Kurt Stocker, Partner, Audit, Head Middle Market KPMG
von Patrick Gunti
Herr Stocker, KPMG hat in Zusammenarbeit mit dem Institut für Rechnungswesen und Controlling der Universität Zürich eine Studie zu den Herausforderungen und Trends, denen sich mittelgrosse Schweizer Unternehmen gegenübersehen, erstellt. Was ist unter einer mittelgrossen Unternehmung zu verstehen, welches sind die typischen Charakteristika?
Eine mittelgrosse Unternehmung – wie wir sie in dieser Studie festgelegt haben – ist durch ihren Jahresumsatz definiert, dieser bewegt sich zwischen 50 Millionen und 500 Millionen Schweizer Franken. Eine besondere Stärke von mittelgrossen Unternehmen ist ihre Agilität und Flexibilität, welche dem Unternehmen wichtige Chancen insbesondere in Nischenmärkten eröffnet. Die Studie brachte weitere Charistikas hervor wie zum Beispiel die Geschäftsleitung, die in der Regel aus vier bis sechs Mitgliedern besteht, welche grösstenteils Locals zwischen 41 und 50 Jahren sind.
Die Agilität eines mittelgrossen Unternehmens kann ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein, wenn sich das Unternehmen laufend aktiv mit der eigenen Strategie auseinandersetzt und allfälligen grundlegenden Neuausrichtungen offen begegnet. Wie gross ist diese Bereitschaft?
Eines der wichtigsten Erfolgskriterien ist die ausformulierte Strategie. Gemäss Studie verfügen rund 88 Prozent der Unternehmen über einen konkret definierten, langfristigen strategischen Plan. Rund die Hälfte davon allerdings nur auf oberster Ebene. Dieser strategische Planungsprozess beinhaltet die Analyse des Umfelds und der internen Bereiche. Gemäss Studie sind die Kundenanalyse und die operative Planung in den Unternehmen am meisten verbreitet.
Auf welchen Zeithorizont ist diese strategische Planung der mittleren Unternehmen ausgerichtet?
Der strategische Planungsprozess dauert in der Regel ein bis vier Monate und ist auf eine Zeitspanne von drei bis fünf Jahren angesetzt.
«Der immer noch sehr aktive Markt für Unternehmenstransaktionen bietet ausgezeichnete Möglichkeiten, insbesondere um Markteintritte zu realisieren und organisches Wachstum komplementär zu beschleunigen.» (Kurt Stocker, Partner, Audit, Head Middle Market KPMG)
Wie gross sind die Absatzchancen mittelgrosser Unternehmen im Ausland?
Grundsätzlich muss ein Unternehmen über eine gewisse Grösse verfügen, um im Ausland Fuss fassen zu können. Rund zwei Drittel der untersuchten Unternehmen weisen bereits Absatzaktivitäten im Ausland auf und steigern somit ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit. Unternehmen, die ihre Produkte auch ausserhalb der Schweiz absetzen, sind gemessen an ihrer Bilanzsumme im Durchschnitt grösser, als solche, die ihren Absatz nur in der Schweiz erzielen. Dies wird zusätzlich von der Tatsache untermauert, dass Unternehmen mit Absatzaktivitäten in Asien über die höchsten durchschnittlichen Bilanzsummen, Eigenkapitalwerte und Mitarbeiterbestände verfügen.
Welche Möglichkeiten eröffnen sich mittelgrossen Unternehmen durch den derzeit sehr aktiven Markt an Firmenübernahmen?
Der immer noch sehr aktive Markt für Unternehmenstransaktionen bietet ausgezeichnete Möglichkeiten, insbesondere um Markteintritte zu realisieren und organisches Wachstum komplementär zu beschleunigen. Ferner zeichnet sich aufgrund fehlender Nachfolgeregelungen eine weitere Intensivierung der Aktivitäten im Zusammenhang mit Unternehmenstransaktionen ab. Durch Zu- oder Verkäufe eröffnen sich für viele mittelgrosse Unternehmen eine ausgezeichnete Chance in neue Märkte vorzustossen und die eigene Produktion und die Vertriebskanäle zu optimieren.
Wo Chancen sind, sind auch Risiken. Was hindert mittelgrosse Unternehmen, sich an Unternehmenstransaktionen zu beteiligen?
Die Gründe, weshalb keine Transaktionen getätigt werden, liegen hauptsächlich in der Präferenz zugunsten organischen Wachstums und im Fehlen geeigneter Übernahmeobjekte.
Sie erwarten eine Intensivierung der Unternehmenstransaktionen, da in vielen Firmen die Nachfolgereglung nicht oder zu spät geregelt worden ist und wird. Die fehlende Nachfolgeplanung ist auch bei den KMU ein grosses Problem. Wo orten Sie die Ursache?
Oft wird das Problem der Nachfolgeplanung ganz einfach zu spät angegangen. Das liegt daran, dass der oder die Besitzer Mühe haben, loszulassen oder das eigene älter werden verdrängen. Die fehlende Bereitschaft der Nachkommen zur Übernahme des elterlichen Geschäfts ist ein weiterer Grund, weshalb die Nachfolge nicht oder zu spät geregelt werden kann.
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70 Prozent der befragten Unternehmen verfügen über ein internes Kontrollsystem, 30 Prozent nicht. Ist dies als eher positiver oder eher negativer Wert zu sehen?
