Letzte Hoffnung Abu Dhabi

von Gérard Al-Fil
Die AIG Private Bank in Zürich hat schon ihre Gunst gewonnen, genau wie der Daimler-Konzern. Die BHF-Bank ist auch schon zum Zuge gekommen, beim Autobauer Opel hofft man noch auf sie. Die  Finanzkrise hat den leisen Aufstiegs der Emirate-Hauptstadt Abu Dhabi nicht stoppen können. Im Gegenteil: mit ruhiger Hand, aber auch mit fast unheimlicher Effizienz weitet das Scheichtum seinen Investitionsradius aus und straft all jene Kassandras Lügen, die der arabischen Golfregion aufgrund fallender Ölpreise schwere Zeiten vorausgesagt haben.


Gelassenheit inmitten der Krise
In Abu Dhabi lagern neun Zehntel der Ölvorkommen in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Die Wirtschaftsleistung pro Kopf liegt bei 70,000 Dollar. Nur Luxemburg und Norwegen sind wohlhabender. 60 Prozent der Wirtschaftsleistung in den VAE stammen aus Abu Dhabi und nicht aus Dubai. Grund für das Emirat, die Dinge gelassener anzugehen. Dubai-Reisende, die einen Ausflug nach Abu Dhabi unternehmen, sind oft von der ruhigeren Gangart in der Hauptstadt (860?000 Einwohner) überrascht, die im krassen Gegensatz zur hektischen Golfmetropole (1.5 Mio. Einwohner) steht. Mit der gleichen Gelassenheit gehen die örtlichen Invstmentgesellschaften weltweit auf Einkaufstour.


Aabar Investments, deren Aktien an der lokalen Börse ADX kotiert sind, sicherte sich am 1. Dezember 2008 die Eigentümerschaft der AIG Private Bank in Zürich. Bei Daimler begrüsste man Aabar erst am 23. März Aabar als neue 9,1-Prozent-Anteilseignerin. Für eine Opel-Rettung hoffen deutsche Politiker laut auf die edlen Spender aus «AD», bevor die amerikanische Opel-Mutter General Motors in Rüsselsheim die Zündschlüssel zieht.


Dabei verteilen die Emirati nicht nur weltweit Gelder, sondern legen auch konkret Hand an. Der Ölmulti Taqa setzt beispielsweise seine Fördertürme sowohl in den Persischen Golf als auch in die Nordsee und in die gefrorenen Erdreiche von Kanada. Abu Dhabi in Zürich, Abu Dhabi in Stuttgart-Möhringen. Abu Dhabi flimmert ab November weltweit auf den TV-Bildschirmen, wenn das erste Formel 1-Rennen der Emirate startet. Abu Dhabi ist überall. Generell steht man ja den Männern aus den Morgenland eher skeptisch gegenüber, und um Moschee-Neubauten toben regelmässig Glaubenskriege in Europa. Aber die arabischen Petrodollars nimmt man immer gerne.


Scheichtum mit Visionen
Die Herrscherfamilie Al-Nahyan von Abu Dhabi setzt auf diese Partnerschaften, um ihre Visionen in der Heimat in die Tat umzusetzen. Bis 2030 will man 208 Mrd. Dollar für den «Strategiechen Plan Abu Dhabi» locker machen. Die ersten Träume sind schon Wirklichkeit. Ob die angeblich schadstofffreie Stadt Masdar oder der Formel-1-Park, der im kommenden November das erste Rennen beherbergen soll. Ob das Märchenschlosshotel Emirates Palace oder die Fluggesellschaft Etihad Airways ? keine Idee scheint zu anspruchsvoll. «AD», wie Abu Dhabi auch kurz genannt wird, will sich jeden Traum erfüllen.

 

Im Gegensatz zu Dubai kann Abu Dhabi bei Bedarf auf einen eigenen Staatsfonds, der angeblichen mit 900 Mrd. Dollar ausgestattet ist, zurückgreifen. Und diese Pläne leben vom Know-How und vom notwendigen Kapital, das gerne auch mal aus dem Ausland kommen darf. Know-How soll gleichfalls vor Ort generiert werden. Zu diesem Zweck hat Abu Dhabi die französischen Denkschmieden Sorbonne aus Paris und INSEAD aus Fontainebleau an den Golf gelockt.


Gerne wird in den Medien heuer das Bild eines klammen Dubai plakatiert, das «am Tropf» von Abu Dhabi hängt. Nur: dass wohlhabende Regionen den finanzschwächeren zur Seite stehen, ist auch in der Schweiz und in Deutschland der Fall, wie die Beispiele Tessin bzw. die neuen Bundesländer zeigen. Weil in Dubai der Ölexport nur 3 Prozent zum BIP beisteuert, hat das Emirat früh auf Handel, Immobilien, Tourismus und High-Tech-Industrien gesetzt.

 

Petrodollars im Westen kein Novum
Wirklich neu sind nahöstliche Engagements bei westlichen Firmen nicht. Kuwait stieg schon 1974 beim mit 7,4 Prozent beim Daimler ein. Ende der 1990er finanzierte der nördliche Golfstaat die London Bridge City. Und Saudiarabiens umtriebiger Prinz Al-Waleed zog schon grosse Namen Citibank, Disneyland und Motorola aus dem Morast. Dubai sicherte sich vor zwei Jahren 3 Prozent bei der Airbus-Tochter EADS, Abu Dhabi?s Gesellschaft Mubadala gewann General Electric als Partner in einem Milliarden-Jointventure.

 

Die SR Technics in Zürich kann dank ihrer Eigentümerin Mubadala auch in Zukunft Flugzeuge warten, reparieren und am Flughafen Kloten Arbeitsplätz sichern.Von einer allzu verbissenen Rivalität wie zwischen Zürich und Basel kann im Fall Abu Dhabi/Dubai jedoch nicht die Rede werden. Dafür sind beide Emirate zu stark aufeinander angewiesen, und die Familie Al-Nahyan war auch treibende Kraft hinter der Staatsgründung der VAE 1971, bei der sich sieben Scheichtümer friedlich zusammenschlossen. Vielmehr treibt ein gesunder Wettbewerb die beiden Küstenstädte zu immer neuen Höchstleistungen.

 

Getrennt marschieren, vereint wachsen
Fur die Zukunft zeichnet sich die folgende Aufgabenteilung ab: während Dubai mit seinen 17 Freihandelszonen v. a. die Rolle des Handels- und Dienstleistungszentrums in der Region einnimmt, bleibt Abu Dhabi dagegen primär ein Zentrum der Öl und Gasindustrie. Gemeinsam haben beide Emirate ihr Bekenntnis zu luxuriösen Feriendestinationen und Immobilienprojekte in dreistelliger Milliardenhöhe. Spätestens 2016 sollen die beiden ungleichen Brüder per Metro verbunden werden. In «AD» betonte man aber bereits, dass Dubais Fahrgäste mit an der Emiratsgrenze umsteigen müssten. Und da blitzt er wieder auf, der gesunde Wettbewerb zwischen beiden Metropolen, der die VAE so reizvoll macht.

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