Dadurch werde eine kostengünstige Alternative zu existierenden Methoden geboten, wie IBM Research am Freitag mitteilte. Demnach eröffnet das Verfahren durch seine auf diesem Massstab bisher unerreichte Fähigkeit, dreidimensionale Strukturen zu kreieren, vielfältige Möglichkeiten für eine breite Palette von Anwendungen in der Chiptechnologie, Optoelektronik bis hin zu Medizin- und Biowissenschaften. In zwei wissenschaftlichen Arbeiten, die nun durch die Fachzeitschriften Scienceund Advanced Materialsveröffentlicht wurden, zeigen die Forscher eindrücklich, was ihre Methode leisten kann:
Eine 25-Nanometer-hohe Nachbildung des Matterhorns, dem weltbekannten 4478 Meter hoch ragenden Alpengipfel, wurde in einem molekularen Glas hergestellt. Ein Nanometer ist ein Millionstel Millimeter. Um die dreidimensionale Struktur zu erzeugen, wurde die Oberfläche in 120 einzelnen Schichten durch die Nanospitze bearbeitet.
Eine komplette dreidimensionale Weltkarte, die 22 Mikrometer (Tausendstel Millimeter) mal 11 Mikrometer misst, wurde in einem Polymermaterial gefertigt. Zur Illustration der Grösse: 1000 dieser mikroskopisch kleinen Weltkarten liessen sich auf ein Salzkorn platzieren.* In der dreidimensionalen Abbildung entsprechen 1000 Höhenmeter ungefähr 8 Nanometer (nm). Die gesamte Weltkarte besteht aus 500 000 einzelnen Bildpunkten, jeder 20 nm2 gross, und wurde in nur 2 Minuten und 23 Sekunden erstellt.
Eine Nanospitze als Meissel
«In der Nanotechnologie ist Fortschritt ganz eng mit der Verfügbarkeit von Präzisionswerkzeugen und ?methoden zur Herstellung von kleinsten Strukturen und Objekten auf Oberflächen verknüpft. Dank seiner breiten Funktionalität und einzigartigen Möglichkeit zur Erstellung von dreidimensionalen Strukturen eignet sich dieses Nanospitzen-basierte Verfahren hervorragend für die Nanofabrikation», erklärt Dr. Armin Knoll von IBM Research ? Zürich.
Herzstück der neuen Technik ist eine sehr kleine und extreme scharfe Siliziumspitze, die 500 nm lang und an ihrem Ende nur 5 nm oder 50 Atome breit ist. Die Spitze ist auf einem biegsamen Federbalken angebracht und in ein mikro-elektro-mechanisches System eingebettet. Damit kann die Spitze mit einer Genauigkeit von einem Nanometer und mit hoher Geschwindigkeit über die Oberfläche geführt werden. Durch das Erhitzen der Spitze und einer Krafteinwirkung kann diese, wie ein «Nano-Meissel», gezielt ? gemäss einer programmierten Vorlage ? Material auf der Oberfläche entfernen.
Und wie bei einem Meissel kann durch Verändern der Kraft oder erneutes Bearbeiten von spezifischen Stellen mehr Material abgetragen werden, um komplexe dreidimensionale Strukturen, wie etwa das Modell des Matterhorns, herzustellen.
Molekulares Glas und Polymer als Oberflächenmaterial
Ein wesentlicher Faktor in der Funktionsweise des Verfahrens stellt das Oberflächenmaterial dar: Um solide und zuverlässige Strukturen zu erstellen, darf das abgetragene Material, insbesondere bei 3D-Strukturen, keine Rückstände bilden. Die IBM Forscher stellen in ihren Arbeiten gleich zwei Materialien vor, die sich für das Verfahren eignen. Diese beiden Materialien, ein molekulares Glas und ein Polymer, lassen sich durch die Einwirkung der erhitzten Spitze in ihrer Struktur lokal aufbrechen, woraufhin sich kleinste Volumen des Materials herauslösen und verflüchtigen. Dadurch bleibt kein Material an der Oberfläche zurück. Das Identifizieren dieser beiden Materialien war eine der entscheidenden Forschungsleistungen des IBM Teams.
