Das sagte der Sprecher der libyschen Regierung, Mohamed Baayou, der Nachrichtenagentur AFP. Libyen werde ausserdem Medikamente, medizinische Geräte und Industriegeräte, die das Land bisher aus der Schweiz bezogen habe, aus anderen Ländern importieren, hielt Baayou weiter fest. Das Eidgenössische Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) wollte am Mittwochabend keinen Kommentar zur neusten Entwicklung der diplomatischen Krise abgeben.
Boykott als Drohgebärde
Aufgrund der diplomatischen Krise zwischen den beiden Ländern hatte Libyen bereits im Oktober 2008 angekündigt, seine Staatsgelder aus der Schweiz abzuziehen. Über 5 Mrd CHF lagen zu dem Zeitpunkt auf Schweizer Banken. Zudem wollte Staatschef Muammar Gaddafi die Erdöllieferungen an die Schweiz stoppen. Allerdings widerrief der libysche Machthaber die Massnahmen wenige Tage später.
Exporte bereits 2009 rückläufig
Die diplomatische Krise war bereits letztes Jahr in der Exportbilanz spürbar: Im Jahr 2009 exportierte die Schweiz für 156,2 Mio CHF nach Libyen, wie aus den provisorischen Handelszahlen des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) hervorgeht. Im Vorjahr hatte die Schweiz noch fast das Doppelte geliefert: 2008 wurden Waren im Wert von 282,3 Mio CHF nach Libyen verkauft. Am meisten geliefert wurden Maschinen.
Ölimporte eingebrochen
Die Schweiz importiert vor allem Öl aus Libyen. Auch diese Importe brachen im vergangenen Jahr ein: Die Schweiz hatte 2008 noch für rund 3,3 Mrd CHF Waren importiert. 2009 betrug die Importsumme noch gerade 0,7 Mrd CHF. Für die Schweiz ist Libyen ein vergleichsweise kleiner Handelspartner: Im Jahr 2009 betrug der Anteil Libyens am gesamten Schweizer Aussenhandel 0,24%.
Vermeintliche Annäherung
Die Boykott-Massnahme folgte auf ein vermeintliches Tauwetter zwischen der Schweiz und Libyen: Die Parteien seien nah an der Überwindung der Krise, sagte der libysche Aussenminister Moussa Koussa am Mittwoch nach Angaben der italienischen Nachrichtenagentur Ansa. Koussa äusserte sich am Rande einer Versammlung des Allgemeinen Volkskongresses in der libyschen Hafenstadt Sirt. Der Schweiz warf er vor, sie habe die Verpflichtungen noch nicht erfüllt, die sie 2009 mit dem bilateralen Abkommen zur Überwindung der Krise eingegangen sei.
«Unangemessenes Verhalten» der Schweiz
Noch immer fehle es an einem internationalen Schiedsgericht, das die Vorkommnisse rund um die Festnahme von Hannibal Gaddafi in Genf und die Publikation von Polizeifotos in der Presse untersuche, betonte Koussa. Für die Eskalation der Krise machte Koussa das «unangemessene Verhalten» der Schweiz verantwortlich. Er prangerte insbesondere den Schritt der Schweiz an, 188 ranghohen Libyern das Visum für den Schengenraum zu verweigern.
Genfer Ermittlungen
Unterdessen bekräftigte der Genfer Staatsanwalt Daniel Zappelli, die Ermittlungen wegen der Publikation der Polizeifotos von Hannibal Gaddafi in der Genfer Tageszeitung «Tribune de Genève» würden «prioritär behandelt». Gesetzliche Bestimmungen erschwerten jedoch die Untersuchungen. Man suche nach einer Person, die Zugang zur Datenbank der Polizei hatte, sagte Zapelli in einem Interview in der Westschweizer Tageszeitung «Le Temps». Doch es sei schwierig herauszufinden, wer die Bilder an die «Tribune de Genève» weitergeleitet habe. (awp/mc/ps18)