Von Bob Buchheit
Moneycab: Herr Rohrbach, 60% des BKW-Stroms stammt aus Atomkraft. 2020 ist wahrscheinlich Konzessionsende beim Nuklearkraftwerk Mühleberg, das seit Inbetriebnahme stolze 100’000 GigaWattStunden Strom produziert hat. Haben Sie Bedenken, dass der Neubau nicht genehmigt werden könnte?
Kurt Rohrbach: Wir sind zuversichtlich, dass unser Projekt für ein Ersatzkernkraftwerk in Mühleberg, das sogenannte EKKM, bei der Bevölkerung auf Akzeptanz stösst. Die Anfang 2011 stattfindende kantonale Konsultativabstimmung zu den Rahmenbewilligungsgesuchen wird für uns ein Test mit Signalwirkung sein. Die Realisierung des EKKM ist aber nicht nur für die BKW, sondern auch für die Volkswirtschaft des Kantons Bern von grosser Bedeutung, können dadurch doch eine bedeutende Wertschöpfung generiert, zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen und Steuereinnahmen erzielt werden.
«Unser Reingewinn hängt zu einem beträchtlichen Teil von der Entwicklung der Finanzmärkte ab. Die staatlichen Stilllegungs- und Entsorgungsfonds konnten im vergangenen Jahr Kursgewinne verzeichnen.» Kurt Rohrbach, CEO BKW FMB Energie AG
Nach einem stufenweisen Rückgang des Reingewinns seit 2006 gelang 2009 mit einer Steigerung von 139 Mio. CHF auf 298 Mio. CHF ein beeindruckender Turnaround. Wie bei vielen anderen Versorgeraktien fiel aber der Aktienkurs der BKW zurück. Woran liegt das?
Unser Reingewinn hängt zu einem beträchtlichen Teil von der Entwicklung der Finanzmärkte ab. Die staatlichen Stilllegungs- und Entsorgungsfonds konnten im vergangenen Jahr Kursgewinne verzeichnen. Im Gegensatz zur Vorjahresperiode wurde im Jahr 2009 der gute Geschäftsgang des Energiegeschäftes nicht durch ein negatives Finanzergebnis belastet. Den Aktienkurs können wir nicht beeinflussen. Wir stellen aber fest, dass die BKW-Aktie eine ähnliche Performance aufweist wie andere europäische Versorgeraktien.
«Nicht nachvollziehen kann ich hingegen, wenn die Interessengruppen, welche neue erneuerbare Energien fordern, dann die konkreten Projekte bekämpfen. «
Bei 3 Milliarden Franken Gewinnreserven und nochmals einer Milliarde Rückstellungen bekommt man beim Kauf der BKW-Aktie zum jetzigen Börsenkurs das Kraftwerksgeschäft quasi gratis. Ist das nicht eine gefährliche Situation? Sie könnten beispielsweise Ziel einer Übernahme werden.
Unsere Eigenständigkeit ist uns wichtig. Wir wollen sie aufrechterhalten. Bei unserem freefloat ist eine Übernahme sicher kein Thema.
Auch in der Schweiz wollen viele Leute den Fünfer und das Weggli: Umweltfreundlichen Strom, aber ohne Zugeständnisse an Immissionen oder landschaftsästhetischen Veränderungen. Ihre Kraftwerke Oberhasli müssen ein langwieriges Konzessionsverfahren wegen einer Staumauererhöhung am Grimselstausee durchmachen. Beim Windkraftwerk Mont Soleil im Jura sollen bald 16 statt 8 Turbinen umweltfreundlichen Strom produzieren, aber Umweltschützer stören sich zusätzlich am Lärm. Wieviel Frustrationstoleranz muss ein CEO einer Schweizer Elektrizitätsgesellschaft mitbringen?
Es gehört ja zu unserer und meiner täglichen Arbeit, sich mit Herausforderungen auseinander zu setzen. Die BKW steht im Spannungsfeld von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Da gilt es ständig, einen Interessenausgleich herbeizuführen, damit alle drei Elemente möglichst gleichermassen berücksichtigt werden. Zu unseren Vorhaben stehe ich persönlich. Sonst könnte ich sie nicht vertreten.
Im Grossen und Ganzen stossen unsere Projekte auf Akzeptanz. Und es ist verständlich, dass grosse Projekte unterschiedliche Interessengruppen auf den Plan rufen. Nicht nachvollziehen kann ich hingegen, wenn die Interessengruppen, welche neue erneuerbare Energien fordern, dann die konkreten Projekte bekämpfen. Sie sind offensichtlich nicht bereit, bei der Gestaltung der Zukunft auch Verantwortung zu übernehmen.
Die BKW hat letztes Jahr 2% mehr Strom produziert. Sogar um 11% von 5’201 auf 5’768 GWh ging es in Deutschland vorwärts. Da die Schweizer Kapazitäten beschränkt sind, bleibt also nur das Heil im Ausland?
Nach wie vor bestehen auch im Schweizer Markt Wachstumschancen, beispielsweise durch Partnerschaften. Im Wesentlichen besteht aber ein Verdrängungswettbewerb. Unser Auslandengagement ergänzt unsere Tätigkeiten auf dem Heimmarkt und sichert unsere Position in der Schweiz ab, falls wir in der Schweiz die Nachfrage nicht mehr decken können. Wir werden deshalb unsere bestehenden Zielmärkte halten und weiter bearbeiten. Selbstverständlich werden wir auch andere Märkte beobachten.
