Kunsthaus Zürich: Fischli-Weiss› «Fragen & Blumen»

Diese Ausstellung bietet den bisher umfassendsten Überblick über das so vielfältige wie hintergründige Werk, das Skulpturen, Fotografien, Filme und Videos einschliesst und sich einfacher Klassifizierung entzieht.


Scheinbar banales wird existentiell
Das Augenmerk von Fischli / Weiss gilt dem Unspektakulären, dem Alltäglichen und scheinbar Banalen. Es ist ein betont unzynischer Blick, der in die Grauzonen unserer aufs Funktionieren angelegte Welt führt. In ihrer ersten gemeinsamen Arbeit, der populär gewordenen «Wurstserie» (1979), kommt bereits der spielerisch experimentelle Zug ihrer Kunst als antiheroisches künstlerisches Programm zum Tragen, das auch den Humor nicht scheut. Es ist eine Kunst, die in den vergangenen Jahrzehnten sowohl ernsthaft zur Diskussion einer Postavantgarde beitrug, wie zugleich auch ein breites Publikum anzusprechen vermochte.







Poesie einer neuen Sichtweise
Die wichtigsten Werkgruppen von Fischli / Weiss sind in dieser Ausstellung vertreten, so etwa die bekannten grossformatigen Fotoserien der «Airports» (1987 – 2006) und der «Blumen und Pilze» (1997 / 98).

Diese sind ihrerseits aus dem Komplex der «Sichtbaren Welt» (1987 – 2000) heraus entstanden, einem Werk, das hier als rund 30 Meter langer Leuchttisch gezeigt wird, auf dem 3´000 Bilder ausgebreitet sind. Es handelt sich um Fotos, welche die Künstler gewissermassen als Übertouristen auf allen «fotogenen» Schauplätzen dieser Welt gesammelt haben.






Welterkundungen
Am Anfang ihrer langen Zusammenarbeit entstanden zwei Filme, «Der geringste Widerstand» (1980 / 81) und «Der rechte Weg» (1982 / 83), in welchen die Künstler als Ratte und Bär verkleidet die Welt erforschen.
Lustig-listiger Forschergeist
In ihnen manifestiert sich schon jener Hang zu Universalismus und listigem Forschergeist, wie er auch in ihrem grossartigen Opus aus hunderten von kleinen, ungebrannten Tonskulpturen «Plötzlich diese Übersicht» (1981) zum Tragen kommt. Eingefangen sind Momente der Weltgeschichte, die mit verschobener Perspektive die ganze Historienschreibung aus dem Lot zu heben scheinen. Dieser Panoramablick auf die Welt ist zugleich subjektiv und überindividuell. «Darf sich die Wahrheit alles erlauben?», heisst denn auch eine der entwaffnenden Fragen aus der von Fischli / Weiss über Jahrzehnte verfolgten Werkgruppe der «Fragen» (1981 – 2003).

Immer wieder setzten sich Peter Fischli und David Weiss mit der Objektwelt auseinander. Es entstand der anhaltend erfolgreiche Film einer Kettenreaktion «Der Lauf der Dinge» (1986 / 87), in welchem sich zielgerichteter Sinn und Absurdität in vollendeter Verschmelzung vor dem gebannten Auge entfalten.


Bereits 1984 – 1987 hatten Fischli / Weiss das tagträumerische Prinzip ihrer Arbeitsweise in «Equilibres – Stiller Nachmittag» in hintersinniger Weise zur Anschauung gebracht. Die ohne Klebestoff spielerisch ineinander gefügten labilen Konstruktionen aus herumliegendem Küchenmaterial – wie etwa eine sich mit Elan aus einer Käseraffel emporschwingende Karotte, in welcher ein keckes Messer steckt – wurden schnell vor einem drohenden Zusammenbruch fotografiert und für die Ewigkeit festgehalten. Nach wohl gründlicher Kontemplation erhielten diese Kreationen zu ihrer Vollendung dann so tiefgründige Titel wie «Der internationale Stil» oder «Natürliche Grazie» oder «Ein sich ausdehnendes Universum».


Imitation und Täuschung
Auf diese Weise behalten denn auch viele ihrer zuweilen gekneteten, geschnitzten und gegossenen Skulpturen das «Klassische» im Auge, auch wenn sie aus ungewöhnlich «gewöhnlichem» Material gebildet sind. Sie erproben etwa die beängstigende Transformationskraft von schwarzem Gummi oder aber sie inszenierten Täuschungsmanöver anhand von in Polyurethan geschnitzten Imitationen von Werkzeugen, Flaschen und Utensilien. Fischli / Weiss rücken vor den ungläubigen Augen der Besucher den sonst verborgenen Alltag des Museums überraschend ins Zentrum. Die imitierten Alltagsobjekte erscheinen in der feierlichen Abgehobenheit einer Ausstellung so als «umgekehrte Readymades».


Der neue Blick
Demgegenüber lenken andere Werkgruppen den Blick ganz gezielt auf das unspektakulär Verdrängte, ja im buchstäblichen Sinne auf das Unterirdische im kollektiven Bewusstsein. Denn während wir in «Kanalvideo» (1992) die hypnotische Sogkraft und die psychedelische Aura des Filmbildes bewundern mögen, müssen wir uns bald eingestehen, eigentlich bloss einer Kamerafahrt durch das Zürcher Abwassersystem beizuwohnen.


«détournements»
In ihrem ausgeprägten Interesse für kollektive Wunsch- und Angstvorstellungen sind Peter Fischli und David Weiss in den anonymen Bemalungen von Jahrmarktbuden auf ein gigantisches Bildarchiv gestossen. In «Fotografías» (2004 / 05) lässt sich einmal mehr die unnachahmliche Fischli / Weiss’sche Präzision im Einsatz der formalen Mittel ablesen. Die einst bunt wuchernden Bildwelten erscheinen nun in eine postapokalyptische Grisaille getüncht und zu düster konzentrierten, kleinen Ikonen unseres gemeinsamen grossen Unbewussten geronnen. So operiert das Werk von Peter Fischli und David Weiss mit der Überraschung, mit der Technik des «détournements» und räumt dabei auch dem Staunen Platz ein, gleichsam als Gegengift zu einer «entzauberten Welt». (khz/mc/th)


Die Ausstellung wurde von Bice Curiger gemeinsam mit Vicente Todoli von der Tate Modern, London, kuratiert.

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