Marchionne: Der Mann im Wollpullover – in 5 Jahren zum Star-Manager

Marchionne, Vizepräsident der Grossbank UBS, will nichts weniger als einen neuen Weltkonzern schaffen: Eine Dreier-Fusion mit Chrysler und Opel soll einen solchen neuen Riesen-Autobauer entstehen lassen, der sogar VW hinter sich lassen würde. Marchionne hatte vor wenigen Monaten den Kern seiner Vision verkündet: Künftig werde es nur noch fünf oder sechs grosse Autohersteller auf der Welt geben. Nun will der Manager offenbar schnell Tatsachen schaffen, um zu dieser Gruppe zu gehören. Der Fiat-Chef überrascht damit erneut die gesamte Autobranche. Doch für ungewöhnliche Aktionen im Grossen wie im Kleinen ist Marchionne bekannt.


Locker und sorgenfrei
So war sein Bild einst auf allen Zeitungen im modebewussten Italien, als er im Pullover vor ein hochkarätiges Auditorium trat. Parallel dazu liess er damals sein Lieblingslied «Don’t worry – be happy» einspielen. Locker und sorgenfrei präsentiert sich der verheiratete Vater zweier Töchter gerne. Marchionne ist ein Quereinsteiger. Er hat lange in Kanada gelebt und die doppelte Staatsbürgerschaft. In dem nordamerikanischen Land absolvierte er sein Jura- und Management-Studium, bevor er als Steuerexperte beim Wirtschaftsprüfer Deloitte & Touche die ersten Berufserfahrungen sammelte.


Wahlschweizer
Seit den 90er Jahren arbeitete Marchionne in der Schweiz – wo er bis heute einen Wohnsitz hat. Beim Genfer Zertifizierungs-Weltmarktführer SGS war Marchionne Chef, bevor er 2004 zu Fiat nach Turin gerufen wurde. Zwischen 1996 und 2002 war Marchionne Chef der Alusuisse Lonza und nach der Fusion von Alusuisse und Alcan leitete er die abgespaltene Lonza Group.


Noch bei der UBS
Seit 2007 sitzt Marchionne im Verwaltungsrat der Grossbank UBS. Doch gemäss Händler dürfte er dieses Amt bald abgeben, weil ihn seine Autopläne stärker beanspruchen könnten. «Ich kann nicht alles machen, deshalb ist es unwahrscheinlich, dass ich mich bei der UBS kommendes Jahr zur Wiederwahl stelle», sagte er in der «Financial Times».


Lob von Obama
An der Fiat-Spitze sammelt Marchionne in den ersten Jahren so viele Erfolge, dass von der «Marchionne-Methode» oder «Marchionne-Revolution» gesprochen wurde. Der Manager tanzte auf allen Bällen – und schien überall anzukommen, bei Politikern, Gewerkschaftern und in den Medien. Auch US-Präsident Barack Obama lobt Fiat überschwänglich. Die Tageszeitung «La Repubblica» schrieb, Detroit – der Sitz der grossen US-Autobauer – werde zu einer «Provinz von Turin».


Bisher nur Erfolge
Doch dürfte nicht jeder Mitarbeiter an den Methoden des Herrn Marchionne Gefallen finden. In die Führungsetagen hat er breite Schneisen geschlagen und ein Team neuer, junger Führungskräfte installiert. Bisher allerdings ist dem Quereinsteiger alles gelungen. Doch nicht wenige fragen sich, ob sich Marchionne bei seinem jüngsten Projekt der Dreier-Allianz nicht übernommen hat.


«Hochzeit im Himmel»
Zunächst stehen den Weltkonzern-Fantasien vor allem noch Widerstände in Deutschland im Wege. Gewerkschaften und Teile der Politik warnen vor einem Einstieg der Italiener bei Opel. Die Kritiker dürfte Marchionne kaum beruhigt haben, als er nun die geplante Allianz als «Hochzeit im Himmel» ankündigte. Mit diesem Titel war schon die Fusion von Daimler mit Chrysler apostrophiert worden. Das Mega-Projekt ist längst gescheitert – und sein Urheber, Ex-Daimler-Chef Jürgen Schrempp, gilt vielen als Symbol automobilen Grössenwahns. (awp/mc/ps/30)

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