Lutz Hesse: «Eine Chance sehe ich für international tätige Firmen»
Lutz Hesse, schweizerischer Hoteldirektor des trendigen Designhotels «Madison» in Berlin spricht mit Moneycab über Hypegeschichten, Reformstau, von traumhaften Mietpreisen und über Zusammenhänge zwischen Not und Chancen in der gebeutelten Metropole Berlin.
Moneycab: Herr Hesse, Sie leiten als Schweizer Unternehmer ein sehr angesehenes Business-Hotel im Herzen Berlins. Ihr Haus steht unmittelbar vis-à-vis des neuen Wahrzeichens am Potsdamer Platz, dem Sony Center. Ihr Hotel liegt am Platz des «New Business». Wie sieht die Geschäftslage hier in Berlin aus?
Lutz Hesse: Sehen Sie, Berlin ist eine Stadt, in der grose Vorteile und grosse Nachteile nebeneinander existieren. Zum Beispiel Vorteile, welche heute aus dem Prozess der Wiedervereinigung resultieren. Gleichzeitig sind wirtschaftliche Folgen der Wiedervereinigung aber ebenso nachhaltig spürbar.
Im Geschichtsunterricht hat meine Generation das geteilte Deutschland noch als Selbstverständlichkeit empfunden. Die Geschichte hat uns dann aber sehr schnell und deutlich gezeigt, dass es ganz und gar nicht so selbstverständlich war, wie wir meinten. Es war für die Bundesrepublik ein grosser Schritt, sich mit den «historischen Verwandten» wieder zu vereinigen. Damit meine ich nicht nur die Werte, die in den beiden Volksgruppen unterschiedlich ausgeprägt waren.
Die Auswirkungen der Wiedervereinigung sind hier täglich gegenwärtig. Sie birgen Chancen und Hindernisse. Wer hier Geschäfte machen will, der sucht die Chancen.
Welches sind die grossen Veränderungen, die man hier spürt?
Lutz Hesse: Wenn Sie sich einmal in die Perspektive der Menschen aus der ehemaligen DDR versetzen, dann sieht das vielleicht schon ganz anders aus. Diese Leute haben lange und hart gearbeitet für ihre Ziele. Heute sind diese Ziele aber verschwunden, aufgelöst, politisch wegdiskutiert. Vielleicht kann man hier die Altersvorsorge und die Rolle des Staates und der Familie erwähnen. Hohe Ziele, Ziele mit viel Identität. Auf der andern Seite stehen die Bürger der ehemaligen Bundesrepublik. Diese haben das Wirtschaftswunder vollbracht. Sie haben das Bruttosozialprodukt hochgefahren. Es ging ihnen gut und vielen immer besser. In einem gewissen Sinne war die Wiedervereinigung eine «Heldentat». Ein Akt durchaus im Wissen um einschneidende Konsequenzen, auch wenn wir uns heute eingestehen müssen, dass diese in ihrem gesamten Ausmass nicht gesehen werden konnten oder gesehen werden wollten. Heute müssen wir den Fortschritt und den damit verbunden den Gewinn teilen. Trotzdem oder gerade deshalb sehe ich das heute als eine Chance. Immer wenn man sich auf andere und anderes einstellen muss, wird sich daraus eine Chance geben. Das Madison ist für mich eine solche Chance, die aus der Veränderung resultiert.
Moneycab: Und wie haben sie diese Chance genutzt?
Lutz Hesse: Schauen wir hier zum Fenster hinaus. Hier haben wir es gleich vor den Augen. Hier steht das neue Sony Centers . Der Potsdamer Platz war die «historische Grenze». Durch den Mauerfall ist hier viel Land frei geworden. Freies Land mitten in der Grossstadt, wo gibt es das sonst noch? Was hier entstanden ist,ist ein neues hoch technologisiertes Zentrum im Herz der neuen Metropole. Wir sind hier zwar nicht in der Mitte, aber gleich neben einen Steinwurf von Reichstag und Kanzleramt entfernt. In den letzten Jahren wurde hier von dem Dreigestirn Beisheim – Sony – Daimler Benz geplant und investiert. Es werden hier Kräfte gesammelt für etwas ganz Grosses.
«Der Platz ist und bleibt attraktiv, als Firmenstandort, als Touristenmagnet und Veranstaltungsort.» Sony-Planungsdirektor Potsdamer Platz, Jun Shimoyamada
Moneycab: Sie sprechen vom Grossen, man hört aber auch, dass die Mieter Fehlen für die immensen Investitionen in die Infrastruktur und die Bürogebäude. Gehen nun am Potsdamer Platz die Lichter aus, wenn das Sony Grossprojekt, die Parkkolonnaden, das Delbrück-Hochhaus und das Beisheim-Center mietermässig kränkeln undTeilleerstand in den anderen Gebäuden ist?
Lutz Hesse: Die Flaute am Potsdamer Platz ist natürlich keine Bagatelle und für die Investoren ein echt schwierige Hürde. Am besten dran sind Firmen, die die Räumlichkeiten selbst nutzen, damit also nicht auf eine Vermarktung der Mietflächen angewiesen sind. Eine Chance sehe ich aber echt für internationale Firmen, denn niemals waren Flächen vor Ort so günstig wie jetzt. Für unter 20 Euro pro Quadratmeter kann man Büros in der neuen Mitte haben.
Moneycab: Das heisst, wir sitzen hier also auf sehr billigem Grund?
