Management by Objectives: Ziele sauber formulieren, positiv darstellen und klar quantifizieren

Von Christian Bodmer, Institut für Business-NLP

Management by Objectives (MbO) beruht darauf, dass die Unternehmensspitze Ziele vorgibt, die dann auf die einzelnen Bereiche bis hin zum Mitarbeiter transponiert werden. Wenn die Geschäftsleitung beispielsweise beschliesst, den Umsatz um zehn Prozent zu steigern, wird dieses Umsatzziel auf die verschiedenen Produktgruppen umgelegt, bis hin zum einzelnen Verkaufsmitarbeiter. Erreicht jeder Verkäufer sein Ziel, ist das Gesamtziel des Unternehmens erfüllt.

Die Praxis sieht weniger rosig aus
In der Praxis ist die Welt weniger rosa angehaucht und der Zielsetzungsprozess mit MbO gleicht zuweilen eher dem Vogelfriss-oder-stirb-Prozess: Die vorgesetzte Ebene setzt (vielfach unrealistische) Ziele, begleitet mit dem Ausspruch «Sie sind doch ein fähiger Mitarbeiter, dann zeigen Sie mal, was Sie drauf haben!». So stehlen sich Vorgesetzte aus der Verantwortung, ihre Mitarbeiter bei der Umsetzung zu unterstützen. Konsequenterweise ist sich der Mitarbeiter, der die Ziele empfängt, weniger seines Freiraums zur Umsetzung bewusst als vielmehr der schieren Unmöglichkeit, das Ziel zu erreichen. Das Resultat ist nicht die erwünschte hohe Motivation der Mitarbeiter, sondern Resignation und das Gefühl, mit einem unerreichbaren Ziel alleine gelassen zu werden. Dabei geht es auch anders.

Konkreter Lösungsansatz
Mit einer kleinen Ergänzung von MbO können Ziele so gesetzt werden, dass die Motivation der Mitarbeiter spürbar steigt. In einem gemeinsamen, dreiteiligen Gespräch werden die wesentlichen Elemente
der Zielerreichung gemeinsam diskutiert. Das folgende Beispiel demonstriert, wie dies in der Praxis ablaufen kann. Teil 1: Herr Huber, Geschäftsführer, spricht mit seinem Bereichsleiter Keller über die
Ziele für dessen Bereich «Consumer». Auf dem Tisch vor ihnen liegt ein noch leeres Blatt. Sie diskutieren über Innovation und die Notwendigkeit, mit neuen Produkten in den Markt zu gehen. Das gemeinsame Ziel wird formuliert: Der Anteil der Neuprodukte im Bereich Consumer ist von heute 22 auf neu 35 Prozent per Ende dieses Jahres zu steigern. Herr Huber schreibt das Ziel in die Mitte des Zielblatts.



Positive Formulierung, klare Quantifizierbarkeit
Dieses Ziel ist wohlformuliert, denn es ist positiv dargestellt, klar quantifiziert und mit eindeutigem Zielbesitz. Eine positive Formulierung entspricht der Informationsverarbeitung unseres Gehirns. Wenn jemand beispielsweise sagt, «denken Sie nicht an einen Hund», dann erzeugt unser Gehirn zuerst das Bild eines Hundes. In unserer Vorstellung ist dann also unmittelbar das präsent, was wir nicht wollen (den Hund), anstatt das, was wir wollen. Ist das Ziel beispielsweise «weniger Reklamationen », so lässt diese Formulierung zuerst an reklamierende Kunden denken ? etwas, das für die meisten Menschen wenig attraktiv ist! Fasst man das Ziel anders, zum Beispiel als «mehr Kundenzufriedenheit », entsteht das Bild eines zufriedenen Kunden und damit sofort mehr Motivation. Es lohnt sich also in jeder Hinsicht, Ziele positiv darzustellen.

Der zweite Aspekt des wohlgeformten Ziels ist die Quantifizierung: Nur wenn die Fragen nach dem «wie viel» und «bis wann» beantwortet werden, kann die Zielerreichung letztlich auch gemessen
werden. Das ist hier der Fall. Drittens ist der Zielbesitz entscheidend: Der Zielempfänger muss die Verantwortung, die Fähigkeiten und auch die Kompetenzen besitzen, um das Ziel zu erreichen. Im
Beispiel liegt der Zielbesitz bei Bereichsleiter Keller, der diese Kriterien erfüllt.

