von Patrick Gunti
Herr Braunschweiler, RUAG ist im ersten Halbjahr diesen Jahres in die Gewinnzone zurückgekehrt, EBIT (+ 60%) und Reingewinn (+ 57%) wurden deutlich gesteigert. Was ist für das positive Resultat verantwortlich?
Das Wachstum stammt wesentlich aus Akquisitionen im Raumfahrtgeschäft. Die deutliche Verbesserung in EBIT wie Auftragseingang reflektiert auch die Erholung des wirtschaftliche Umfelds. Zudem wirken sich die konsequent umgesetzten Restrukturierungsmassnahmen im Flugzeugstrukturbau und im zivilen Flugzeugunterhalt positiv aus.
Der Nettoumsatz legte um 6 % auf 836,1 Mio. Franken zu. Geht das Wachstum einzig auf das Konto der Akquisition des Spacegeschäftes von OC Oerlikon im vergangenen Jahr?
Ja, im wesentlichen stammt das Wachstum aus den Akquisitionen im Raumfahrtgeschäft und zwar aus dem 2009 erworbenen Raumfahrtunternehmen Oerlikon Space.
Per 1. Januar 2011 werden die Divisionen RUAG Electronics und RUAG Land Systems zur Division RUAG Defence zusammengeführt. Was versprechen Sie sich von diesem Schritt?
Beide Divisionen haben gute Mitarbeitende, Produkte und Services. Beide sind stark als Technologiepartner für die Schweizer Armee aktiv und wachsen international. Speziell die Bündelung aller Aktivitäten für die Marktentwicklung und Kundenbetreuung unter einem Dach ist sinnvoll. Kunden, Partner und Mitarbeitende werden von einem breiten Portfolio und Dienstleistungen aus einer Hand profitieren.
«Im wesentlichen stammt das Wachstum aus den Akquisitionen im Raumfahrtgeschäft und zwar aus dem 2009 erworbenen Raumfahrtunternehmen Oerlikon Space.» Lukas Braunschweiler, CEO RUAG Holding AG
RUAG hat sich am EU-Prestigeobjekt Galileo einen Auftrag in der Höhe von 35 Mio. Franken gesichert. Insgesamt wird Ruag 14 Satelliten mit Baugruppen ausrüsten. Was heisst das konkret?
Neben den zentralen Steuerungscomputern und weiteren elektronischen Baugruppen wird RUAG Space Ausrichtmechanismen für die Solargeneratoren der Satelliten, Antennen und eine spezielle Thermalschutzfolie fertigen.
An welchen Standorten werden die einzelnen Teile gefertigt und was leisten sie?
Die zentralen Steuerungscomputer für die Galileo-Satelliten wird RUAG Space in Göteborg (Schweden) fertigen. Diese Computer steuern und überwachen die Navigations-Nutzlast ebenso wie zahlreiche weitere Subsysteme. Sie kontrollieren auch die Temperatur- und die Energieverteilung an Bord der Satelliten. An der Entwicklung und am Bau dieser Computer ist auch RUAG Space Österreich beteiligt. Weitere Beiträge aus Schweden sind Antennen für die systeminterne Kommunikation sowie Prozessor-Boards für die digitalen Funkempfänger der Navigationssatelliten.
Stichwort Tigerteilersatz. Was ist die Strategie der RUAG dahinter?
Für RUAG ist es wichtig, sowohl für die bestehende Flotte der Schweizer Luftwaffe als auch für allfällige neue Flugzeuge als Technologiepartner das Kompetenzzentrum für Wartung, Reparatur und Überholung zu sein.
Nun ist der Entscheid vertagt. Was bedeutet dies für Ihr Unternehmen wirtschaftlich?
Die Verschiebung des Entscheids hat unmittelbar keine Auswirkungen auf RUAG. Wir sind für die kommenden Jahre in der Lage, sowohl die Tiger- F5 als auch die F/A-18 -Flotte weiter einsatztauglich zu halten.
Welche Zusammenarbeitsfelder bestehen zwischen RUAG und EADS?
Die Zusammenarbeit mit EADS ist vielschichtig und baut auf verschiedenen Feldern der Luft- und Raumfahrt auf. Die EADS Gruppe ist nach der Schweizer Armee unser zweitgrösster Kunde. Wir fertigen diverse Komponenten für Airbus, waren mit der Endmontage des Eurocopter EC635 für die Schweizer Luftwaffe betraut, der heute bei uns auch in der Instandhaltung ist und sind gemeinsam an diversen Raumfahrtprogrammen oder am Agile UAV-Programm (Unmanned Aerial Vehicle) beteiligt.
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Mitte August wurde RUAG von der European Aviation Safety Agency EASA die erweiterte Typenzulassung für das erste eigene Flugzeug Do 228NG (New Generation) erteilt. Um was für ein Flugzeug handelt es sich, welches sind die Haupteinsatzgebiete und wer sind die potenziellen Abnehmer?
Die Do 228NG ist ein vielseitig einsetzbares Turboprop-Flugzeug. Hohe Nutzlast, hohe Reisegeschwindigkeit sowie die Fähigkeit, auch auf sehr kurzen Strecken starten und landen zu können, sind charakteristisch für die Maschine. Ein wesentlicher Vorteil der Do 228NG liegt zudem in ihrer Flexibilität. So kann sie je nach Bedürfnis des Kunden sowohl für den Passagier- und Cargotransport als auch für Such- und Überwachungsaufgaben konfiguriert werden. Zu den Neuerungen der modernisierten Do 228 zählen unter anderem ein hochmodernes Glascockpit, stärkere Triebwerke, ein neuer und hoch effizienter 5-Blatt Propeller. Diese Modifikationen tragen maßgeblich dazu bei, dass die neue 228NG zu einer noch effizienteren und sicheren Flugzeugplattform wird.