Positiv ist, dass rund zwei Drittel der Studienteilnehmer die interne Kontrolle standardisiert haben und dem Aspekt hohe Aufmerksamkeit schenken. Der systematische Umgang mit Risiken ist insbesondere aufgrund der eingeschränkten Risikofähigkeit der mittelgrossen Unternehmen unerlässlich. Die Studie sagt aber auch aus, dass rund ein Drittel der Studienteilnehmer die interne Kontrolle nicht standardisiert haben und dem Aspekt noch wenig Aufmerksamkeit schenken. Trotz der zunehmenden Komplexität des regulatorischen Umfelds scheint ein gewisses Mass an Pragmatismus hilfreich zu sein.
Wie schätzen die mittelgrossen Unternehmen das regulatorische Umfeld hierzulande ein?
Das regulatorische Umfeld ist für mittelgrosse Unternehmen von hoher Bedeutung. Als besonders relevante Einflüsse werden das Aktienrecht, das Interne Kontrollsystem (IKS) zusammen mit dem Risikomanagement sowie die Rechnungslegungsstandards genannt. Die Auswertung zeigt, dass das regulatorische Umfeld die Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit eher erschwert.
«Der systematische Umgang mit Risiken ist insbesondere aufgrund der eingeschränkten Risikofähigkeit der mittelgrossen Unternehmen unerlässlich.» (Kurt Stocker, Partner, Audit, Head Middle Market KPMG)
Welches sind die wichtigsten Ergebnisse der Studie im Hinblick auf die Corporate Governance?
Gemäss Studie besteht der Verwaltungsrat eines mittelgrossen Unternehmens im Schnitt aus 5 Mitgliedern, davon sind zwei exekutiv tätig. In gut einem Viertel der befragten Unternehmen besteht eine Personalunion zwischen Verwaltungsratspräsident und CEO. Auch wenn nicht alle Aspekte der Führung und Kontrolle für mittelgrosse Unternehmen relevant sind – insbesondere wenn sich diese mehrheitlich in Familienbesitz befinden oder nicht kotiert sind – ist eine verantwortungsvolle Unternehmensführung und -überwachung unverzichtbar und zu institutionalisieren.
Nochmals zurück zu den Chancen im Ausland: Verfügen die Angehörigen des Management über genügend Erfahrungen im Ausland?
Trotz des hohen Anteils an Schweizer Mitgliedern in den Geschäftsleitungen sind diese keinesfalls ohne internationale Erfahrung. 43% aller Führungskräfte verfügen über internationale Berufserfahrung von mehr als einem Jahr. Darauf wird bei international orientierten Unternehmen zum Teil explizit Wert gelegt.
Welches Fazit lässt sich ziehen, wie sind die mittelgrossen Unternehmen in der Schweiz für die Zukunft gerüstet?
Die zunehmende Regulierungsdichte, der Drang in neue Märkte vorzustossen, um die kritische Unternehmensgrösse anzustreben, der Druck zur Globalisierung, ein belebter M&A-Markt, Probleme in der Nachfolgeregelung sowie der Aufbau eines adäquaten Risikomanagements sind nur einige Beispiele von Herausforderungen und Trends, welche die mittelgrossen Unternehmen in der Schweiz beschäftigen. Doch im Vergleich zu anderen Ländern sind die mittelgrossen Unternehmen in der Schweiz durchaus auf die Zukunft vorbereitet. Sie sind sowohl innovativ wie auch aktiv als Käufer auf dem weltweiten M&A-Markt tätig, was oft unterschätzt wird.
Herr Stocker, herzlichen für die Beantwortung unserer Fragen.
Zur Studie:
Die Studie beschäftigt sich mit den Herausforderungen und Trends von mittelgrossen Schweizer Unternehmen. Dazu wurde das interessierende Unternehmenssegment, welches einen Umsatz zwischen 50 und 500 Mio. Franken aufweist, mittels eines Fragebogens und strukturierten Interviews analysiert. Basis der Untersuchung bilden 111 auswertbare Fragebogen und 16 ausführliche Interviews mit Geschäftsleitungs- und Verwaltungsratsmitgliedern.
Zum Unternehmen:
KPMG International koordiniert ein globales Netzwerk von Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften, die in den Bereichen Audit, Tax und Advisory branchenorientiert tätig sind. Ziel der Mitgliederfirmen von KPMG International ist es, Wissen in Wert zu wandeln – zum Nutzen ihrer Kunden, ihrer Mitarbeitenden und der Kapitalmärkte. Mit rund 123’000 Mitarbeitenden weltweit erbringen die Mitgliederfirmen in 145 Ländern ihre Dienstleistungen in Audit, Tax und Advisory.
In der Schweiz gehört KPMG mit 1628 Mitarbeitenden an 13 Standorten zu den führenden Anbietern von Audit, Tax und Advisory. Audit zur Schaffung von Transparenz und Vertrauen im Zeichen der Corporate Governance. Tax und Advisory Services für eine erfolgreiche und ganzheitliche Unternehmensführung.
Die Initialen von KPMG stehen für die Gründerväter der Gesellschaft: Piet Klynveld, William Barclay Peat, James Marwick und Reinhard Goerdeler.
Zur Person:
Kurt Stocker ist dipl. Wirtschaftsprüfer, Partner und Leiter des Bereichs Middle Market bei KPMG Schweiz.