Klimagipfel in Kopenhagen zur Zukunft des Planeten

Bis zum 18. Dezember kämpfen Regierungsvertreter aus 192 Staaten um weitreichende Klimaziele. So viele Länder wie nie zuvor haben Vorschläge vorgelegt, um ihren Ausstoss von Treibhausgasen zu reduzieren oder zu bremsen. Ob dies für eine Einigung reicht, ist zweifelhaft.


Treibhausgase offiziell gesundheitsschädlich
Eine potenziell weitreichende Entscheidung wurde am Montag abend in Washington getroffen: US-Präsident Barack Obama kann künftig notfalls auch ohne Zustimmung des Kongresses den Ausstoss von Kohlendioxid regulieren. Die Umweltbehörde EPA stufte Treibhausgase offiziell als «gesundheitsschädlich» ein. Diese bereits seit dem Frühjahr erwartete Definition gibt der Regierung das Recht, Emissionen eigenständig auf der Basis des «Clean Air Act», eines Umweltgesetzes von 1990, zu begrenzen.


Theoretisch könnte die EPA-Entscheidung es Obama ermöglichen, Klimaschutz-Bestimmungen in Kraft zu setzen, die das Abgeordnetenhaus bereits verabschiedet hat, der Senat bisher aber nicht. Dort hängt die entsprechende Gesetzesvorlage seit längerem fest, und ein Votum wird nicht vor dem Frühjahr erwartet. Obama hat aber bereits erklärt, dass er nicht am Kongress vorbei handeln wolle.


«Schwierige, aber notwendige Entscheidungen»
Der Klimagipfel sei eine herausragende Chance – die Welt könne sich nicht erlauben, sie zu verpassen, sagte der dänische Regierungschef und Gastgeber Lars Løkke Rasmussen. Er schwor die Verhandlungspartner aus aller Welt auf «schwierige, aber notwendige Entscheidungen» ein. Eine Einigung sei greifbar nahe, sagte Rasmussen und appellierte an die Delegationen: «Lasst uns nicht auf das konzentrieren, was uns trennt, sondern auf das, was uns verbindet.»


Katastrophale Auswirkungen
Der Chef des Weltklimarates, Rajendra Pachauri, unterstrich die Notwendigkeit, die Erderwärmung im Bereich von 2 bis 2,4 Grad zu drosseln. Sonst drohten katastrophale Auswirkungen. Die globale Durchschnittstemperatur sei im 20. Jahrhundert bereits um 0,74 Grad gestiegen, der Meeresspiegel um 17 Zentimeter. Sollte das Grönland- Eis schmelzen, könnte er um sieben Meter klettern. In Afrika bedrohe Wassermangel 75 bis 250 Millionen Menschen bis zum Jahr 2020.


Ringen um Finanzzusagen für Entwicklungsländer
Die Konferenz ringt auch um ausreichende Finanzzusagen, damit sich Entwicklungsländer an den Klimawandel anpassen können, und technische Hilfen für eine klimafreundliche Entwicklung. Zudem wird vorgeschlagen, dass Länder mit grossen Urwaldgebieten Geld für deren Schutz erhalten.


In den Weltklimaverhandlungen könnte Europa Soforthilfen bis zu 7 Milliarden Euro für Massnahmen in den Entwicklungsländern auf den Tisch legen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur dpa am Montag in Brüssel aus Diplomatenkreisen. Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen sich bei ihrem Gipfeltreffen diesen Donnerstag und Freitag in Brüssel auf ein gemeinsames Angebot für die Anschubfinanzierung einigen. Dieses soll dann bei der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen eingebracht werden.


«Weihnachtskuchen mit drei Teigschichten»
UN-Klimachef de Boer entwarf die Vision eines «idealen Weihnachtskuchens» mit drei Teigschichten, auf dem am Ende der Konferenz die Kerzen brennen sollten. Den Boden bilde die Übereinkunft, unverzüglich im Kampf gegen den Klimawandel und seine Folgen aktiv zu werden. Die zweite Lage enthalte ehrgeizige Ziele zur Treibhausgas-Reduktion und Finanzzusagen. Dabei forderte de Boer ausdrücklich langfristige Zusagen ein – darauf will sich aber kaum ein Industrieland einlassen. Der Tortenguss bestehe aus einer gemeinsamen Vision für die fernere Zukunft.


Wandel kostet weniger als Rettung der Banken
In einem gemeinsamen Kommentar von über 50 Zeitungen in Europa, Afrika, Asien und Amerika hiess es, der Wandel hin zu einer umweltschonenderen Gesellschaft werde viel Geld kosten, aber viel weniger als die Rettungsaktionen für die Banken. «Viele von uns, vor allem in der entwickelten Welt, werden ihren Lebensstil ändern müssen. Die Zeit, in der ein Flug billiger ist als die Taxifahrt zum Flughafen, muss bald vorbei sein.»


Auch aufstrebende Nationen in der Pflicht
Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht beim Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe auch die wirtschaftlich aufstrebenden Länder in der Pflicht. «Insbesondere Indien und China müssen noch zulegen», sagte Merkel sie im Sender ZDF.


15’000 Teilnehmer und 110 Staats- und Regierungschefs
Der Ansturm auf die dänische Hauptstadt ist enorm: Zur Konferenz sind nach Angaben der Organisatoren mehr als 15.000 Teilnehmer aus aller Welt angereist. Eigentlich hatten 34.000 Menschen dabei sein wollen, viele von ihnen mussten abgewiesen werden. Präsidentin der Klimakonferenz ist die dänische Klimaministerin Connie Hedegaard. In der zweiten Woche des Gipfels werden 110 Staats- und Regierungschefs in Kopenhagen erwartet, darunter auch Bundeskanzlerin Merkel und US-Präsident Barack Obama. Seine Ankündigung, entgegen ersten Planungen doch noch zu den Abschlussverhandlungen zu kommen, hatte neue Hoffnungen auf eine Einigung geweckt.


Auswirkungen des Klimawandels verheerender als angenommen
Wie dringend etwas getan werden muss, zeigten zwei wissenschaftliche Studien, die am Montag öffentlich wurden. Sie weisen darauf hin, dass der Klimawandel verheerendere Auswirkungen haben könnte, als bislang angenommen. Ein britisches Forscherteam von der Universität Bristol kommt zu dem Schluss, dass die Temperatur um 30 bis 50 Prozent stärker auf zusätzliches Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre reagieren wird, als es der Weltklimarat berechnet hat.


Anstieg des Meerespeigels um 1,9 Meter bis 2100?
Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und Martin Vermeer von der Technischen Universität Helsinki haben berechnet, dass der Meeresspiegel bis zum Jahr 2100 um bis zu 1,9 Meter ansteigen könnte – deutlich schneller als erwartet. Zusätzliche Küstenstädte und Inselstaaten wären bedroht. (awp/mc/pg/16)

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