RUAG hat sich zu einem bedeutenden internationalen Technologiekonzern entwickelt, mit Produktionsstandorten in der Schweiz, Deutschland, Österreich, Schweden, Ungarn und den USA. Welchen Stellenwert hat der Standort Schweiz heute?
Wir bauen auf unsere starke Heimbasis in der Schweiz. Die Tatsache, dass wir der Technologiepartner der Schweizer Armee sind, ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für unsere internationalen Aktivitäten in der Luft- und Raumfahrt sowie in der Sicherheits- und Wehrtechnik
RUAG schliesst schrittweise bis Mitte 2012 den Standort Plan-les-Ouates bei Genf im Flugzeugstrukturbau. Welches sind die Probleme an diesem Standort?
Die Fokussierung der Strategie auf die Herstellung von Titan- und Nickelkomponenten, die damit verbundene, schrittweise Reduktion der Mitarbeitenden und die aktive Akquisition von Aufträgen sind nicht in dem erwarteten Ausmass erfolgreich gewesen, um den Standort längerfristig wieder profitabel zu betreiben. Auch die erwartete Erholung der Auftragslage nach einer Phase der Kurzarbeit zur Überbrückung der reduzierten Produktionsauslastung ist nicht eingetreten.
«Eine kleinere Armee muss nicht automatisch bedeuten, dass die Auftragseingänge bei der RUAG sinken. Aber sie können sich inhaltlich verändern.»
Alleinaktionärin der RUAG ist die Eidgenossenschaft. Welche Vorteile sehen Sie darin und unter welchen Umständen wäre für Sie eine Privatisierung sinnvoll?
Ich spreche heute mit nur einem Eigner, im Vergleich zur relativ komplexen Aktionärsstruktur meines vorherigen Arbeitsgebers. Das ist natürlich etwas ganz anderes. Und das ist durchaus positiv gemeint: Ein einziger Besitzer sorgt für eine gewisse Konstanz. Dies erweist sich in der aktuellen Situation darüber hinaus als Vorteil. Der Entscheid für eine Öffnung des Aktionariats liegt allein beim Eigner. Das ist heute kein Thema.
Eine weitere Verkleinerung der Schweizer Armee, dem RUAG-Hauptkunden, ist abzusehen. Fürchten Sie hier Einbussen oder teilen Sie die Meinung von Verteidigungsminister Maurer, wonach eine kleinere Armee nicht auch eine billigere Armee sein muss.
Eine kleinere Armee muss nicht automatisch bedeuten, dass die Auftragseingänge bei der RUAG sinken. Aber sie können sich inhaltlich verändern.
RUAG muss ich immer wieder der Kritik stellen, z.B. mit Munition, Handgranaten oder auch mit der Mitarbeit an Kampfjets kriegerische Handlungen zu unterstützen. Eine schwierige Situation für ein Unternehmen, in dem ein neutraler Staat Alleinaktionär ist. Wie stellen Sie sich dazu?
RUAG ist Technologiepartner der Schweizer Armee und leistet einen wesentlichen Beitrag für die Sicherheit und Unabhängigkeit der Schweiz. Davon profitieren die Schweizerinnen und Schweizer.
Sie sind seit etwas über einem Jahr CEO der RUAG Holding. Welche Bilanz ziehen für sich persönlich?
RUAG ist ein sympathisches Unternehmen: Spannend, zukunftsorientiert und hat Potenzial zur ständigen Weiterentwicklung. Ich bin beeindruckt von der Kompetenz unserer Mitarbeitenden und von der Leidenschaft für Hochtechnologie, die uns alle verbindet. Ich arbeite sehr gerne in diesem Umfeld.
Herr Braunschweiler, besten Dank für das Interview.
Zur Person:
Lukas Braunschweiler (Jahrgang 1956)
Ausbildung: Dr. sc.nat. ETH, Chemiker
Beruflicher Hintergrund: Dipl. Chemiker ETH Zürich, Dr. sc.nat. ETH Zürich
Frühere operative Führungsaufgaben
1985 – 1988 Projektleitung für Opto-elektronische Vermessungssysteme der Wild Leitz Heerbrugg AG
1988 – 1991 Leitung der Kabeldivision und Mitglied der Direktion der Huber + Suhner AG
1992 – 1995 Leitung der Division Energy Management and Vice-President der Landis & Gyr Europe
1995 – 2002 Divisionsleitung, Group Vice-President und Mitglied der Konzernleitung der Mettler-
Toledo Int. Inc. (NYSE: MTD)
2002 – 2009 Präsident und CEO sowie VR-Mitglied der Dionex Corporation, Sunnyvale CA (NASDAQ:
DNEX)
Zum Unternehmen:
Die RUAG fokussiert sich auf die zwei Marktsegmente Aerospace (Raum- und Luftfahrt) und Defence (Sicherheit und Wehrtechnik), in denen wir zu ungefähr gleichen Teilen zivile und militärische Anwendungen bedienen. RUAG wird ab 1.1.2011 mit fünf Divisionen im Markt auftreten: Aviation, Space, Technology, Ammotec und Defence.
Der Hauptsitz der RUAG Holding AG ist in Bern. In der Schweiz, in Deutschland, Österreich, Schweden, Ungarn und den USA hat die RUAG ihre Produktionszentren mit rund 7.500 Mitarbeitenden. Die RUAG Holding AG wurde per 1. Januar 1999 als Aktiengesellschaft nach privatem Recht gegründet. Die Schweizerische Eidgenossenschaft ist Alleinaktionärin.