaltig stärken. Von welchem Anteil und Zuwachs gehen Sie aus?

Unter den sechs bis acht wesentlichen Konkurrenten nehmen wir im Schnitt der letzten drei Jahre mit ca. 18 Prozent Marktanteil in Europa Platz zwei ein. Von über 1600 gebauten Anlagen in Japan entstanden über 170 in Lizenz von Von Roll Inova.

Insgesamt wollen wir mit geringer, aber dafür stetiger Geschwindigkeit wachsen. Wir sehen uns als führendes Engineering-Unternehmen in der Branche. Unsere «Produktionsmittel» sind also im Wesentlichen die Erfahrung, das Wissen, das Engagement unserer Mitarbeiter. Diese Mittel sind nicht mit beliebiger Geschwindigkeit vermehrbar. Die, die das versucht haben, hatten zwar kurzfristige Umsatzerfolge, danach aber oft unternehmensbedrohende Qualitätsprobleme. Das wollen wir uns ersparen, indem wir mit angepasster Geschwindigkeit wachsen wollen.

Welche Rolle spielt das Mutterhaus Austrian Energy & Enviroment dabei?

Dank der Partnerschaft mit AE&E haben wir nun Zugänge auf Märkte, auf denen wir vorher nicht agiert hatten. Dies ist auch umgekehrt der Fall. Es ist eine Tatsache, dass es zwischen beiden Unternehmen vor der Zusammenführung ? bis auf eine einzige Ausnahme: Deutschland ? keine geographischen Marktüberschneidungen gab. So kann jeder dem anderen mit seinen Erfahrungen, aber auch mit den bestehenden Vorort-Organisationen auf den jeweiligen Märkten weiterhelfen.


$$PAGE$$ Welche Synergien haben sich aus der Partnerschaft ergeben?


Da wären einmal die bereits angesprochenen Synergien bei der Marktbearbeitung. Darüber hinaus können wir im Verbund mit AE&E die Wertschöpfung aus Projekten innerhalb der Gruppe vertiefen. So hat beispielsweise AE&E mit den Töchtern Duro Dakovic und Babcock Wilcox Espana auch Fertigungskapazität in die Gruppe eingebracht. Dabei werden aber immer konkurrenzfähige Konditionen verlangt, andernfalls wird die Leistung extern vergeben.

Weitere Synergieeffekte sehen wir auch im Austausch von Erfahrungen bei den Themen Beschaffung, Risikomanagement, Projektmanagement sowie auch in der Technik, bei Forschung und Entwicklung.

Dabei wird darauf Wert gelegt, dass jedes Unternehmen seine Marke und Identität bewahrt. Vereinheitlichung in den Abläufen findet dort statt, wo es Sinn macht und Einsparungen bringt; eine Top-Down-Zwangsgleichschaltung aller Unternehmen ist nicht das Ziel der Gruppe.

Von Roll Inova ist vor allem auf dem Gebiet der thermischen Abfallbehandlung Spezialist. Was muss man sich genau darunter vorstellen?

Ziel der thermischen Abfallbehandlung ist es, Abfall nicht in der Natur vergraben zu müssen, Landschaft zu verbrauchen und auf ewige Dichtheit der Deponien zu vertrauen, sondern in Energie umzusetzen, die Wertstoffe weitgehend wiederzugewinnen und letztlich eine minimale Menge von langfristig umweltverträglichen Reststoffen zu hinterlassen. Dabei gelingt es uns, die ständig strenger werdenden gesetzlichen Grenzwerte für Emissionen nicht nur zuverlässig einzuhalten, sondern teilweise auch zu unterschreiten.

Dabei ist die thermische Abfallbehandlung eine lange Kette von Prozessschritten. Diese beginnt mit der Verbrennung des Abfalls, beinhaltet die Abgasreinigung, Erzeugung von Energie in Form von Elektrizität, Prozessdampf oder Heisswasser und schleust letztlich eine minimale Menge umweltverträglicher Reststoffe in Form von Asche oder Schlacke aus. Darüber hinaus bauen wir auch Systeme, die z.B. noch Zink aus der Asche zurückgewinnen.

Was ist für Sie Zukunftsmusik auf diesem Gebiet?