Lutz Hesse: Die Investoren Sony und Daimler Benz AG (Debis) haben grosse Teile der Grundstücke 1990 und 1991 von der Stadt gekauft und wollten den Platz nach ihrer unternehmensbezogenen Philosophie bebauen. Doch die Realität lehrte sie etwas anderes. Währen der Planung konnten nur schwierig Mieter gefunden werden. Es waren riesige Flächen zu planen, man wollte nicht die gleichen Fehler machen wie in London. Geschäftszentren, die nach 17 h 30 ausgestorben sind. Also suchte man nach Belebungskonzepten der Randzeiten. So kamen das Cinemax und das Imax an den Potsdamerplatz. Man wollte die längste Flaniermeile Berlins von den Hackschen Höfen über «Unter den Linden» zum Brandenburger Tor, in einem Bogen, noch den Reichstag und das Kanzleramt, dazu mit dem Potsdamer Platz abschliessend krönen.
So bin auch ich an den Potsdamer Platz gekommen. Ich hatte an der Friedrichstrasse ein erstes «Boarding House der Luxusklasse » aufgebaut. Alleine in der «Öde» habe ich einen höchst ausgefeilten Service für Businessleute aus aller Welt aufgezogen. Ich hatte Probleme zu lösen, wie man denn den Managern einen Kopierservice anbieten kann, wenn es keinen gibt. Das Business hat gewissermassen in der «Wüste» begonnen. Diese Situation war eine echte Chance.
Dann habe ich von den Plänen der Firma Daimler Benz erfahren, vom Wunsch hier Leben einzuquartieren. Ich wurde mit offenen Armen empfangen, der General Manager hat mir volles Vertrauen entgegengebracht. Heute habe ich ein kleines Luxushotel und fülle eine Nische, die mir hier niemand streitig macht. Einzigartig ist unser Angebot in einem umkämpften Sektor. Man hat meinen Führungskompetenzen und Visionen vertraut. Das war ein echt tolles Erlebnis, so viel Vertrauen zu bekommen von den Investoren.
Während der Moma-Ausstellung ist bei uns echt einiges gelaufen, die Leute haben sich am Potsdamerplatz ausgeruht und vergnügt. Man hat sich von den Strapazen des Museumsbesuchs erholt.
Natürlich lässt es sich nicht unter den Tisch diskutieren, dass uns hier am Potsdamer Platz Mieter fehlen. Unten sind die Häuser grösstenteils vermietet. Oben kann man aber alles haben.
Moneycab: Böse Zungen sagen: «Willst du mal alleine sein, miet› am Potsdamer Platz dich ein».
Lutz Hesse: Dies ist die deutsche Sicht. Natürlich sind viele Flächen noch nicht vermietet und andernorts gibt es billigere Büros zu mieten. Denken wir aber mal in europäischen Dimensionen, so sieht das ganz anders aus. Hier sind die Preise pro Quadratmeter und Monat um die 20 Euro. Das ist die Hälfte bis ein Drittel von den marktüblichen Preisen in Paris oder London. Mancherorts kann man am Potsdamerplatz auch für 15 Euro pro Quadratmeter mieten. Aus schweizer Sicht sind dies entzückend niedrige Fixkosten und man muss sich doch im Ernst mal überlegen, ob denn ein EU Standbein somitnicht erschwinglich ist. Für Schweizer Firmen ist der Potsdamerplatz doch die beste Adresse mit viel Renomée. Vielleicht könnte man den bösen Zungen antworten: Willst du der erste sein, miet› am Potsdamer Platz dich ein».
Moneycab: Und warum kommen die Firmen trotzdem nicht?
Lutz Hesse: Das Problem fängt mit dem Flughafen an. Berlin wird nicht von New York, Hong Kong oder Dubai her angeflogen. Die Drehscheiben sind Düsseldorf und Frankfurt. Das ist ein echtes Handicap. Weiter hat Berlin bezüglich seiner wirtschaftlichen Ausrichtung die Orientierung verloren. Alte Werte wie AEG waren an Berlin gebunden, heute sind sie das nicht mehr. Wenn sich da nicht einen Identität findet, dann wird sich der Aufschwung der Stadt weiter verzögern. Die Politik leistet hier aber viel Kommunikationsrbeit. Dies lässt sich deutlich spüren.
Moneycab: Wie sieht Berlin im Jahre 2014 aus?
Lutz Hesse: In Berlin werden Sie sicher weniger Baulücken finden. Die Entwicklung wird sich so verhalten, dass der grosse Stein, den wir heute mit vereinten Kräften anschieben, ins Rollen kommt. Rollt dann der grosse Stein, dann wird seine Masse für eine florierende Wirtschaft sorgen. So schnell sind wir also noch nicht am Ziel in Berlin. Zehn Jahre sind eine lange Zeit. Was sich aber seit Kurzem ganz klar andeutet ist, dass wenn die Wirtschaft dann entdeckt hat, was Berlin zu bieten hat, dann hat sich schon ein tolles Potenzial entwickelt.
Man wird sagen, dass man in Berlin schon viel früher einen Fuss hätte setzen sollen. Unternehmen, die heute in Berlin investieren und Niederlassungen aufbauen, die werden ganz klar einen Marktvorteil haben.
Der Gesprächspartner
Lutz Hesse (*1961) beginnt nach Abschluss der Hotelfachschule Lausanne seine Laufbahn im Hotel Le Vieux Manoir in Murten, der San Isidoro Ranch in Santa Barbara, dem Arosa Kulm Hotel.
Seit 1999 führt Lutz Hesse zusammen mit Christian Andresen das MADISON Potsdamer Platz sowie das MADISON Friedrichstrasse unabhängig und in 100-prozentiger Eigenregie.
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