Kunstmuseum Bern: Ernst Kreidolf

Ernst Kreidolf (1863?1956) ist nicht nur in der Schweiz als Schöpfer erfolgreicher und bis heute beliebter Bilderbücher wie «Die Wiesenzwerge» oder «Ein Wintermärchen» bekannt. Doch die Popularität des Bilderbuchillustrators überschattet hartnäckig die Tatsache, dass Ernst Kreidolf zuerst einmal Maler und Zeichner war und sich zeitlebens als solcher verstand. Die Ausstellung «Ernst Kreidolf und seine Malerfreunde» rückt daher das malerische Werk des Künstlers in den Mittelpunkt und veranschaulicht dessen Entwicklung und Stellung innerhalb der Kunstströmungen jener Jahre.


Die Ausstellung wählt einen bisher wenig begangenen Weg der Annäherung an den Künstler und eine weiter gefasste Betrachtungsweise. Der Titel «Ernst Kreidolf und seine Malerfreunde» weist die Richtung. Dabei gerät zunächst Kreidolfs langjährige Wahlheimat ins Blickfeld, die Kunststadt München, in der er von 1887 bis 1889 und von 1895 bis 1919 lebte. Die Stadt war zur Zeit der Jahrhundertwende eine Kunstmetropole von internationalem Rang, die auch zahlreiche Schweizer Künstler anzog. Das Bedürfnis nach Zusammenhalt in der Fremde liess eine lebendige eidgenössische Szene entstehen, in der man sich trotz des zum Teil konträren Kunststrebens intensiv austauschte. Man schenkte und widmete sich gegenseitig Graphiken und Gemälde, griff aber auch gleiche Themen auf, wobei die verbindenden formalen und inhaltlichen Aspekte oft erst bei genauem Hinschauen zu Tage treten.



 


Zu Ernst Kreidolfs Freunden und Bekannten jener Münchner Jahre zählten so bekannte Künstler wie Albert Welti, mit dem ihn bis zu dessen frühen Tod eine enge Freundschaft verband, aber auch Cuno Amiet und Paul Klee. Doch auch heute weniger geläufige Namen wie Wilhelm Balmer oder Eduard Zimmermann dürfen bei einer derartigen Rückschau ebenso wenig fehlen wie Kreidolfs Kollegen vom Kinderbuch-Projekt «Buntscheck», die Maler Konrad Ferdinand Edmund von Freyhold, Karl Hofer und Emil Rudolf Weiss. Später kamen noch Gustav Gamper und Hermann Hesse hinzu. Der grosse Dichter wurde von Kreidolf bei einem gemeinsamen Malausflug in die Kunst des Aquarellierens eingewiesen.


Zweifellos blieben diese künstlerischen Verbindungen nicht ohne Einfluss auf den Maler und Zeichner Ernst Kreidolf. Eine Untersuchung der Entwicklung seines Werks gibt Einblick in seine konzeptuelle und malerische Auseinandersetzung mit Vorbildern, allen voran Arnold Böcklin, lässt aber auch Parallelen zum Oeuvre des Freundes Albert Welti aufscheinen. Es wird deutlich, dass Kreidolfs Bilder – und hier besteht eine evidente Verbindung zu seinen Bilderbüchern – in der Welt des Märchens und des Traumes wurzeln und damit zugleich an Urthemen der Menschheit rühren. Was auf den oberflächlichen Blick nachromantisch und unzeitgemäss anmutet, erweist sich bei genauem Hinsehen als Weg nach innen, der an die Tiefen des Unbewussten rührt und die Verlässlichkeit der Welt leise, aber nachdrücklich in Frage stellt. Es war diese Art von Kunst, die den Boden für Neues bereitete und wichtig für die Entstehung des Surrealismus wurde.


Es ist das Ziel dieser Ausstellung, das Werk von Ernst Kreidolf in einen grösseren, umfassenderen Zusammenhang zu stellen und damit neu zu sehen und zu bewerten. Diesem Ansatz folgt auch die Auswahl der Werke, die die oben genannten zwischenmenschlichen Beziehungen sowie künstlerische Korrespondenzen aufzeigen wollen und daher explizit keine Retrospektive des Kreidolfschen Werks darstellen. So spürt die Ausstellung nicht nur dem facettenreichen Maler und Zeichner Ernst Kreidolf, seinen künstlerischen Wurzeln und seinen vielfältigen Beziehungen vor allem zu zeitgenössischen Künstlern, aber auch zu Literaten nach, sondern zeichnet zugleich ein lebendiges Bild einer Generation im Um- und Aufbruch. (kmb/mc/th)

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