Marco Berg, Geschäftsführer Stiftung Klimarappen: «In welchem Sektor das CO2 reduziert wird, ist für das Klima ebenso unerheblich wie, an welchem Ort es reduziert wird»

von Patrick Gunti


Herr Berg, die Stiftung Klimarappen hat Ende Juni den definitiven Businessplan für die Periode von 2007-2012 vorgelegt. Können Sie uns die wichtigsten Fakten und Zahlen zusammenfassen?


Die Stiftung hat sich dem Bund gegenüber verpflichtet, im Zeitraum 2008 bis 2012 CO2-Emissionsreduktionen im Umfang von 9 Mio. Tonnen zu bewirken. Dazu stehen der Stiftung jährliche Mittel von rund 100 Mio. Fr. aus einer Abgabe auf Benzin- und Dieselölimporten in der Höhe von 1,5 Rp. pro Liter zur Verfügung. Vorgesehen ist, 375 Mio. Fr. in nationale Projekte in den Bereichen Gebäudeerneuerung, Verkehr, Prozesswärme, Abwärmenutzung und Raumwärme zu investieren. Im Ausland werden 210 Mio. Fr. zum Kauf von Kyoto-Zertifikaten aus Projekten hoher Qualität eingesetzt. Im Inland können damit voraussichtlich 2,5 Mio. Tonnen CO2, im Ausland 10,2 Mio. Tonnen CO2 reduziert werden. Es verbleibt eine strategische Reserve von 110 Mio. Fr., über deren Verwendung der Stiftungsrat nach Genehmigung des Businessplans durch den Bund entscheiden wird.


Die CO2-Reduktion von 12,8 Mio. Tonnen liegt deutlich über dem Zielwert von 9 Mio. Tonnen. Von den Umweltverbänden wird aber kritisiert, dass nur gerade 2,6 Mio. Tonnen in der Schweiz verringert werden. Ihre Reaktion?


Die Kritik ist unverständlich. Die Zahl liegt deutlich über den Erwartungen. Der Vertrag mit dem Bund verlangt lediglich 1 Mio. Tonnen im Inland. Zwei Drittel der Mittel werden im Inland eingesetzt, wo die CO2-Reduktion einen Faktor 5 teurer ist als im Ausland.


Verstehen Sie Kritiker, die hier eine Art Ablasshandel sehen, im Stile von «wir verschmutzen zwar, aber wir zahlen auch dafür»?


Nein. Erstens: Wenn für die Verschmutzung gezahlt wird, ist das ja erwünscht, da verursachergerecht. Zweitens: Die CO2-Emissionen werden effektiv reduziert, und das Klima wird nicht durch inländische Reduktionen mehr geschont als durch ausländische. Drittens: Der Klimawandel betrifft unser Leben vor dem Tod – ein guter Grund, etwas gegen ihn zu unternehmen. Mit dem Ablasshandel erkaufte man sich hingegen eine gute Position für das Leben nach dem Tod, und über dieses wissen wir herzlich wenig.


«Der Klimawandel betrifft unser Leben vor dem Tod – ein guter Grund, etwas gegen ihn zu unternehmen.» (Marco Berg, Geschäftsführer Stiftung Klimarappen)


Es ist offensichtlich, dass der Klimarappen die steigenden Verkehrsemissionen im Inland nicht reduzieren kann. Die Stiftung Klimarappen erfüllt zwar den mit dem Bund geschlossenen Vertrag, das politische Ziel wird aber verfehlt. Wird die CO2-Abgabe also wieder verstärkt zum Thema und welche Folgen hat das aus Ihrer Sicht für die Stiftung Klimarappen?


Das politische Ziel des CO2-Gesetzes ist die Reduktion der schweizerischen CO2-Emissionen um 10% gegenüber 1990 im Durchschnitt der Jahre 2008-2012. Und dieses Ziel wird unter anderem wegen der Stiftung Klimarappen eben gerade erreicht und nicht verfehlt. In welchem Sektor das CO2 reduziert wird, ist für das Klima ebenso unerheblich wie, an welchem Ort es reduziert wird. Das Teilziel, die inländischen Verkehrsemissionen um 8% zu reduzieren, ist unrealistisch. Dieses könnte nicht einmal mit der maximalen CO2-Abgabe von 50 Rp. pro Liter Treibstoff erreicht werden. Für eine solche oder noch höhere Abgabe lässt sich keine politische Mehrheit finden.


Die Stiftung hat von Umweltschutzorganisationen und NGOs schon im Vorfeld ihrer Existenz und bis heute viel Kritik einstecken müssen. Wie präsentiert sich die Zusammenarbeit mit diesen Organisationen?


Eine Zusammenarbeit im eigentlichen Sinne gibt es nicht. Wir sind aber immer wieder im Gespräch mit Umwelt-NGOs und haben unsere Kriterien für Projekte zum Teil mit diesen abgestimmt. Die Kritik bezweifelt im übrigen die Wirksamkeit der Tätigkeit der Stiftung im Vergleich mit der CO2-Abgabe. Die Arbeit der Stiftung wird von den Organisationen jeweils als seriös beurteilt.