Die Technologie, die die thermische Abfallbehandlung mittelfristig obsolet machen könnte, sehen wir nicht. Mit dem Verbrennungsrost haben wir heute ein High-Tech-Produkt, welches mit den allerersten Konstruktionen soviel zu tun hat wie heutige moderne Automotoren mit dem Otto-Motor von 1864. Auch dieser Prozess wurde immer wieder totgesagt, und hat sich immer wieder bemerkenswert weiterentwickelt und steht heute für minimalen Verbrauch und geringste Emissionen.

Wo sehen Sie weitere Möglichkeiten, Meilensteine in der Abfallbehandlung zu setzen? (z.B. Energierückgewinnung)

Bei der thermischen Abfallbehandlung sehen wir noch Entwicklungsmöglichkeiten in der Fähigkeit, Abfall mit stark schwankender Zusammensetzung zu behandeln, einen höheren Heizwert zu verarbeiten, einen höheren Anteil an Metallen aus dem Prozess abzuscheiden (wir denken dabei an Aluminium und Kupfer) sowie die ohnehin schon geringe Schadstoffbelastung weiter zu reduzieren.

Wichtig ist dabei, umweltverträgliche Systeme zu vertretbaren Kosten auch auf solchen Märkten anbieten zu können, auf denen es noch keine systematische Mülltrennung gibt. Diesbezüglich ist die thermische Behandlung auf Basis der Rostfeuerung, wie Von Roll Inova sie anbietet, den anderen thermischen Systemen überlegen, denn der aufwendige Schritt der systematischen Trennung und Aufbereitung des Mülls entfällt.

Abfallentsorgung und ?Vernichtung, insbesondere auch von Sondermüll, ist ein grosses Problem. Wie sehen Ihre Zukunftsprognosen aus?

Das sehen wir etwas anders. Erstens, weil die Sonderabfallmengen in den Industrieländern durch vermehrtes Recycling insgesamt abnehmen. Zweitens, weil wir in der AE&E-Gruppe auch für schwierige oder hochkalorische Abfälle angepasste Technologien liefern können. So können wir mit der Wirbelschichttechnologie biogene Brennstoffe oder Reststoffe aus der Papier- und Zellstoffindustrie, Klärschlamm, aber auch exotische Brennstoffe, wie z.B. Hühnermist, umweltfreundlich energetisch verwerten. Auch die thermische Behandlung von Altplastik, Altholz etc. stellt mittlerweile kein Problem mehr dar. Für unsortierten Hausmüll bieten wir mit Erfolg unsere Rosttechnologie an, für Sondermüll setzen wir Dehrohrsysteme ein.

Allen Systemen gemeinsam ist wieder, dass sie in der Lage sind, das, was man früher vergraben hat, in Energie umzusetzen und Reststoffe und Abgase soweit aufzubereiten, bzw. zu reinigen, dass die Auswirkungen auf die Umwelt ein Minimum erreichen.

Unsere Prognose ist, dass die Thermische Abfallbehandlung langfristig ein integraler Bestandteil der Abfallbewirtschaftung bleiben wird, denn durch sie können letztlich Giftstoffe zuverlässig aus dem Stoffkreislauf ausgeschleust werden.




Der Gesprächspartner
Klaus Zink (geb. 1955, verheiratet, 2 Söhne)

Kurzbiografie

– Studium des Maschinenbaus, Wahlfach Strömungsmaschinen an der TU Graz

– seit 1983 in der Energie- und Umwelttechnik tätig

– Stationen: AE Energietechnik Ges. m.b.H. (ex Wagner-Biero AG), NEM Energietechnik GmbH (AE&E-Tochter), AE&E AG sowie Von Roll Umwelttechnik (AE&E-Tochter)

– diverse längerfristige Auslandseinsätze als Inbetriebnahme-Ingenieur, Projektleiter, Key-Account-Manager für Kraftwerk- und Dampferzeuger-Projekte in Iran, Ägypten, Malta und Griechenland

– Geschäftsführer bei NEM, Bereichsleiter «Projektmanagement / Risikomanagement» in der neu gegründeten AE&E AG, COO und CEO bei der Von Roll Umwelttechnik AG

– Mitglied in diversen Fachgremien (Vorstand der PROJEKTMANAGEMENT AUSTRIA, Referent und Dozent zu den Themenkreisen: Projektmanagement, Claim-Management, Management von Projektkrisen an der Wirtschaftsuniversität Wien, am Institute for International Research etc.)

– hohe Fachkompetenz und Kenntnis der unterschiedlichsten Märkte im Bereich Energie- und Umwelttechnik, Führungserfahrung und Flexibilität

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