Im Jahr 2003 hat das Kunsthaus Zürich die Arbeiten Erik van Lieshouts entdeckt und seitdem einige für die Sammlung angekauft. Er trat damals zum ersten Mal international in Erscheinung, als er an der Biennale von Venedig an den Pavillon der Niederlande eine aus rohen Holzlatten gezimmerte Hütte anbaute.
Auf der Suche nach Identität
Er legte die Hütte mit billigen Orientteppichen aus, möblierte sie mit selbst gebastelten Pseudo-Rietveld-Stühlen und zeigt das Video «Respect» (2003) – ein multikulturelles Melodrama in den Strassen von Rotterdam. Darin kann der Zuschauer van Lieshout beobachten, wie er unter den marokkanischen Jugendlichen seines Quartiers einen Lover für seinen Bruder sucht. Homosexualität und Machismo-Kultur verbinden sich dabei zu einer ebenso irritierenden und explosiven Mischung wie die mit sorgloser Ungenauigkeit nachgebauten Designmöbel mit den bazarartigen Teppichauslagen. Die Arbeit macht deutlich, dass die Zeiten klar bestimmbarer Identitäten längst vorbei sind. Neben dem Thema Identität spielt in Erik van Lieshouts Werk die Toleranz eine wichtige Rolle. Er rückt Randgruppen ins Zentrum seiner Arbeit und schreckt nicht davor zurück, Tabu-Themen schonungslos und direkt anzusprechen. Seine Werke schockieren und berühren gleichzeitig. Die inhaltlich schwere Kost würzt der Künstler mit einer gehörigen Portion Humor und Selbstironie.
Das Politische ist auch das Private
Eine der im Kunsthaus gezeigten Arbeiten «Rotterdam-Rostock» (2006) entstand im Auftrag der Berlin-Biennale. Sie ist die ironische Antwort van Lieshouts auf die Idee des «Staatskünstlers». Die Kamera begleitet ihn (der meist selber die Hauptrolle in seinen Videos spielt) auf einer Reise quer durch Deutschland. Der Zuschauer wird Zeuge, wie ihm ältere Bürger offen ihre Sympathie für die Nazis bekunden oder einige jüngere gar deren Arbeit weiterführen wollen. Doch solche beklemmenden Momente wechseln sich mit slapstickartigen Anekdoten aus dem Leben des Künstlers ab, über die man unweigerlich lachen muss. Das Politische ist bei van Lieshout immer auch das Persönliche und umgekehrt.
Rap und Rassismus
Musik, insbesondere Hip Hop, ist ein typisches Gestaltungsmittel seiner Videos – sei es als Soundtrack, rhythmisches Element oder auf inhaltlicher Ebene. Für die 2001 entstandene Arbeit «Lariam» reiste er nach Ghana und liess sich das Rappen beibringen. Als Textgrundlage wählte er den Beipackzettel des Anti-Malariamittels Lariam, das sich die lokale Bevölkerung oft nicht leisten kann. Im Video rappt der Künstler die medizinische Beschreibung der Nebenwirkungen in der nicht coolen und nicht globalen und zudem stark gutturalen Sprache der Niederlande. Auch wenn hier die Rassenpolitik in ihrer ganzen Härte in Erscheinung tritt, hat die Szene etwas Urkomisches, das die Spannung erneut in einem befreienden Lachen auflöst.
Das neue Video «PART 1»
Die Ausstellung entsteht in Zusammenarbeit mit den Museen Boijmans van Beuningen, Rotterdam, und der Städtischen Galerie im Lenbachhaus, München. Aufgrund der ortsspezifischen Besonderheiten verwirklicht Lieshout an jeder Station ein anderes Konzept. And der Rückseite des Kunsthaus Zürich steht z.B. in grossen Lettern «Hollywood». Zur Ausstellung ist die erste umfassende Künstlermonografie u.a. mit einem Beitrag von Mirjam Varadinis, die die Ausstellung im Kunsthaus Zürich kuratiert, erschienen. Die Publikation ist als deutsche und englische Ausgabe für CHF 48.- am Kunsthaus-Shop erhältlich. (khz/mc/th)