Fehlende Überzeugung
Eigentlich alles in Ordnung? Nicht ganz, denn Herr Keller ist im Zweifel. Das Ziel ist ausserordentlich anspruchsvoll. Er hat zwar Herrn Huber etwas «heruntergehandelt », denn dieser wollte ursprünglich
nicht nur eine Steigerung auf 35 Prozent, sondern gar auf 40 Prozent. Aber sind denn die 35 Prozent wirklich realistisch? Herr Keller ist nicht überzeugt. An dieser Stelle wäre der klassische MbOProzess
jetzt beendet. Das Ziel ist definiert und der Mitarbeiter wird in die Umsetzung entlassen. Doch wie steht es um seine Motivation? Ist er von der Umsetzbarkeit dieses Ziels überzeugt? ? Offensichtlich
ist noch mehr nötig, um die gewünschte Motivation zu erzeugen. Jetzt setzt der Prozess des Zielbaums ein. Er erweitert das Zielvereinbarungsgespräch um wesentliche Elemente.

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Einsatz des Zielbaums
Teil 2: Herr Huber stellt Herrn Keller die Frage: Wie sieht unser Unternehmen aus, wenn wir das Ziel erreicht haben? Was hat sich verändert? Welche neuen Elemente sind hinzugekommen? Wer ist alles beteiligt? Und gemeinsam diskutieren sie über die geschäftliche Situation bei Zielerreichung, als ob diese schon heute Realität wäre. Wenn wir die Zukunft vorwegnehmen und so tun, als sei diese bereits heute aktuell, bewegen wir uns in einem so genannten Als-ob-Rahmen (der auf den deutschen Philosophen Hans Vaihinger zurückgeht). So-tun-als-ob ist nämlich der normale Prozess des Gehirns beim Konstruieren unserer Wirklichkeit. Eine gute Strategie zum Vorbereiten einer Sitzung ist beispielsweise, gedanklich so zu tun, als ob die Sitzung gerade stattfinden würde: wie sieht das Sitzungszimmer aus, hat es einen Beamer, wer sind die Teilnehmer, die Traktanden, die Argumente, usw.?

Ökologie des Gesamtsystems
Das Resultat der Diskussion von Huber und Keller wird auf das Zielblatt eingetragen, und zwar als die «Blätter» des Zielbaums. Gemeinsam finden die beiden heraus, dass bei Zielerreichung beispielsweise
zwei neue Technologien in Produkte eingesetzt oder die Verkäufer neu ausgebildet wurden. Dies sind wertvolle Erkenntnisse und Informationen, die die Zielerreichung massgeblich unterstützen. Aber ist das auch realistisch? Wiegen die Vorteile schwerer als die Nachteile? Die Erreichung jedes Ziels bringt neben den attraktiven Vorteilen auch Nachteile mit sich. Ressourceneinsatz in Form von Zeit und Geld, Investitionen in Maschinen und Anlagen, persönliche Faktoren (Familie, Burn-out), vielleicht sogar eine Reorganisation ? alles Aspekte, die berücksichtigt werden wollen. Diese Thematik kann unter dem Begriff Ökologie des Gesamtsystems gefasst werden. Die positiven Auswirkungen auf das Unternehmenssystem sollten die negativen aufwiegen.

Und genau diese Diskussion führen die beiden Herren jetzt miteinander. Schritt für Schritt werden die Konsequenzen der Zielerreichung diskutiert, bis beide zum Schluss kommen, dass sich die Anstrengung lohnt. Mit diesem Wissen ist Herr Keller auch für seine «Hausaufgabe» gerüstet: die Formulierung der Testkriterien für die einzelnen Zielblätter. Woran kann erkannt werden, dass zum Beispiel die «Zusammenarbeit Vor- und Produktentwicklung » plangemäss verläuft? Die Ableitung von Indikatoren für die einzelnen Elemente des Zielbaums hilft später in der operativen Umsetzung. Quantitativ oder qualitativ messbare Indikatoren dienen auch als Frühwarnsystem. Laufen sie aus dem Ruder, ist die Zielerreichung gefährdet und es besteht Handlungsbedarf.

