Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm – insofern überrascht das Debüt der Brasilianerin Maria Rita nicht im geringsten. Sie ist die Tochter der unvergessenen Diva Elis Regina sowie des einflussreichen Komponisten und Pianisten Cesar Camargo Mariano.
Von Patrick Gunti
Das selbstbetitelte Album wird in Brasilien als wohl aufregendstes Debüt der brasilianischen Szene seit den 60er Jahren gefeiert, als Gilberto Gil, Milton Nascimento oder Tom Zé den Tropicalismo schufen. Dies sahen auch die Mitglieder der Latin Academy of Recording Arts & Sciences so und zeichneten das Album am 1. September mit einem Grammy für das beste Newcomer-Album aus. Mit ihrer Ahnengalerie gehört natürlich auch Maria Rita in diese Traditionslinie der Musica Popular Brasileira.
Musikalische Eigenständigkeit
Rita hat mit ihrem Debüt ziemlich lange zugewartet. Mit 26 Jahren gelingt es ihr nun aber gleich zu Beginn der Karriere, trotz ihrer Vorfahren eine musikalische Eigenständigkeit zu schaffen. Die Mischung aus ihrer bezaubernden Stimme, der Leichtigkeit lateinamerikanischer Klänge, dem Drive des Tropicalismo und einer grossen Portion Jazz-Feeling ist einmalig. Das Album hat in Brasilien denn auch wie ein Bombe eingeschlagen. Innerhalb einer Woche hatte es bereits Goldstatus und mittlerweilen sind 500’000 CD’s und 90’000 DVD’s mit einer Konzertaufnahme aus Sao Paulo über die Ladentische gegangen.
Hilfe eines Nationalsymbols
Der mitreissende Opener des Albums, „A Festa“ wurde von Milton Nascimento geschrieben, und avancierte auch als erste Single-Auskopplung zum Hit. Nascimento bot seiner „musikalischen Enkelin“ ausserdem seinen Hit „Encontros e Despedidas“ an, was sich Maria Rita nicht entgehen liess und den Song mit viel Violinen, Violas und Celli schmückte.
Klänge der jüngeren Generation
Bei „Menina da Lua“, einem Song von Renato Motha, ist mit einer Improvisation auch Ritas berühmter Vater Cesar Camaro Mariano zu hören. Rita gehört aber zu einer jüngeren Generation, und deshalb liess sie Marcelo Camelo, den Sänger der Rockband Los Hermanos, drei Songs schreiben. Herausragend dabei ist ihre Interpretation des Los-Hermanos-Hits „Veja Bem Meu Bem“.
Gänsehaut unter tropischer Sonne
Ein weiterer Höhepunkt ist ein Klassiker aus den Anfängen der Musica Popular Brasileira von Rita Lee, „Agora So Falta Voce“. Hinreissend auch ihre Interpretation des Buena-Vista-Social-Club-Hits „Dos Gardenias“. Alles in allem schlicht Gänsehaut unter tropischer Sonne! (Vertrieb: Warner Music)
Brian Wilson – “Gettin In Over My Head”
Als Autor zahlreicher Hits der „Beach Boys“ gehört Brian Wilson ohne Zweifel zu den einflussreichsten Songwritern der Pop-Geschichte. Nach sechs Jahren Pause legt der Pop-Veteran jetzt sein drittes Solo-Album „Gettin In Over My Head“ vor – und pendelt damit zwischen Klasse alter Zeiten und musikalischer Trivialität.
Songs wie „Soul Search“ – ein Posthum-Duett mit seinem Bruder Carl, das Wilson um eine alte, bislang unveröffentlichte Gesangsspur arrangierte – oder „You’ve Touched Me“ lassen die guten alten Zeiten wieder aufleben. Der Charme der „Beach Boys“ kommt hier zum Zuge und man ist versucht, das Surfbrett aus der Garage zu holen.
Prominente Unterstützung
Weil Wehmut aber wohl noch kein Grund ist, ein Album zu kaufen, hat sich Brian Wilson tatkräftige Unterstützung ins Studio geholt – mit unterschiedlichem Erfolg. Paul McCartney macht „A Friend Like You“ zu einem rührenden Stück, Eric Clapton bleibt auf „City Blues“ eher unauffällig, während das Duett mit Elton John auf dem Opener „How Could We Still be Dancin“ schlicht daneben gegangen ist.
Musikalische Achterbahnfahrt
Auch der Rest des Albums ist ein Auf und Ab – zurück zu den Highlights gelangt die Hörerschaft beim Song „Rainbow Eyes“ – einem sentimentalen Meisterwerk – um dann gleich bei „Saturday Morning In The City“ wieder auf dem Niveau einer Schulklassen-Probe in der Aula zu landen. „Fairy Tale“ dagegen versöhnt wieder rundum.
Zwischen Genialiät und Abgrund
Man ist versucht, den Ursprung dieser musikalischen Achterbahnfahrt im Leben des Brian Wilson zu suchen. Auch dieses pendelte durchs Band zwischen musikalischer Einzigartigkeit und menschlichem Abgrund. Ein begnadetes musikalisches Talent, privat aber immer von Depressionen und Süchten geplagt. „Gettin In Over My Head“ – es bleiben zwiespältige Gefühle. (Vertrieb: Warner Music)