Marcel Ospel: «Die schlimmsten Einbrüche liegen hinter uns»
Die Konjunktur in der Schweiz steht nach Ansicht von UBS-Verwaltungsratspräsident Marcel Ospel vor einer sanften Trendwende im zweiten Halbjahr 2003. Die UBS sieht sich für den Aufschwung gerüstet, steht aber weiter auf der Kostenbremse.
UBS-VR-Präsident Marcel Ospel
Herr Ospel, die Prognosen über die konjunkturelle Entwicklung nach dem raschen Ende des Irak-Krieges sind derzeit geteilt. Einige Ökonomen erwarten bereits im Herbst 2003 einen Aufschwung, andere erst im Jahresverlauf 2004. Was ist Ihre Prognose?
Marcel Ospel: Es liegt in den Händen der Behörden, ein psychologisch und regulatorisch günstiges Umfeld für die Volkswirtschaft zu schaffen. Ich bin zuversichtlich und erwarte daher ein sanfte Trendwende in der zweiten Jahreshälfte 2003.
Wie sehen Sie die Entwicklung der Finanzmärkte vor diesem Hintergrund in den kommenden Monaten? Die UBS hat stets betont, sie sei für einen Aufschwung gut gerüstet. Die jüngsten Zahlen zeigen aber auch, dass die UBS brutal auf der Kostenbremse steht. Könnte sich dies im Aufschwung nicht rächen?
Ospel: Die Rückkehr zu nachhaltigem Gewinnwachstum lässt sich zeitlich nicht voraussagen. Wie wir bereits in den letzten Quartalen bewiesen haben, sind wir durch Kostensenkungen und effizientes Kapitalmanagement aber in der Lage, solide oder gar steigende Renditen für unsere Aktionäre zu erwirtschaften. Gleichzeitig sind wir dank unserer strategischen Initiativen so ausgestattet, dass wir – wie in der Vergangenheit – Wachstumschancen erfolgreich nutzen können.
Die Börsen beginnen sich nach der markanten Abkühlung in den letzten drei Jahren zu stabilisieren. UBS-Konzernchef Peter Wuffli sieht bereits das Ende des Bärenmarktes in Sicht. Macht die UBS angesichts von Gewinnwarnungen und nach unten revidierter BIP-Wachstumsraten in Zweckoptimismus?
Ospel: Obwohl weitere Schwankungen auch in Zukunft nicht ausgeschlossen sind, spüren wir, wie dieser Druck, der auf unserer Industrie lastet, langsam nachzulassen beginnt – und dass die schlimmsten Ertragseinbrüche hinter uns liegen. Unsere Geschäftseinheiten zeichnen sich durch ausgeprägte Wettbewerbsstärke aus. Und wir weichen von unserer strategischen Stossrichtung nicht ab. Natürlich bleiben wir wachsam. Diszipliniertes Kostenmanagement und Effizienzsteigerungen gehören weiterhin zu unseren Tugenden. Die UBS hat letzte Woche das französische Vermögensverwaltungs-Geschäft der Lloyds TSB gekauft. Marktbeobachter erwarten in den nächsten Jahren eine Konsolidierung in der Vermögensverwaltung. Welche Rolle wird die UBS dabei spielen? Ist Wachstum durch Akquisitionen dabei ein Ziel?
Ospel: Wir fokussieren auf organisches Wachstum. Arrondierungsakquisitionen wie diejenige der Lloyds Bank SA sind auch in Zukunft möglich, sofern deren strategische Ausrichtung sowie die Geschäftskultur und der Preis stimmen. Das grenzüberschreitende wie auch das lokale Privatkundengeschäft wird weiter wachsen, jedoch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Die riesigen Löcher in den öffentlichen Haushalten grosser EU-Länder führen zu einer Steuerspirale nach oben. Davon profitieren die Schweizer Banken in Form von Neugeldzuflüssen. Wie gross war dieser Effekt im ersten Quartal 2003? Wie sieht dabei die Aufteilung in onshore/offshore aus?
Ospel: Pauschal gesehen erhärtet sich diese Vermutung nicht. Wir haben im Private Banking im ersten Quartal Neugeldzuflüsse von insgesamt 7,4 Milliarden Franken verzeichnet. Davon entfielen 0,4 Milliarden Franken auf die Vermögensverwaltung von Schweizer Privatkunden. In den fünf europäischen Kernmärkten akquirierten wir einen Nettozufluss von 3 Milliarden Franken. Dabei handelt es sich um on-shore-Vermögen. Die verbleibenden 4 Milliarden Franken entfallen auf internationale Privatkunden im grenzüberschreitenden Geschäft, bei dem sich die Zuflüsse homogen über die verschiedenen geografischen Regionen verteilen. Die EU sucht neue Einnahmequellen, um die Haushaltslöcher zu stopfen. Die Debatte um die Zinsbesteuerung könnte neu entfacht werden. Bereits heute zeichnet sich ab, dass die EU den Druck auf das Schweizer Bankgeheimnis (via OECD) aufrecht erhalten wird. Auch ernsthafte Stimmen behaupten, das Bankgeheimnis sei längerfristig ein Auslaufmodell.
Ospel: Die EU-internen Diskussionen über die Richtlinien zur Zinsbesteuerung dauern schon über zehn Jahre an. Ich bezweifle deshalb, dass die nun gefundene Lösung nochmals neu diskutiert werden wird. Zudem ist die ursprüngliche These, wonach die EU weiterhin aktiv auf die Aufhebung des Bankgeheimnisses in der Schweiz hinarbeiten soll, kein Thema mehr. Das Bankkundengeheimnis hat eine solide Zukunft. Die «ernsthaften Stimmen» übersehen, dass es einen starken Rückhalt im Schweizer Volk hat. Es wäre deshalb nicht ganz so einfach abzuschaffen – vor allem nicht durch Druck von aussen. Das Bankkundengeheimnis in der Schweiz stützt sich zudem nicht nur auf gesetzliche Vorschriften, sondern ist auch Ausdruck einer Tradition zum Schutz der Privatsphäre. Und man darf nicht vergessen: Weil eben das Bankkundengeheimnis in der Schweiz klare Grenzen kennt, und weil wir in der Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung weltweit führend sind, bewegen sich die Gegner argumentativ auf sehr dünnem Eis. Der Betrugs- und Insiderskandal bei der US-Krankenhauskette HealthSouth wirft ein schlechtes Licht auf die UBS Warburg. SEC und FBI haben Ermittlungen aufgenommen. Wie stellen Sie sich zu diesen Vorwürfen? Wenn sich die Vorwürfe erhärten sollten, könnte der UBS ein saftige Busse drohen.
Ospel: UBS Warburg unterstützt die laufenden Ermittlungen im Fall HealthSouth. Es wurden bis heute keinerlei Hinweise gefunden, wonach Mitarbeiter von UBS Warburg Kenntnis von Bilanzfälschungen bei HealthSouth hatten. Sollte sich in Zukunft ein Verstoss gegen unsere ethischen Grundsätze oder unsere Geschäftsprinzipien feststellen lassen, würden wir keine Sekunde zögern, entsprechende Massnahmen zu ergreifen. (afx/scc/koj)