Martin Bachmann, CEO Maurice Lacroix SA
von Jolanda Lucchini
Herr Bachmann, Sie wurden am 1. November 2008 CEO von Maurice Lacroix und konnten bereits ein paar Tage später – quasi als Antrittsgeschenk – für das Uhrenmodell «Starside Eternal Moon» den prestigeträchtigen Publikumspreis «Grandprix d’Horlogerie de Genève» entgegen nehmen. Was bedeutete das für Sie?
Die Auszeichnung bringt verschiedene für Maurice Lacroix erfreuliche Entwicklungen zum Ausdruck. Einerseits die Wertschätzung der Innovationskraft, Kompetenz und Leidenschaft unseres ganzen Teams, andererseits die Tatsache, dass unser Schaffen durch ein breiteres Publikum auch in Relation zur absoluten Elite der Schweizer Uhrmacherkunst zur Kenntnis genommen wird.
Schlägt sich das auch positiv in Zahlen nieder? In den zurückliegenden Boomjahren der Uhrenindustrie war Maurice Lacroix laut Medienberichten defizitär.
Die Feedbacks auf die Preisverleihung waren sehr positiv, kurzfristig konnten einige zusätzliche Bestellungen registriert werden. Dieser Preis ist aber in erster Linie ein «Image-Booster». Ein positives Image, welches uns im Kreise der hohen Uhrmacherkunst platziert, ist vor allem langfristig wichtig und wird nachhaltig ein hohes Ansehen bei unseren Konsumenten bewirken.
Was die angeblich defizitäre Situation von Maurice Lacroix in den sogenannten Boomjahren betrifft, so müssen wir darauf verweisen, dass wir als Privatunternehmung keine Zahlen veröffentlichen. Allerdings wurden diese Medienberichte weder bei uns nachgefragt noch richtig recherchiert sind und entsprechen somit nicht den Tatsachen.
«Nicht die ganze Kaufkraft aller Luxuskonsumenten ist zerstört worden, mangelndes Vertrauen aufgrund negativer Meldungen könnte jedoch eine raschere Erholung der Märkte bedrohen.»
Die Schweizer Uhrenindustrie dürfte 2008 ihr erfolgreichstes Jahr überhaupt schreiben. Obwohl im Oktober nur noch ein minimaler Export-Zuwachs von 0,1 Prozent verzeichnet wurde, waren es über die vergangenen zwölf Monate gesehen 12,3 Prozent. Für 2009 wird jedoch eine Abkühlung erwartet. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Es wäre verwegen, für 2009 eine Fortsetzung der äusserst positiven Umsatzentwicklung der letzten paar Jahre zu erwarten. Die weltweiten Verkäufe an Konsumenten vor den kommenden Feiertagen werden eine wichtige Signalwirkung für die Perspektiven 2009 haben, zur Zeit überwiegt bei vielen Vertriebspartnern eher das Bangen denn das Hoffen. Wichtig dabei scheint mir, die effektiven Wirtschaftsprobleme weder zu verniedlichen, noch zu dramatisieren. Nicht die ganze Kaufkraft aller Luxuskonsumenten ist zerstört worden, mangelndes Vertrauen aufgrund negativer Meldungen könnte jedoch eine raschere Erholung der Märkte bedrohen.
Meinen Sie mit negativen Meldungen auch jene, die eben in der Sonntagspresse erschienen ist? Laut ihr rechnet Maurice Lacroix im kommenden Jahr mit einem Umsatzeinbruch von 20 Prozent und muss 20 bis 30 Stellen streichen. Das Kader nimmt Lohnkürzungen in Kauf.
Nein, damit sind die Negativmeldungen aus der internationalen Wirtschaft gemeint. Was unsere Massnahmen betrifft, so können wir als kleineres und unabhängiges Unternehmen auch in dieser schwierigen Situation rasch und flexibel agieren und unsere Zukunft aktiv planen. Wir gehen davon aus, dass – übrigens nicht nur bei uns, sondern in der ganzen Uhrenbranche – der momentan noch erfreuliche Bestelleingang im kommenden Jahr sinken wird und reagieren frühzeitig und transparent. Wir prüfen zurzeit alle Möglichkeiten wie Job-Sharing und verschiedene Arbeitszeitmodelle mit dem Ziel, Stellenkürzungen auf ein Minimum zu reduzieren. Dass sich dabei das Management im Bezug auf die eigenen Bezüge solidarisch mit den Mitarbeitern zeigt, ist für uns eine Selbstverständlichkeit.
Ausserdem ist es uns wichtig, nicht nur die positiven Neuigkeiten transparent zu kommunizieren. Das ist in der Luxusbranche eher unüblich.
In den vergangen Jahren konnten sich vor allem Uhrenfirmen, die teure und exklusive Zeitmesser herstellen, etablieren. Auch Maurice Lacroix hat sich deshalb als Schweizer Manufaktur positioniert und sein Sortiment nach oben ausgerichtet. Ihr neuster Coup: Die Mémoire 1, die die Zeit anzeigt und gleichzeitig ohne zusätzliche Zeiger auch als Stoppuhr dient. Möglich macht das ein einmaliges Uhrwerk aus 537 Komponenten. Das Kaliber wird vorerst in limitierter Auflage von 20 Stück produziert und kostet 360 000 Franken. Wie rechnet sich das für Sie?
