Kommentar: UBS, die uneinsichtige Patientin

Von Helmuth Fuchs


Die UBS verhält sich weiterhin wie die von ihr immer wieder zur Erklärung unerklärlicher Verhaltensweisen vorgeschobenen amerikanischen Mitbewerber. Obschon sie offenbar nicht in der Lage ist, die sechs Milliarden Franken für ihren Anteil an der Zweckgesellschaft zur Abwicklung ihrer illiquiden Aktiven beizusteuern (hier musste der Bund einspringen), sieht sich VR-Präsident Peter Kurer nicht in der Lage, die exzessiven Bonuszahlungen zu stoppen. Zwar werden Reduktionen angekündigt, nach Zahlungen von 12 Milliarden im verlustreichen 2007 sollen es aber gemäss dem «Sonntag» auch im nächsten Frühling immer noch 7 Milliarden Franken sein.


Manager statt Unternehmer
Obschon sich die Bankenleiter gerne mit aus dem Vokabular der Unternehmer bedienen und vom eigenen Risiko sprechen, von Leistungs-Entlöhnung und dem harten Wettbewerb, zeigt die Wirklichkeit ein völlig anderes Bild. Während ein Unternehmer in schwierigen Zeiten zuerst seinen eigenen Verdienst und denjenigen der Kader kürzt, um das Unternehmen zu retten, gewähren sich die Kader der Bank völlig unbesehen der Misere ihres Unternehmens weiterhin satte «Erfolgsprämien» (Vergünstigungen mit Pensionskassenplänen, Firmenwagen etc. nicht berücksichtigt).


Das Management als Teil des Problems statt Teil der Lösung
Dass weder Peter Kurer als VR-Präsident noch Marcel Rohner als CEO hier radikal durchgreifen, hat im Wesentlichen damit zu tun, dass beide «über die Jahre gereifte Produkte» der UBS sind. Sie sind in einem System gross geworden, an dessen Spitze sie genau das repräsentiert, was dieses System ausmacht, im Guten wie im Schlechten. Sie haben die Kultur mitgeprägt und von ihr profitiert, wie sollten sie jetzt glaubwürdig eine Kehrtwende durchsetzen können? Die Ausrede, dass zum Beispiel die Boni vertraglich zugesichert seien, greift zu kurz. In Notsituationen müssen einzelne Verträge angepasst werden können zur Rettung des Unternehmens.


«Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral»
Bertolt Brecht hat es unzimperlich auf den Punkt gebracht. Und obwohl dieses Verhalten im freien Wettbewerb auch Vorteile hat, vergiftet es in der Art, wie wir es momentan im Fall der UBS beobachten können, das Klima nachhaltig. Hierin liegt auch die schwerste Niederlage der UBS. Dadurch, dass sie nicht in der Lage ist, auch moralisch adäquat zu handeln, zerstört sie das Vertauensverhältnis zum eigenen Unternehmen und zum Finanzplatz Schweiz.


Undenkbares muss denkbar werden
Mit ihrem Handeln provoziert die UBS auch bis anhin kaum denkbare Szenarien. Braucht die Schweiz zwei Grossbanken, auch wenn aktuell eine davon den gesamten Finanzplatz Schweiz gefährdet? Könnte als Alternative nicht die PostFinance, mit einer Bankenlizenz ausgestattet, für die Zukunft unbelastet in die Rolle der zweiten Grossbank wachsen? Wieso müssen Investment Manager und Hedge Fonds Manager in der Globalisierung exorbitante Gehälter einiger weniger Marktplätze übernehmen? Was im IT-Bereich schon lange funktioniert (Outsourcing dorthin, wo das Preis-Leistungsverhältnis am attraktivsten ist), kann auch für Banken ein Weg sein. Kann die Schweiz nicht als «Fair-Lohnland» mit bestens ausgebildeten Ressourcen das zukünftige Zentrum des «moralisch nachhaltigen Bankings» sein?


Banking is essential, banks are not
Was vor Monaten noch als Neid-Diskussion gewertet werden konnte, hat heute eine reale Qualität der Dringlichkeit gewonnen durch das uneinsichtige und unverständliche Agieren der UBS. Wollen wir ein Unternehmen retten, das nicht willens ist, sich fundamentale moralische Aspekte des Handelns zu eigen zu machen? Ein Unternehmen, dessen Spitze kaum Einsicht in und noch weniger Taten gegen Missstände erkennen lässt. Wenn Kunden in Scharen davonlaufen (Geldrückzüge von mehr als 80 Milliarden Franken alleine im laufenden Jahr) und wenig dafür getan wird, das Vertrauen in das Unternehmen wieder aufzubauen, sind 60 Milliarden an Zuschüssen eine schlichte Verschwendung. Da wäre es sinnvoller, das Geld für die Unterstützung von Firmen zu verwenden, welche den UBS Mitarbeitern zu neuen Anstellungen und Perspektiven verhelfen. Oder wie es die Amerikaner pointiert formulieren: Banking is essential, banks are not.

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