von Patrick Gunti
Herr Streit, die Valiant Holding hat im vergangenen Geschäftsjahr die Finanz- und Wirtschaftskrise gut gemeistert und mit einem Gewinn von 148,6 Mio. Franken nur 2,6 % unter dem Rekordergebnis des Vorjahres abgeschlossen. Der Bruttogewinn sank um 5,4 %, das operative Ergebnis verminderte sich um 4,3 %. Wie werten Sie das Resultat?
Das vergangene Jahr war zweifellos ein sehr turbulentes Jahr und hat sämtliche Marktteilnehmer in besonderem Masse gefordert. Dass Valiant auch in dieser überaus anforderungsreichen Zeit ihr für das Jahr 2008 gesetzte, im nachhinein betrachtet äusserst ambitiöse Ziel erreicht hat, ist das Resultat unserer seit der Gründung verfolgten Strategie und unserer bewährten Geschäftspolitik. Das Vertrauen unserer Kunden bildet die Basis für unseren Erfolg.
Die Finanzkrise war und ist das beherrschende Thema. Wie würden Sie das Umfeld beschreiben, in dem sich die Valiant Holding 2008 bewegt hat?
Noch nie waren derart massive Verwerfungen wie im letzten Jahr an den globalen Finanzmärkten zu beobachten. Anfang nahm das ganze Debakel ja schon viel früher; im Herbst 2006 begann der Abschwung des US-Immobilienmarktes; die Auswirkungen waren bald darauf in allen Finanzmärkten spürbar. Mitte September 2008 dann der Konkurs von Lehman Brothers nach Chapter 11, mit der Folge, dass die Börsen weltweit auf Talfahrt gingen. Dieser Zusammenbruch trug massgeblich zur Eskalation der Finanzkrise bei, weil dieser das Misstrauen am Markt weiter verstärkte. Auch in der Schweiz war und ist der Vertrauensverlust gravierend und hat dazu geführt, dass die UBS in eine fundamentale Krise geraten ist: Enorme Mengen an Kundengeldern sind abgeflossen und anderen Instituten mit überschaubaren Geschäftsmodellen zugeflossen. Die Massnahmen der Grossbanken im Sinne der Kundenbindung haben zu einem hohen Margendruck geführt. Schlussendlich hat der Börsencrash insbesondere der Wertverlust der Finanztitel zu einem Einbruch im Vermögensverwaltungsgeschäft geführt. Trotz dieses schwierigen Umfelds, hat die Valiant im 2008 ein ausgezeichnetes Ergebnis erwirtschaftet.
Valiant hat stark vom Vertrauensverlust in die Grossbanken profitiert und einen grossen Neugeldzufluss von 1,4 Mrd. Franken verzeichnet. Der Vermögenstransfer konnte zwar erwartet werden, wie sehr hat Sie aber das Ausmass überrascht und mit welcher Entwicklung rechnen Sie in dieser Beziehung im laufenden Jahr?
Überraschend ist vor allem der Image-Crash der UBS. Die Verschiebung der Kundengelder ist wohl eher eine Parallelität zur Vertrauenskrise, die in der Schweiz stattgefunden hat. Wir verzeichnen zwar einen starken Neugeldzufluss, aber das Tempo hat sich mittlerweile wieder normalisiert. Darüberhinaus haben wir uns nie falsche Vorstellungen gemacht. So ist klar, dass einige der vergangenen Neuzuflüsse vorübergehende Platzierungen sind. Entscheidend ist jetzt, die neugewonnen Kunden bedürfnisgerecht zu betreuen und ihr Vertrauen langfristig zu behalten.
«…Darüberhinaus haben wir uns nie falsche Vorstellungen gemacht. So ist klar, dass einige der vergangenen Neuzuflüsse vorübergehende Platzierungen sind.»
Die Kundenausleihungen nahmen ebenfalls deutlich zu. Wie entwickelte sich die Kreditvergabe an Geschäftskunden?
Wir haben unsere Kreditvergabepolitik im selben Rahmen wie bisher weitergeführt. Die Kundenausleihungen konnten im Vergangen Jahr um 4,6 Prozent gesteigert werden. Wir bleiben dem treu, was wir bisher gemacht haben: Das Geld, welches aus der Region kommt, wird wieder in die Region investiert. Damit schliesst sich der Kreislauf und das bildet die Grundlage für das Vertrauen unserer Kunden.
Mit der Fusion mit der Bank Jura Laufen strebt die Valiant stärker in Richtung Westschweiz. Welche Strategie verfolgen Sie beim weiteren Ausbau der Geschäftstätigkeit in die französischsprachige Schweiz?
Unsere Strategie ist es, unsere Geschäftstätigkeit in Richtung Westschweiz auszubauen – entlang dem Jurabogen von Basel bis zum Genfersee. Eine zentrale Rolle kommt dabei der Bank Jura Laufen zu, welche als selbstständige Tochter der Valiant das welsche Pendant zur Valiant Bank bildet. Ziel ist, die sich im Schweizer Markt eröffnenden Chancen gemeinsam zu nutzen.
Welche Bedeutung hat die Eröffnung neuer Geschäftsstellen in Baden, Bulle, Basel und Biel in den nächsten Monaten für Sie und in welchem Ausmass planen Sie eine weitere Expansion?
Das organische Wachstum ist für uns nach wie vor ein wichtiges Thema. Unsere Strategie, in konzentrischen Kreisen um das heutige Geschäftsgebiet in wirtschaftlich attraktiven Regionen zu wachsen, wird auch zukünftig Gültigkeit haben. Wir wollen jedoch kein Wachstum um des Wachstums willen. Ein Blick auf unsere Ertragsentwicklung und insbesondere auch auf unsere Kostenentwicklung bestätigt, ist uns dies bei unseren Expansionsschritten nach Fribourg und Zug gelungen.
