Kunstmuseum Basel: Jasper Johns – An Allegory of Painting
Der 1930 geborene Amerikaner lebt heute vor allem in Connecticut und unterhält eine langjährige freundschaftliche Beziehung mit dem Kunstmuseum Basel.
Das Frühwerk und seine zentrale Bedeutung
Die exklusiv in Europa gezeigte Ausstellung konzentriert sich auf das wegweisende Frühwerk von Jasper Johns, das Mitte der 50er Jahre einsetzte, u.a. mit dem berühmten Werk «Zielscheibe mit vier Gesichtern» aus dem Museum of Modern Art, New York. Johns benutzte zeichenhafte Elemente der Populärkultur wie eine Zielscheibe oder die amerikanische Flagge, um sie sozusagen als Ready-Mades in gestische Malerei umzusetzen: «Es sind Dinge, die in unserer Vorstellungskraft bereits existieren. Das gibt mir die Freiheit, auf anderen Ebenen zu arbeiten.» (Johns)
Jasper Johns Target. 1961, StefanT. Edlis Collection.
Der Beginn eines ganz neuen Weges
Johns bahnte sich mit seiner Malerei einen neuen Weg, dies in Distanz zur ungegenständlichen Absolutheit des damals vorherrschenden Abstrakten Expressionismus, die den Betrachter in Riesenformaten emotional überwältigte. Ebenso entwickelte er neue Bildtechniken. Nicht nur das Prinzip der Collage kam beispielsweise mit Zeitungsfragmenten zum Zug, sondern auch eine Mischung aus flüssigem Wachs und Farbe, die sogenannte «Enkaustik», die der Maloberfläche einerseits eine gewisse Transparenz verschafft, andererseits eine hautähnliche Kompaktheit. Ausserdem montierte er auf unmittelbare Weise reale Objekte, vor allem Relikte des Malprozesses wie eine Farbdose oder einen Massstab, auf die Leinwand und schuf so eine vieldeutige Beziehung zwischen dem fiktiven Raum der Kunst und der materiellen Gebrauchswelt. Dazu der Künstler: «Meine Verwendung von Gegenständen hat ihren Ursprung in der Auffassung, dass ein Gemälde ein Gegenstand ist und die materialistische Seite der Malerei in Betracht zieht: in der Einsicht, dass das Gemälde Farbe auf Leinwand ist, dass sie einen Raum einnimmt und an der Wand hängt und dergleichen mehr, und schliesslich in der Frage, ob diese Elemente für das, was ich tat, notwendig erschienen.»
«Sein Werk war nicht nur entscheidend für die Entstehung der Pop Art, sondern auch für manch andere Neuerung in der Kunst.»
Die Ausstellung ist keine Retrospektive des Frühwerkes, sondern zeigt in Form von Gemälden, Zeichnungen und Druckgrafiken vier exemplarisch ausgewählte Grundmotive, ihre Variation, insbesondere aber ihr freies, geradezu erzählerisches Ineinandergreifen über die Dauer von zehn Jahren. Das vielverzweigte Bezugsfeld nimmt seinen Anfang in der signalartigen Zielscheibe, die das Potenzial der folgenden Motivbereiche in sich trägt: die Präsenz von mechanischen Hilfsmitteln zur Bildherstellung, so einer drehbaren Holzleiste, die zirkelartig kreisrunde Konturen zieht, aber auch zum gleichmässigen Verstreichen von Farbe eingesetzt wird («Device»); die Nennung in Schablonenschrift der Grundfarben Rot, Gelb, Blau und ihre nicht unbedingt damit korrespondierende Verwendung; sowie der eigene Körperabdruck, beispielsweise der Hände oder des Gesichtes.
Die Mittel des künstlerischen Aktes an sich ins Zentrum gerückt
Die konzentrischen Kreise der Zielscheibenbilder sprechen sowohl Figuratives als auch Abstraktes an, meiden aber hypnotisch jede Zuordnung. Dabei beschäftigt sich Johns weniger, wie später die Pop Art, mit der endlos reproduzierbaren Wirklichkeit der Massenkultur, als vielmehr mit den Mitteln des künstlerischen Aktes selbst, auf allegorische Weise mit den neuen Bedingungen der Malerei, die auch zeichnerisch und druckgrafisch weiterentwickelt werden. Sein Werk vereint skeptische Distanz mit intuitivem Geschehenlassen, konzeptuelle Schärfe mit malerischem Zauber. Diese polaren Spannungsmomente prägen sein bahnbrechendes Schaffen des ersten Jahrzehnts, das bei aller Direktheit doch unergründlich bleibt.
Noch nie wurde die zentrale Bedeutung des prozesshaften Weiterentwickelns bestimmter Grundmotive in der Kunst von Jasper Johns so deutlich und auf solch unmittelbare Weise nachvollziehbar. Die zuvor in der National Gallery of Art, Washington gezeigte Ausstellung präsentiert exklusiv in Europa rund siebzig zentrale Leihgaben von Museen und Privatsammlungen aus den USA und Europa.
Jasper Johns und das Kunstmuseum Basel
Bereits 1967 kamen druckgrafische Werke von Jasper Johns in das Kupferstichkabinett des Kunstmuseums Basel, 1970 gelang dem damaligen Direktor, Franz Meyer, ein erster wichtiger Ankauf eines Gemäldes, «Figure 2» aus dem Jahr 1962. Mit zahlreichen druckgrafischen Werken und weiteren Ankäufen von Gemälden wie «Voice 2» und «Céline» konnte die Sammlung im Kunstmuseum Basel kontinuierlich ausgebaut werden. Um aus der Gruppe der angekauften Bilder ein gültiges Ensemble zu machen, übergab der Künstler 1980 dem Museum zwei zentrale Bilder als Deposita, «Flag Above White with Collage» von 1955 und «Out the Window Number 2» von 1962. Die beiden Gemälde schenkte Jasper Johns 1994 in memoriam Christian Geelhaar, der als Nachfolger von Franz Meyer von 1981 bis 1991 die Direktion innehatte und einen engen Dialog mit dem Künstler unterhielt. Mit dem Frühwerk «Construction With Toy Piano», 1954, und «The Bath» von 1988 konnte Geelhaar die Johns-Sammlung weiter ausbauen.
Katalog
Jasper Johns. An Allegory of Painting, 1955 – 1965, Prestel Verlag, München, Beiträge von John Elderfield, Carol Mancusi-Ungaro, Robert Morris und Kathryn A. Tuma und Jeffrey Weiss, 276 Seiten, zahlreiche Abbildungen, CHF 60.-