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Die Investitionen der Stiftung Klimarappen im Ausland sind beachtlich. Die Stiftung will für 210 Mio. Franken 10,2 Mio. Kyoto-Zertifikate aus Klimaschutzprojekten erwerben. Welche Projekte stehen im Vordergrund?


Im Vordergrund stehen Projekte zum Einsatz erneuerbarer Energien, insbesondere auch bei der Stromerzeugung. Wir legen ein Schwergewicht auf kleinere, besonders nachhaltige Projekte. Einige davon erfüllen den Gold-Standard des WWF.


Die für die Schweiz vorgesehenen 2,6 Mio. Tonnen verringerter CO2-Ausstoss erfolgen in den Programmen Gebäude, Projektfinanzierungen und Zielvereinbarungen. Welches sind hier die wichtigsten Projekte?


Im Gebäudeprogramm geht es um Wärmedämmmassahmen an bestehenden Gebäuden. Wir rechnen mit bis zu 10’000 Projekten. Ansonsten handelt es sich um grössere Projekte zur Nutzung von Holzenergie oder von Abwärme oder um CO2-Reduktionsmassnahmen in der Industrie. Hinzu kommen Projekte im Verkehrsbereich, die fossile Treibstoffe sparen oder durch Biotreibstoffe ersetzen.


«Die Themen Energie und Klima werden das 21. Jahrhundert wesentlich mitbestimmen.» (Marco Berg, Geschäftsführer Stiftung Klimarappen)


Wie erhält die Stiftung Klimarappen Kenntnis von den einzelnen Projekten, einerseits im Inland, andererseits im Ausland?


Wir haben im Inland wie im Ausland zum einen Programme lanciert, bei denen man sich als Projektinitiant bewerben kann, wenn man die Voraussetzungen erfüllt. Zum anderen haben wir Vermittler mit besonderen Marktkenntnissen engagiert, die uns Projekte zuhalten und dafür im Erfolgsfall eine Provision erhalten. Auch international werden wir als attraktiver Käufer von Zertifikaten wahrgenommen.


Welches waren aus Ihrer Sicht die bisher überzeugendsten Projekte?


Wir haben bereits über 1000 Verträge unterzeichnet, da fällt es nicht leicht, einzelne herauszuheben. Wir sind stolz, die ersten Kyoto-Zertifikate aus einem Verkehrsprojekt erworben zu haben, bei dem in Bogotà in Kolumbien ein neues Bustransportsystem errichtet wird. In Honduras wird bei einem Gold Standard-Projekt Biogas aus der Palmölindustrie gewonnen und genutzt, welches sonst als Methan in die Atmosphäre entweichen würde. Ein Molekül Methan ist 21 mal so treibhauswirksam wie ein Molekül CO2. Diese und eine Auswahl inländischer Projekte finden sich übrigens laufend erweitert und aktualisiert auch auf unserer Webseite beschrieben.


Klimaschutz wird nicht nur immer wichtiger, er wird in der Gesellschaft auch verstärkt wahrgenommen und gelebt. Für wie nachhaltig halten Sie diesen Trend zur Nachhaltigkeit?


Umweltthemen unterliegen Konjunkturzyklen. Auch der Klimaschutz wird verglichen mit der heutigen Hochphase wieder eine Baisse erleben. Längerfristig stellt der Klimaschutz aber einen Megatrend dar, nicht zuletzt auch wegen der Verquickung mit der Frage der Energieversorgung. Die Themen Energie und Klima werden das 21. Jahrhundert wesentlich mitbestimmen.


Herr Berg, wir bedanken uns herzlich für das Interview.






Zur Person:
Dr. Marco Berg (41) hat an der ETH Zürich Physik studiert und in Umweltwissenschaften dissertiert. Er begann seine berufliche Laufbahn 1997 bei der Erdöl-Vereinigung, wo er für die Gebiete Treibstoffe, Umwelt und Forschung zuständig war. 2002 wechselte er zur Factor Consulting + Management AG, einem Beratungsunternehmen im Bereich internationaler Klimaschutz und nachhaltige Energieversorgung. Seit Oktober 2005 ist er Geschäftsführer der Stiftung Klimarappen.


Zur Organisation:
Die Stiftung Klimarappen ist eine freiwillige Massnahme der Schweizer Wirtschaft für einen wirksamen Klimaschutz. Sie hat sich gegenüber dem Bund verpflichtet, im Zeitraum 2008 bis 2012 neun Millionen Tonnen CO2 zu reduzieren, davon mindestens eine Million Tonnen im Inland. Finanziert wird die Stiftung Klimarappen durch eine Abgabe von 1,5 Rappen pro Liter auf allen Benzin- und Dieselimporten.

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