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Wie ist die Valiant ins neue Geschäftsjahr gestartet und welchen Ausblick wagen Sie für das Gesamtjahr?
Die wirtschaftlichen Aussichten für die nächsten Monate stimmen wenig hoffnungsvoll. Die Zinsmarge wird sich weiter verengen. Im Preiskampf haben einzelne Institute die Zinsen für Festhypotheken so stark gesenkt, dass sie nicht mehr kostendeckend sind. Auch die Kommissionserträge werden weiterhin unter den Unsicherheiten an den Börsen leiden. Aufgrund des Volumenwachstums rechnen wir aber im Zinsdifferenzgeschäft mit einem gehaltenen Ergebnis. Insgesamt erwarten wir für das laufende Jahr ein Ergebnis im Rahmen des vorliegenden Geschäftsabschlusses.
Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen?
Diese liegen in der Stabilisierung und Normalisierung des Interbankenmarktes sowie darin, die beiden Grossbanken in eine Grössenordnung zu bringen, die für die Schweizer Wirtschaft wieder tragbar wird.
Die Schweizer Grossbanken haben ihren Heimmarkt wieder entdeckt, vor allem bei der UBS rückt die Schweiz wieder in den Fokus. Welchen Einfluss wird die verschärfte Konkurrenzsituation für die Valiant haben?
Es klar, dass die Grossbanken alles daran setzten werden, die verloren gegangenen Marktanteile zurückzugewinnen. Der Margendruck wird auch in diesem Jahr sehr hoch sein. Hinzu kommt, dass die UBS bei einer Genesung ? wohlgemerkt durch Staatsintervention ? wieder wesentlich bessere Voraussetzungen geniesst, als manche Traditionsbank auf dem Finanzplatz Schweiz.
Der Kunde steht bei der Valiant aber nicht erst seit der Finanzkrise im Zentrum. Wir wollen auf die Interessen unserer Kunden kompetent, rasch und bedürfnisgerecht eingehen. Ich bin überzeugt, dass sich unser Motto: «Nähe, die Sie weiter bringt» auch zukünftig bewähren wird.
«Zinsmarge wird sich weiter verengen. Im Preiskampf haben einzelne Institute die Zinsen für Festhypotheken so stark gesenkt, dass sie nicht mehr kostendeckend sind.»
Der Finanzplatz Schweiz steht im Zusammenhang mit dem Bankgeheimnis unter grossem Druck aus dem Ausland. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation?
Die Vorkommnisse der letzten Wochen waren ein schwerer Schlag gegen den Rechtsstaat. Der Bundesrat opfert das Bankgeheimnis und den Rechtsstaat aus Furcht, die UBS könnte wegen ihrer Probleme untergehen. Wohin es die UBS führt ist ungewiss. Sicher ist, dass weitere Länder ähnliche Forderungen wie die USA an die Schweiz richten werden. Allen voran Deutschland respektive die EU – da dürfte es für die Schweiz schwierig werden.
Rekordhohe Milliardenabschreiber, Unterstützung des Staates, CEO- und VRP-Wechsel ? kaum ein Tag vergeht ohne grosse Schlagzeilen rund um die UBS. Wie beurteilen Sie die Situation rund um die Schweizer Grossbanken und die Unterstützung für die UBS durch den Staat?
Der zunehmende Vertrauensverlust der Kunden und Anleger verlangte, dass gehandelt werden musste – auch in der Schweiz. Trotzdem bin ich der Ansicht, dass es ein ordnungspolitischer Sündenfall ist, wenn der Staat die Marktwirtschaft stützen muss. Der gesamte Finanzplatz Schweiz unterzieht sich derzeit einer grossen Bewährungsprobe und steht an einer schwierigen Wegscheide. Was ich persönlich nicht verstehe ist, warum der Staat bezüglich Struktur nicht klare Auflagen und Forderungen an die UBS stellt.
Im Zusammenhang mit den Ereignissen der letzten Monate werden Rufe nach mehr Regulierung der Finanzindustrie laut. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Das die heutigen Regulierungsparameter für die beiden Grossbanken nicht ausreichend waren ist leider Fakt. Dass hier Handlungsbedarf besteht ist offensichtlich. Eine Verschärfung der Eigenmittelvorschriften ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Herr Streit, besten Dank für das Interview.
Zum Unternehmen:
Mit ihren über 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (Vollzeitstellen), 88 Geschäftsstellen und einer Bilanzsumme von CHF 19,5 Mrd. gehört die Valiant zu den Top 10 der Schweizer Retailbanken. Sie übt ihre Geschäftstätigkeit in den Kantonen Aargau, Bern, Freiburg, Luzern, Zug und demnächst in Basel über ihre Tochterbanken Valiant Bank und Valiant Privatbank aus. Die Valiant Aktie ist an der SIX Swiss Exchange kotiert und im Index SMIM gelistet. Damit ist Valiant die einzige Bank mit rein inländischem Geschäft unter den 50 grössten an der SIX kotierten Unternehmen (SMI, SMIM). Die Valiant Aktie gehörte im 2008 mit einer Performance von +12.4 % zu den besten an der Schweizer Börse kotierten Titeln.
Zur Person:
Kurt Streit, Jahrgang 1950, ist seit 1997 CEO der Valiant Holding AG in Bern. Kurt Streit ist zudem Präsident der Entris AG sowie der Entris Banking AG und Verwaltungsrat der RBA-Holding AG. 1989 – 1997 war er Leiter der Gewerbekasse in Bern. Der studierte Betriebsökonom HWV absolvierte die Swiss Banking School und später das Swiss Banking School Advanced Executive Programm.