Informationen aus Kreisen zufolge tritt am Montag der Aufsichtsrat der Deutschen Börse in einer ausserordentlichen Sitzung zusammen, um über das weitere Vorgehen zu beraten.
Wunsch nach freundschaftlicher Transaktion
Wie weiter verlautete, ist es der ausdrückliche Wunsch der Deutschen Börse, mit der LSE eine freundschaftliche Transaktion durchzuführen. Unterdessen kritisierte der Chef der Deutschen Börse, Werner Seifert, in einem Brief an Londoner Zeitungen den Chef des Wertpapierabwicklers Euroclear und warf ihm Parteilichkeit vor.
«Gefahr einer Monopolbildung»
An Euroclear ist der Deutsche-Börse-Konkurrent Euronext beteiligt. Seifert bezieht sich in dem Brief, der der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX vorliegt, auf Äusserungen von Euroclear-Chef Chris Tupker. Dieser hatte in den vergangenen Tagen mehrfach vor der Gefahr einer Monopolbildung bei der Abwicklung gewarnt, sollte sich die Deutsche Börse bei der angestrebten Übernahme der LSE nicht von ihrer Sparte Clearstream, die auch im Wertpapierabwicklungsgeschäft tätig ist, trennen.
Euroclear-Interesse «eines Wettbewerbers»
Ausserdem sieht Seifert das Interesse der Euroclear als das eines Wettbewerbers und potenziellen Käufers. Der Deutsche-Börse-Chef verwies dabei auf den misslungenen Versuch von Euroclear im Jahr 2001/02, Clearstream zu übernehmen. Die Euroclear ist das Pendant der Clearstream und gehört zu 3,5 Prozent der Euronext NV und der LSE. Die restlichen 96,5 Prozent gehören den Kunden von Euroclear. Euroclear arbeitet als nicht profitorientiertes Unternehmen.
Verhandlungen über «Abgestimmtes Angebot»
Die Deutsche Börse selbst wollte sich am Freitag nicht über eine mögliche ausserordentliche Aufsichtsratssitzung äussern. Eine Sprecherin betonte aber, dass man weiterhin Verhandlungen mit der LSE über ein «abgestimmtes Angebot» führe. Bisher haben die beiden Wettbewerber noch kein offizielles Angebot vorgelegt. Die Deutsche Börse wollte zunächst 5,30 Pfund je Aktie bieten. Inzwischen ist der Aktienkurs der LSE aber auf 5,89 Pfund am Freitagnachmittag gestiegen, so dass eine erhöhte Offerte als wahrscheinlich gilt. Die Aktie der Deutschen Börse sank am Freitag den dritten Tag in Folge.
Feindlicher Übernahmeversuch nicht ausgeschlossen
Auch ein feindlicher Übernahmeversuch wird in Finanzkreisen nicht ausgeschlossen, sollte das Management des britischen Handelsplatzes den Plan der Frankfurter nicht unterstützen. Ein Sprecher der Deutschen Börse betonte jedoch, die Gespräche würden in «freundschaftlicher, konstruktiver und professioneller Atmosphäre» geführt. Nach der Ankündigung eines Gebots müssten den Aktionären der LSE innerhalb von 28 Tagen ausführliche Unterlagen zugestellt werden. Euronext könnte dann mit einem feindlichen Angebot kontern. Die grössten Anteilseigner der LSE sind Investmentfonds und Finanzinstitute, darunter auch die Deutsche Bank .
Deutsche Börse bittet zum Neujahrsempfang
Am Montagabend bittet die Deutsche Börse in Frankfurt zum Neujahrsempfang, an dem auch Aufsichtsratschef Rolf Breuer teilnehmen soll. Dem Kontrollgremium gehören weitere prominente Köpfe wie der frühere DaimlerChrysler-Finanzvorstand Manfred Gentz und der Privatbankier Friedrich von Metzler an. Auch drei britische Manager gehören dazu. (awp/mc/gh)