«Die Geschichte der liechtensteinischen Stiftung», kommentiert die Regierung in einem Vernehmlassungsbericht diese spezielle Gattung von Gesellschaftsformen, «kann durchaus als Erfolgsgeschichte bezeichnet werden.» Seit 1926, als das Personen- und Gesellschaftsrecht aus der Taufe gehoben wurde, hat sich die Stiftung laut Regierungsbericht «zu einem der wichtigsten Rechtsinstrumente der liechtensteinischen Rechtsordnung entwickelt». Kein Wunder also, dass mit dem Flaggschiff des Gesellschaftswesens sorgfältig umgegangen wird. Der Prozess der Revision, erklärte Justizminister Klaus Tschütscher noch kürzlich im Landtag, müsse inhaltlich, aber auch in der öffentlichen Kommunikation «mit der notwendig gebotenen Sensibilität» angegangen werden.
Über 50 000 Stiftungen
Zahlen über Stiftungen werden offiziell keine bekannt gegeben. Unwidersprochen aber ist publiziert worden, dass über 50’000 Stiftungen im Öffentlichkeitsregister eingetragen sind. Schon diese Zahl erregt eine gewisse Aufmerksamkeit. Und wenn sogar die Regierung erklärt, die sehr weit reichende Flexibilität ermögliche «ein grösstmögliches Mass an Privatautonomie bei minimaler Einflussnahme durch den Staat», umrankt die Stiftung unfreiwillig die Aura des Geheimnisvollen. Die Verschärfung des Strafrechts, die engere Fassung der Sorgfaltspflichten und die Ausweitung der internationalen Rechtshilfe hat dem Finanzplatz Liechtenstein zu einer Verbesserung seines angeschlagenen Renommees verholfen. Trotzdem geht an der Revision des Stiftungsrechts kein Weg vorbei, wenn Liechtenstein in Zukunft den «Schwarzen Peter» vermeiden möchte.
Unterschiedliche Beurteilung
Das Stiftungsrecht müsse den neuen Gegebenheiten angepasst werden, lautet die Devise im Regierungsgebäude in Vaduz. Damit kann nur der Druck aus dem Ausland gemeint sein. Ausserdem gab es ein paar Gerichtsentscheide, welche die Gesetzesbestimmungen des Stiftungsrechts unterschiedlich interpretierten. Zudem gibt die Regierung in ihrem Vernehmlassungsbericht unumwunden zu, dass Bestimmungen geändert werden müssten, «die in der Vergangenheit missbrauchsanfällig waren». Der vorliegende Revisionsentwurf wird von der Branche unterschiedlich beurteilt.
«Sehr massvolle Reform»
Eine Abhandlung in der «Liechtensteinischen Juristenzeitung» gelangte zum Schluss, es handle sich um eine «sehr massvolle Reform». Kritischer beurteilt der Vorarlberger Rechtsanwalt Harald Bösch, der kürzlich einen 880 Seiten starken Leitfaden über das Stiftungsrecht veröffentlichte, die Erfolgsaussichten der Revision: «Die Zielsetzung, Missbrauchspotenzial des geltenden Stiftungsrechts zu beseitigen, wird durch den vorliegenden Entwurf auch nicht annähernd erreicht.»
Öffentliche Rüge
Bösch dürfte sich mit dieser Einschätzung keine neuen Freunde in Liechtenstein geschaffen haben. Als er nämlich vor zwei Jahren am Liechtenstein-Institut einen Vortrag über seine Forschungsarbeit hielt, erteilte ihm die Regierung öffentlich eine Rüge: «Es kann nicht sein, dass vertrauliche und der Öffentlichkeit bislang nicht zugänglich gemachte Zwischenergebnisse einer von der Regierung eingesetzten Kommission, aus dem Zusammenhang gerissen, öffentlich kritisiert und verurteilt werden, bevor vertrauliche Kommissionsentwürfe überhaupt von der Regierung genehmigt worden sind.» Missbrauch, das weiss auch die Regierung, ist über eine liechtensteinische Stiftung durchaus denkbar und möglich. Entweder durch den Stifter selbst, wenn er die Stiftung für unlautere Zwecke nutzt, oder durch jene Personen, welche die Stiftung verwalten. Als wäre kein Missbrauch möglich, stellt die Liechtensteinische Treuhändervereinigung die Stiftung vor: «Die Stiftung eignet sich nicht zur Verfolgung kommerzieller Zwecke.» Eine Stiftung könne als Familienstiftung eingesetzt werden, als gemeinnützige Stiftung zur Unterstützung karitativer, künstlerischer, wissenschaftlicher oder sozialer Institutionen. Möglich sei auch die Gründung einer kirchlichen Stiftung.
Stiftung über Treuhänder
Harald Bösch kritisiert in seinem umfangreichen Wälzer «Liechtensteinisches Stiftungsrecht» zwei Besonderheiten. Nach seinen Recherchen sind 97 Prozent aller liechtensteinischen Stiftungen nicht im Öffentlichkeitsregister eingetragen, nur die Stiftungsurkunde werde dort hinterlegt. Auf der Stiftungsurkunde scheine in der Regel nicht der eigentliche, zumeist ausländische Stifter auf, sondern lediglich ein Berufs-Treuhandunternehmen.
«Strohmann-Stifter»
Man dürfe seine Augen nicht verschliessen, meint Bösch, dass sich eine von einem «Strohmann-Stifter» errichtete und zudem jederzeit auflösbare Stiftung «hervorragend für Geldwäschereizwecke» eigne. In diesem Zusammenhang weist Bösch auf eine kriminologische Studie aus Deutschland hin, die unterstreiche, dass Stiftungen von Geldwäschern für das vorübergehende «Parken» verfügbarer Mittel und zur Schaffung von Finanzreserven benutzt würden.
(St. Galler Tagblatt/mc/hfu)