Strukturen, die in dem molekularen Glas erzeugt wurden, konnten die Forscher mithilfe von Standardtechniken der Halbleiterei auch in Silizium übertragen. Das Transferieren von einer strukturierten Maske, in diesem Fall das molekulare Glas, in ein anderes Material, etwa das häufig verwendete Silizium, ist grundlegend wichtig für viele Anwendungen in der Nanotechnologie und macht das Verfahren kompatibel mit existierenden Nanofabrikationsprozessen. So eignet sich das Verfahren unter anderem für die Erforschung von neuartiger, siliziumbasierter CMOS-Nanoelektronik, für die Fabrikation optischer und elektro-optischer Komponenten sowie für die Herstellung von dreidimensionalen Nanopartikeln oder von Schablonen für die Selbstorganisation von Objekten auf der Nanoskala, wie Nanodrähte oder -röhrchen.
Fortschritt für die Nanolithografie
Mit dem IBM Verfahren lassen sich derzeit Strukturen von bis zu 15 Nanometern erzeugen und weitere Verbesserungen liegen im Bereich des Möglichen. Bestehende Oberflächenstrukturierungsverfahren, wie die Elektronenstrahl-Lithografie** (EL) gelangen bei Strukturgrössen unter 30 Nanometern zunehmend an die Grenzen ihrer technischen Leistungsfähigkeit.
Darüber hinaus bietet das Nanospitzen-basierte Verfahren weitere entscheidende Vorteile: Die Elektronenstrahl-Lithografie ist ein kompliziertes Verfahren, das mehrere Prozessschritte und kostspielige, mitunter raumgrosse Instrumente erfordert. Im Vergleich hierzu ist das Werkzeug der IBM Forscher weit weniger komplex in der Handhabung und verspricht eine grössere Vielseitigkeit und Leistungsfähigkeit bei sehr kleinen Strukturen. Es ist noch dazu sehr handlich und findet auf einer Tischplatte Platz. Die Forscher schätzen zudem, dass die Kosten der Technologie fünf- bis zehnmal tiefer liegen könnten als bei vergleichbaren EL-Geräten. Damit könnte die Technologie vielen Forschungsgruppen den Zugang zu Herstellungsverfahren auf der Nanoskala erleichtern.
Ein weiterer Pluspunkt des Verfahrens ist die Möglichkeit, ein Muster direkt zu überprüfen, in dem die vorgängig hergestellten Strukturen mit der gleichen Spitze abgebildet werden, wie das IBM Team in seinen Experimenten demonstrierte. (ibm/mc/ps)
IBM und Nanotechnologie
IBM ist seit der Erfindung des Rastertunnelmikroskops (STM) im Jahr 1981 durch Gerd Binnig und Heinrich Rohrer am Zürcher Labor Pionier auf dem Gebiet der Nanowissenschaft. Für diese bahnbrechende Erfindung, dank derer einzelne Atome abgebildet und später auch manipuliert werden konnten, erhielten Binnig und Rohrer 1986 den Nobelpreis für Physik. Die erste erfolgreiche Manipulation ? das gezielte Verschieben und Anordnen von Atomen ? wurde durch IBM Fellow Don Eigler bei IBM Research ? Almaden, gezeigt und vor 20 Jahren im Fachmagazin Nature publiziert. Er ordnete 35 Xenon-Atome zu den Buchstaben «I-B-M» an. Das STM wird generell als das Instrument angesehen, das das Tor zum Nanokosmos öffnete. Das Rasterkraftmikroskop, das eng mit dem STM verwandt ist, wurde 1986 von Binnig erfunden.
Für Nanoforschung auf dem allerhöchsten Niveau entsteht derzeit ein neues Forschungszentrum auf dem Campus der IBM in Rüschlikon. Das neue Forschungszentrum ist Teil einer strategischen Partnerschaft in Nanotechnologie mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ). Die Forschungsaktivitäten werden 2011 aufgenommen.