Nach der deftigen Gewinn- und Umsatzwarnung von Kudelski stürzt die Aktie ab. Die Analysten sind masslos enttäuscht. Die Situation in Europa sei schlimmer als befürchtet, sagt Firmenchef André Kudelski.
Von Mark Baer
(Foto: Keystone)
Die Aktien des Westschweizer Technologiekonzerns Kudelski befinden sich im Sturzflug. Zu Handelsbeginn brachen die Papiere zeitweise über 40 Prozent ein. Bei einem Rekordumsatz von über 2 Millionen Stück pendelt sich der Verlust der Kudelski-Aktie vor dem Mittag bei einem Minus von 36 Prozent ein. «Oh weh, da werden sich die Leerverkäufer wieder einmal kräftig die Hände reiben und die treuen Anteilseigner stehen im Regen», bringt es die Bank Wegelin in ihrem Kommentar auf den Punkt. Die Bank Julius Bär senkt das Rating für die Kudelski-Aktie von «Strong Buy» auf «Hold». Auch die Banque Pictet stuft Kudelski von «Kaufen» neu auf «Reduzieren» herunter.
Kudelski bestätigt «Worst-Case»-SzenarioAn einer Telefonkonferenz bestätigte CEO André Kudelski, dass man für das erste Halbjahr evenutell mit einem Reinverlust von 15 bis 20 Millionen Franken rechnen müsse. Zudem käme in den nächsten paar Monaten keine Kapitalerhöhung in Frage. Ein Kudelski-Grosskunde, der sich in finanziellen Schwierigkeiten befinde, habe seine Bestellung auf das nächste Jahr verschoben. «In Europa finden wir eine Situation vor, die weit schlimmer als befürchtet ist», begründete Kudelski seine Gewinn- und Umsatzwarnung. Zudem kündigte André Kudelski umfassende Massnahmen zur Kostenreduktion an. Deren Auswirkungen würden aber erst im nächsten Jahr sichtbar. Details zum Sparprogramm werden anlässlich der Präsentation der Halbjahreszahlen am 12. September bekanntgegeben.
Nach 1000 Beteuerungen die WarnungX-mal hatte André Kudelski beteuert, die Finanzziele zu erreichen. Noch Ende Juli sprach er trotz des Börsengewitters von einer «packenden und verheissungsvollen Periode». Am Dienstagabend, 29. August, nun sah sich der Patron des Unternehmens zu einer Gewinn- und Umsatzwarnung gezwungen. Der Gewinn für das Jahr 2002 wurde von André Kudelski vor der Warnung auf 120 bis 130 Millionen Franken veranschlagt. Dieses Ziel könne keinesfalls erreicht werden: Die neue Vorgabe von André Kudelski lautet nun noch 5 bis 25 Millionen Franken. Das Plansoll beim Umsatz wurde von 600 bis 700 Millionen Franken auf noch mickrige 400 bis 450 Millionen Franken nach unten korrigiert. Als besonders schwach bezeichnet der Technologiekonzern den Verkaufsverlauf im digitalen TV-Markt. Kudelski will die Strategie in diesem Bereich überdenken.
Die Enttäuschung der AnalystenDie Gewinnwarnung sei für ihn nicht überraschend, jedoch das Ausmass, zudem seien die Rückstellungen für zweifelhafte Debitoren noch nicht bekannt, meinte der zuständige Analyst der Banque Cantonale Vaudoise in einem Kommentar. Vor allem die Glaubwürdigkeit der Gesellschaft habe denn auch gelitten, so der Analyst, und auch der Mangel an Visibilität sei für die Aktie sicher ein negativer Faktor. Der Kudelski-Analyst von Merrill Lynch behält seine «Neutral»-Einstufung bei, obwohl er die Schätzungen «drastisch» senken werde. Drei Gründe würden dafür sprechen: Erstens sei im gegenwärtige Aktienkurs das «Worst Case»-Langfrist-Szenario eingepreist; zweitens erwarte man eine Erholung über den 12-Monatshorizont und drittens habe Kudelski eine starke Bilanz mit einer Netto-Liquidität von 400 Mio. Franken und eine gute Technologie. An eine Erholung im europäischen Geschäft glaubt die ZKB nicht vor dem ersten Halbjahr 2003. Der massive Druck auf die Kudelski-Papiere überrascht Daniele Tedesco von der Zürcher Kantonalbank «aufgrund des deutlichen Vertrauensverlusts in das Management» nicht.