Kunsthaus Zürich: Carola Giedion-Welcker und die Moderne
1929 organisierte Carola Giedion-Welcker zusammen mit ihrem Mann, dem Historiker Sigfried Giedion, die Ausstellung «Abstrakte und surrealistische Malerei und Plastik» im Kunsthaus Zürich. In einer Accrochage mit rund 35 Werken aus Malerei, Skulptur und Grafik, Fotos und Briefen wird ihr Beitrag für die Moderne gewürdigt.
Biografie zwischen Künstlern, Literaten und Architekten
Carola Giedion-Welcker ist 1893 in Köln geboren. Sie studierte in München beim einflussreichen Kunsthistoriker Heinrich Wölfflin und promovierte 1922 bei Paul Clemen in Bonn. In einem Wölfflin-Seminar lernte sie ihren zukünftigen Ehemann Sigfried Giedion kennen. Beide waren früh mit Grössen der internationalen Kulturszene vernetzt. Schon im Anwesenheitsbuch des kunsthistorischen Instituts der Universität Bonn von 1913 stehen die Unterschriften von Carola Welcker und Max Ernst nebeneinander.
1923 machte das Ehepaar Giedion Bekanntschaft mit László Moholy-Nagy, der ihnen ein Jahr später Hans Arp vorstellte. Arp brachte Carola die Literatur von Lautréamont, Rimbaud und Jarry näher und führte sie 1925 in die grosse Surrealisten-Ausstellung in Paris ein. Er arrangierte eine Begegnung mit Piet Mondrian und öffnete ihr das Tor zu Constantin Brancusi, den sie 1928 in seinem Atelier aufsuchte und dem sie später eine Monographie widmen sollte.
1925 zog das Ehepaar Giedion nach Zürich. Ab 1926 bis zum Tode von Carola Giedion-Welcker im Jahre 1979 war ihr Heim Treffpunkt für die internationale Moderne. Kurt Schwitters, Hans Arp, Max Ernst und der grosse irische Schriftsteller James Joyce zählten zu den regelmässigen Gästen. Und als Generalsekretär des «Congrès international de l’architecture moderne» empfing Sigfried Giedion zwischen 1928 und 1956 prominente Architekten wie Marcel Breuer, Walter Gropius und Le Corbusier.
Verdienste um Kunst und Menschen
1929 organisierten die Giedions im Kunsthaus Zürich die Ausstellung «Abstrakte und surrealistische Malerei und Plastik» mit rund 150 Werken, von denen zahlreiche Exponate erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Ende der 1930er verhalf Carola Giedion-Welcker James Joyce und seiner Familie, den Krieg im Exil in Zürich zu überstehen, während Sigfried Giedion an der Harvard University eine Dozentur annahm.
Dass Carola Giedion-Welcker eine tatkräftige Förderin von Künstlern und Literaten war, kommt auch in Dokumenten ihrer Zeitgenossen zum Ausdruck: «Ich bin gerührt über Ihre Worte in der Weltwoche vom 18.3.» schrieb Kurt Schwitters in einem Brief an sie 1947. «Bin ich wirklich all das? Den Tatsachen nach muss ich es sein. Ich schrieb Miss Mille vom Museum of Modern Art, dass das das Beste ist, was je über mich geschrieben worden ist. [?] Haben Sie Kunstgeschichte richtig studiert? Ich weiss sonst nicht, woher Sie all Ihre Kenntnisse nehmen, noch Ihr Herz, sie richtig zu verteilen.»
Von 1960 bis 1970 wirkte Carola Giedion-Welcker in der Sammlungskommission der Zürcher Kunstgesellschaft. In dieser Zeit wurden Werke von Max Ernst, Kurt Schwitters, Fernand Léger, Le Corbusier, Henri Laurens, Henry Moore und Eduardo Chillida angeschafft, was sich rückblickend als weitsichtig herausstellt. Mit der «Auszeichnung für Verdienste um das kulturelle Schaffen in der Stadt Zürich » wurde Giedion-Welcker 1977 die Anerkennung für ihr Lebenswerk zuteil.
Zeugnisse aus Berühmten Nachlässen
Für die Ausstellung im Kunsthaus Zürich hat Gast-Kuratorin Cathérine Hug selten gezeigte Kunst aus Privatsammlungen sowie Briefe und Fotografien aus Archiven und dem Nachlass von Carola und Sigfried Giedion-Welcker zusammengetragen. Mit der Präsentation dieser Leihgaben, eingebettet in Skulpturen, Gemälde und Grafiken aus jener Zeit, erinnert die Zürcher Kunstgesellschaft an den Beitrag einer engagierten Förderin und Vermittlerin der Modernen Kunst.
Die Sammlung der klassischen Moderne des Kunsthauses und mancher Kunstwissenschaftler verdanken Carola Giedion-Welcker wesentliche Impulse. Ihre Bücher gehören heute zur kunsthistorischen Grundlagenliteratur.