Den Weg bestimmen
Teil 3: Was jetzt noch fehlt, ist der Weg zum Ziel. Welche Ressourcen können wie und mit welchem Effekt eingesetzt werden? Herr Keller besteht darauf, dass er Fritz Müller als bewährten Projektleiter
einsetzen kann (Ressource). Denn nur, wenn Müller das Integrationsteam leitet (Aktivität), ist aus der Sicht von Herrn Keller die Termineinhaltung (Effekt) gewährleistet. Herr Huber gibt ihm die Zusicherung, dass er den gewünschten Projektleiter bekommt. Die beiden diskutieren noch weitere Faktoren, die die Realisierbarkeit günstig beeinflussen. Schliesslich ist das Gespräch beendet.
Herr Huber bedankt sich bei seinem Mitarbeiter, und Herr Keller verlässt das Büro. Keller weiss: Das diskutierte Ziel ist anspruchsvoll und wird ihn an seine Leistungsgrenzen bringen. Und gleichzeitig hat er das Gefühl, dass es machbar ist. Er hat eine klare Vorstellung des Ziels. Er ist überzeugt, dass die Vorteile die Nachteile überwiegen. Er kennt Ansätze, wie er das Ziel umsetzen kann. Seine Motivation ist bedeutend höher als nach dem ersten Teil des Gesprächs.

Genügend Zeit nehmen
Die Praxiserfahrung zeigt: der Einsatz des Zielbaums als Erweiterung des klassischen MbO-Gesprächs braucht mehr Zeit. Für die gemeinsame Erstellung des Zielbaums sind etwa 30 bis 45 Minuten pro Ziel nötig. Führungskräfte und Mitarbeiter müssen sich zuerst daran gewöhnen, gemeinsam in dieser strukturierten Art und Weise über Ziele zu sprechen. Die Motivation der Mitarbeiter wird dadurch positiv beeinflusst. Die Erfahrung zeigt, dass in 80 Prozent der Fälle die Motivation deutlich steigt, in 10 Prozent etwa gleich bleibt und in 10 Prozent der Fälle sinkt. Eine sinkende Motivation wurde dort beobachtet, wo das Ziel als unrealistisch empfunden wurde. In den meisten Fällen liess sich dies auf die Zielhöhe (Formulierung) oder den Zielbesitz (z.B. mangelnde Kompetenzen oder Fähigkeiten zur
Umsetzung) zurückführen. Motiviert und zielstrebig Die meisten Führungskräfte sind sich einig, dass sich der Mehraufwand an Zeit zu Beginn der Zielformulierung lohnt. Sie nennen zwei Hauptgründe: Erstens sind die Mitarbeiter viel motivierter, was sich positiv auf die Zielerreichung und die Unternehmenskultur auswirkt. Zweitens haben sie mit dem Zielbaum eine Diskussionsgrundlage geschaffen, um in der Umsetzungsphase systematisch über den Grad der Zielerreichung und die Konsequenzen von Veränderungen im Umfeld (inner- und ausserbetrieblich) sprechen zu können.





Neuro-Linguistisches Programmieren
Der in diesem Fachartikel beschriebene Zielbaum-Prozess beruht auf Elementen des Business-NLP. Seit etwa 30 Jahren untersucht und entwickelt NLP (Neuro-Linguistisches Programmieren) die effektivsten Kommunikationsinstrumente und -strategien. Ursprünglich stammen diese aus Psychotherapie und Coaching, wo sie auch heute noch eingesetzt werden. Business-NLP übersetzt diese Methoden auf die Bedürfnisse von Menschen im Geschäftsalltag: Gesprächsführung, Präsentationstechniken, Mitarbeiterführung, Teamentwicklung, Verkauf, Konfliktmanagement usw.

Weitere Informationen:
Institut für Business-NLP
Krämermatt 2
CH-6330 Cham
Tel. 041 780 13 41
www.business-nlp.ch

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