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Ist nicht Italien ist von den Preisen her ein sehr lukrativer Markt?
Wir sind schon seit einigen Jahren in Italien präsent und setzen weiterhin auch auf diesen Zielmarkt. Das Marktpotential ist generell interessant. In den letzten Jahren fand denn auch ein starker Ausbau des Kraftwerksparks statt. Aufgrund der schlechten Konjunkturentwicklung sind nun allerdings einige Akteure unter Druck geraten. Diese Situation gilt es sorgfältig zu beobachten.
«Die neuen erneuerbaren Energien aus Wind, Sonne, Kleinwasser und Biomasse, leisten einen wertvollen Beitrag zur Wertschöpfung unseres Unternehmens. Er ist jedoch lediglich ergänzend, da die Kosten im Vergleich zu herkömmlichen Technologien (Kern-, Kohle- und Wasserkraft) noch sehr hoch sind.»
In Italien kostet der Strom doppelt so viel wie in der Schweiz. Wird sich das dank dem Engagement helvetischer Energieversorger ändern?
Die Preisentwicklung ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Beispielsweise, wie bereits dargelegt, von konjunkturellen Schwankungen oder auch von regulatorischen Bedingungen. Das Schweizer Engagement in Italien ist im Vergleich trotz allem recht klein. Dominierend sind nach wie vor italienische Unternehmen wie Enel, Edison, A2A.
In Utzenstorf auf dem ehemaligen Gelände der Papierfabrik Biber, betreibt die BKW bald ein Gas-Kombikraftwerk. Welche Zukunft sehen Sie in dieser Übergangstechnologie?
Die BKW betreibt kein Gas-Kombikraftwerk in Utzenstorf. Wir haben lediglich den Standort gesichert. Es gibt zwar Realisierungspläne, diese werden aber zurzeit nicht weiterverfolgt, weil aufgrund der gegenwärtigen Rahmenbedingungen, insbesondere wegen der CO2-Kompensationsbedingungen, ein wirtschaftlicher Betrieb einer solchen Anlage nicht möglich ist.
Im 2009 gelang eine Umsatzsteigerung von 2,8% auf 3,593 Milliarden Franken. Wie viel wird im Jahr 2020 der Umsatzanteil der BKW an erneuerbaren Energien betragen können?
Die neuen erneuerbaren Energien aus Wind, Sonne, Kleinwasser und Biomasse, leisten einen wertvollen Beitrag zur Wertschöpfung unseres Unternehmens. Er ist jedoch lediglich ergänzend, da die Kosten im Vergleich zu herkömmlichen Technologien (Kern-, Kohle- und Wasserkraft) noch sehr hoch sind. Das wird sich auch noch einige Jahre nicht ändern. Der effektive Beitrag steht auch in Abhängigkeit der realisierten Projekte. Wir haben gegenwärtig um die 200 Projekte in Arbeit. Die aufwändigen Genehmigungs- und Bewilligungsverfahren sowie zahlreiche Einsprachen erschweren und verzögern die Umsetzung.
Gehört die Zukunft auch der dezentralen Energieproduktion?
Die Zukunft wird geprägt sein durch ein Zusammenspiel von dezentraler und Produktion aus Grosskraftwerken. Dezentrale Produktionsanlagen sind in der Summe nicht weniger ressourcen-, flächen- und kapitalintensiv als Grossanlagen, aber das Risiko ist breiter verteilt. Die Produktion ist schwer prognostizierbar, da sie sehr von äusseren, witterungsbedingten Einflüssen abhängt. Es gilt deshalb, Prioritäten zu setzen und nur die wirklich besten Projekte zu realisieren und auch hier «nicht alle Eier in einen Korb zu legen».
Der Gesprächspartner:
Kurt Rohrbach, Elektro-Ingenieur ETH, ist seit 1980 für die BKW tätig. Von 1980 bis 1988 war er Energiewirtschafts- und Projektingenieur und von 1988 – 1982 Leiter der Tarifabteilung. 1992 – 2001 führte er die Energiedirektion und amtete gleichzeitig als Geschäftsleitungsmitglied. Bis Ende 2000 leitete Kurt Rohrbach die Energiedirektion der BKW. 2001 wurde er zum CEO ernannt.
Das Unternehmen:
Die BKW FMB Energie AG (BKW) gehört mit 26 Terawattstunden Energieumsatz und rund 2800 Mitarbeitenden zu den gössten Energieunternehmen der Schweiz. Sie deckt alle Stufen der Energieversorgung ab: von der Produktion über Transport und Handel bis hin zum Vertrieb. BKW liefert in rund 400 Gemeinden einer Million Personen Strom. In sieben eigenen Wasserkraftwerken, im Kernkraftwerk Mühleberg bei Bern sowie in Kern- und Wasserkraftwerken von 18 Partnergesellschaften und mittels Bezugsrechten in Partner-Kernkraftwerken produziert die BKW praktisch CO2-frei Strom. Heute ist die BKW die führende Schweizer Produzentin von Strom aus Fotovoltaik, Windenergie, Kleinwasserkraft und Biomasse.