KOF: Gesundheitsausgaben als Konjunkturstabilisator
Waren die Gesundheitsausgabenprognosen der KOF für die Jahre 2003 und 2004 noch Punktlandungen, so lagen sie für die Jahre 2005 und 2006 zu hoch, wie die Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich am Montag mitteilte.
Zum Teil nur statistische Effekte
Demnach betrug das Wachstum statt der prognostizierten 3,6% für 2005 effektiv nur 2,0%. 2006 waren es gar nur 1,4% statt der von der KOF vorausgesagten 3,0%. Insbesondere der Kostenanstieg bei der stationären Behandlung hat sich entgegen den Erwartungen zuletzt deutlich abgeflacht. Auch die kostendämpfenden Effekte der Sparmassnahmen im Medikamentenbereich wurden von der KOF unterschätzt. Ein guter Teil der Überschätzung des Ausgabenanstiegs des Jahres 2006 beruht allerdings auf einem rein statistischen Effekt: Das Bundesamt für Statistik (BfS) stellte das Erhebungskonzept der Ausgaben von sozialmedizinischen Institutionen um,was bei den «Institutionen für Behinderte und andere Institutionen» zu einem fünfeinhalbprozentigen Rückgang der ausgewiesenen Kosten gegenüber dem Vorjahr geführt hat.
Nur geringe Prognoserevisionen
Im Vergleich zur Frühjahresprognose vom Mai dieses Jahres prognostiziert die KOF für 2007 neu ein Wachstum der gesamten Gesundheitsausgaben von 4,0% (Frühjahrsprognose: 4,5%), für 2008 4,2% (4,0%) und für 2009 4,3% (4,2%). Für 2010 wird ein Zuwachs von 3,8% erwartet.
Anteil älterer Menschen geringer als erwartet
Der Hauptgrund für die Abwärtsrevision des Jahres 2007 ist, dass den mittlerweile verfügbaren endgültigen Zahlen des BfS zufolge der Anteil älterer (und eher behandlungsbedürftiger) Menschen an der Gesamtbevölkerung leicht tiefer lag als erwartet. In den Jahren 2008 und 2009 wirken zwei an sich gegenläufige Veränderungen: Aufgrund des deutlich pessimistischeren Konjunkturausblicks dürfte auch die Entwicklung der Gesundheitsausgaben gedämpft werden.
Ausgeprägtere Teuerung
Hingegen drückt die ausgeprägtere Teuerung die Löhne und damit die Kosten für Gesundheitsleistungen nach oben. Über 60% des für 2008 prognostizierten Ausgabenanstiegs entfallen auf stationäre und ambulante Behandlungen durch Spitäler und Ärzte, 18% auf den Verkauf von Arzneimitteln. Der Rest verteilt sich auf sonstige Leistungen wie Prävention und Verwaltung.
Markante Verschiebungen
Bei den Leistungserbringern erhöht sich der Anteil der sozialmedizinischen Institutionen (z. B. für Betagte, Chronischkranke und Behinderte) an den Gesamtausgaben von 15,7% im Jahr 1995 auf prognostizierte 19,3% 2010.Verantwortlich hierfür ist einerseits die zunehmende Alterung der Bevölkerung. Aber auch die Einrichtungen für Menschen mit psychischen oder Suchtproblemen verzeichnen eine starke Kosten- bzw. Mengenausweitung. Rückläufig ist dagegen der Ausgabenanteil der Krankenhäuser und ambulanten Versorger.
Höhere Beteiligung der privaten Haushalte
Auf der Finanzierungsseite fällt insbesondere der starke Anstieg der Kostenbeteiligungen der privaten Haushalte auf. Bis 2010 werden sie sich gegenüber 1995 mehr als verdreifacht haben (von 1.4 auf 4.3 Mrd. Franken). Insgesamt tragen aber die Sozialversicherungen einen immer grösseren Teil der Kosten. Leistungsseitig ist die Verlagerung von der stationären zur ambulanten Behandlung ungebrochen, wobei insbesondere die ambulante Behandlung im Krankenhaus im Trend liegt. Beim Verkauf von Arzneimitteln verschieben sich die Anteile immer weiter weg von den Apotheken hin zu den selbstdispensierenden Ärzten, wobei aber der Anteil der insgesamt verkauften Arzneimittel an den Gesamtkosten relativ stabil ist.
Wertschöpfung im Gesundheitswesen immer wichtiger
Den Gesundheitskosten steht eine Wertschöpfung gegenüber, deren volkswirtschaftliche Bedeutung steigt und gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten eine stabilisierende Rolle ausübt. Der Wertschöpfungsanteil des Gesundheits- und Sozialwesens am BIP erhöht sich seit 1990 in der Tendenz. Zwar wachsen die Gesundheitsausgaben in Hochkonjunkturphasen (wie z. B. den Jahren 2005 bis 2007) langsamer als das nominelle BIP. In Rezessionsphasen bleibt die wenig konjunkturreagible Nachfrage nach Gesundheitsleistungen dagegen stabil, so dass der Wertschöpfungsanteil des Gesundheitswesens ansteigt. Dies konnte beispielsweise während der ersten Hälfte der Neunzigerjahre beobachtet werden und ist auch für die kommenden beiden Jahre wieder zu erwarten. Langfristig entwickelt sich damit das Gesundheitswesen zu einem immer wichtigeren Wirtschaftszweig innerhalb der Schweizer Wirtschaft. (kof/mc/ps)