«Da ist in London klar eine Lobby, die einen Wettbewerbsvorteil mit Zähnen und Klauen verteidigen will», sagte Steinbrück dem Hamburger Magazin «Stern». Zwischen den USA und Europäern wachsen nach einem Bericht des «Wall Street Journal» unterdessen die Meinungsverschiedenheiten, wie die Banken künftig krisensicherer gemacht werden sollen. Die Europäische Union erzielte derweil Fortschritte in Richtung einer strengeren Finanzaufsicht.
Steinbrück will Spielregeln nachhaltig ändern
Steinbrück zeigte sich trotz seiner Kritik zuversichtlich, dass die G20 bei ihrem Treffen an diesem Donnerstag und Freitag in Pittsburgh Fortschritte erzielen. «Politik ist manchmal wie eine Lokomotive, die nur langsam in Fahrt kommt, dann aber zunehmend Anhänger zieht.» Der Finanzminister kündigte an: «Wir werden die Spielregeln auf den Finanzmärkten nachhaltig ändern.» Die Erfahrungen des vergangenen Jahres wolle er nie wieder machen. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm betonte in Berlin, für die Bundesregierung sei es bei den Vorbereitungen des Gipfels darum gegangen, dass die Regulierung der Finanzmärkte im Mittelpunkt der Konferenz bleibe. Dies sei gelungen, sagte er.
Pläne für bessere Finanzaufsicht
In der Europäischen Union liegen unmittelbar vor dem G20-Treffen nun konkrete Pläne für eine bessere grenzüberschreitende Finanzaufsicht auf dem Tisch. Banken und andere Finanzdienstleister in der EU sollen nach dem Willen der EU-Kommission künftig streng und einheitlich kontrolliert werden. Ab 2010 soll es drei EU-Behörden für die Kontrolle des Bankwesens, des Wertpapierhandels und der Versicherungen geben. Zudem soll ein «Europäischer Rat für Systemrisiken» geschaffen werden: Er soll rechtzeitig Gefahren für das Finanzsystem als Ganzes erkennen.
Konflikt um Kapitalausstattung der Banken
Nach dem Bericht des «Wall Street Journal» verschärft sich indes zwischen den USA und Europäern der Konflikt um die Frage, mit wieviel Kapital Banken künftig ausgestattet sein sollen, um gegen Verluste gewappnet zu sein. Zwar gebe es einen Konsens, dass es mehr sein müsse als bisher. Vor allem Deutschen und Franzosen fürchteten aber Wettbewerbsnachteile, weil europäische Banken nach den Vorstellungen der USA ihr Kapital deutlich stärker erhöhen müssten als amerikanische Geldhäuser, schreibt die Zeitung weiter.
In Pittsburgh kommen die Staats- und Regierungschefs der G20, zu denen auch aufstrebende Volkswirtschaften wie China, Indien und Brasilien zählen, zum dritten Mal binnen eines Jahres zusammen, um Strategien im Kampf gegen die Finanzkrise zu beraten.
Bonuszahlungen im Fokus
Im Mittelpunkt des Treffens in der ehemaligen Stahlstadt stehen auch die umstrittenen Bonuszahlungen für Manager. Vor allem die Kontinentaleuropäer wollen, dass Banker weniger Anreize durch Zusatzzahlungen für riskante Finanzoperationen erhalten. Auch die USA setzen sich hier für strengere Regelungen ein, legen den Schwerpunkt ihrer Reformvorstellungen aber auf die Kapitalausstattung der Banken.
Als weiterer Konfliktpunkt gilt das Gewicht, das aufstrebende Wirtschaftsmächte wie China oder Brasilien künftig in globalen Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds oder der Weltbank haben sollen. Während Washington eine stärkere Rolle der Schwellenländer fordert, sind die Europäer hier zurückhaltend, weil ihnen dadurch ein Verlust an Einfluss droht.
Weltwirtschaft fasst wieder Tritt
Eine wichtige Rolle werden in Pittburgh auch die Strategien der Länder spielen, den Ausstieg aus ihren milliardenschweren Hilfsprogrammen für Finanzbranche und Wirtschaft vorzubereiten. Gut ein Jahr nach dem spektakulären Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers fasst die Weltwirtschaft wieder Tritt. Deutschland, Frankreich und Japan sind aus der schwersten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg heraus, und auch die Vereinigten Staaten sehen sich wieder auf dem Weg der Erholung.
Auslöser der Krise waren hochriskante Spekulationen auf Schrott- Hypotheken in den USA. Dem war ein jahrelanger rasanter Immobilien- Boom vorausgegangen, befeuert von billigem Geld. Als die Blase im vergangenen Jahr platzte, drohte dem globalen Finanzsystem die Katastrophe. Die Weltwirtschaft stürzte ab.
Vorbereitung des Weltklimagipfels
Thema wird in Pittsburgh ausserdem die Vorbereitung des Weltklimagipfels im Dezember in Kopenhagen sein. Den Grossteil der Treibhausgase, die zur gefährlichen Erderwärmung beitragen, produzieren die G20. Ein UN-Klimagipfel in New York hatte am Dienstag kaum Fortschritte im Kampf gegen die gefährliche Erderwärmung gebracht. Zwar sagten Staats- und Regierungschefs zu, ihre Länder wollten den Ausstoss von Treibhausgasen verringern. Neue konkrete Zusagen blieben aber die Ausnahme. (awp/mc/pg/24)