Nach einer sehr erfolgreichen Zusammenarbeit im Sponsoring Bereich mit Roger Federer, hat sich Maurice Lacroix darauf konzentriert, das Produkt in den Mittelpunkt unserer Marketingaktivitäten zu stellen. Die Mémoire 1 ist dabei ein Projekt, das nicht nur unsere Innovationskraft und technisches Know-how herausfordert und entwickelt, sondern vor allem auch als Kommunikationsplattform für die Werte der Marke fungiert. So ist die Definition eines nominellen Zielpreises in der Tat eine Mischrechnung und reflektiert nicht zwingend die gesamten Kosten der technischen Entwicklung.
$$PAGE$$
Wie viele Uhren produziert Maurice Lacroix pro Jahr? Wie viele davon sind Luxusuhren?
Wir produzieren um die 100’000 Uhren jährlich, Tendenz in Relation zu steigenden Durchschnittspreisen sinkend. Uhren ab CHF 1’000, d.h. praktisch unsere ganze Kollektion, dürfen gewiss zum Luxussegment gezählt werden.
Erwarten Sie, dass Luxusuhren trotz der weltweit kriselnden Wirtschaft weiterhin gefragt sein werden? Oder werden Sie jetzt eine andere Strategie als Ihr Vorgänger fahren müssen?
Es ist denkbar, dass das Preisbewusstsein bei vielen Konsumenten kurzfristig stärker gewichtet wird. Hier hat Maurice Lacroix mit einem überzeugenden Leistungsausweis auch unterhalb des absoluten Top Segments gute Chancen am Markt. Am mittel- und langfristigen Erfolg der – vor allem mechanischen – Schweizer Luxusuhr ist allerdings nicht zu zweifeln. Unsere Strategie sieht nach wie vor eine kontinuierliche Entwicklung in diese Richtung vor. Es wäre allerdings vermessen, wenn sich Maurice Lacroix bereits heute mit jahrzehntelang auf höchster Stufe etablierten Marken auf Augenhöhe sehen würde. Es freut uns aber sehr, mit überzeugenden Produkten in diesem Segment starke Signale zu senden und jährlich mehr neue Konsumenten zu begeistern.
Welches sind Ihre Key-Märkte? Wo und in welchem Segment sehen Sie am ehesten Wachstumspotential?
Maurice Lacroix ist in Europa stark verankert und hat in den letzten Jahren auch das Geschäft im Europäischen Osten sehr dynamisch entwickelt. Grosses Wachstumspotential besteht für uns nach wie vor in Asien, wo vor allem China eine führende Rolle im Inland- wie auch im regionalen und internationalen Tourismusgeschäft eingenommen hat.
«Unsere unternehmerische Freiheit ist gross, die Entscheidungswege sind kurz, die Aktionäre langfristig orientiert.»
Die Swatch-Tochter Eta hat eben ihre Preise für Uhrwerke um bis zu 12 Prozent erhöht. Ist Maurice Lacroix auch davon betroffen oder werden alle Uhrwerke von der Firma selber entwickelt und produziert?
Unsere Manufakturkaliber sind von diesen Massnahmen nicht betroffen. Wie für den überwiegenden Teil der Schweizer Uhrenindustrie bleibt Eta allerdings auch für uns ein Werkslieferant. Wir prüfen zurzeit, inwieweit wir die erwähnten Preiserhöhungen an unsere Kunden weitergeben müssen oder ob wir in der jetzigen Situation etwas mehr Sensibilität walten lassen können.
Maurice Lacroix hat die Bedeutung ihrer Unabhängigkeit stets unterstrichen. Weshalb ist das so wichtig?
Unsere unternehmerische Freiheit ist gross, die Entscheidungswege sind kurz, die Aktionäre langfristig orientiert. Zudem erlaubt uns unser Status als kleinere Familienunternehmung im Sympathiebereich bei unseren Partnern zu punkten und ein partnerschaftliches Verhältnis zu pflegen.
Könnte die Finanzkrise, wenn sie anhält oder sich verstärkt, die Unabhängigkeit von Maurice Lacroix bedrohen?
Es ist müssig, über diese Frage zu spekulieren. Mein Team und ich konzentrieren uns auf unsere markenstrategischen und operativen Aufgaben.
Welche Bedeutung hat es für Sie, dass Anfang Jahr der Handelsgigant DKSH 19 Prozent von Maurice Lacroix übernommen hat?
Es unterstreicht die Wichtigkeit von Asien für Maurice Lacroix, wo DKSH als unser starker Vertriebspartner fungiert. Auf der anderen Seite ist es Ausdruck der strategischen Bedeutung von Maurice Lacroix im Markenportfolio von DKSH. Wir sind überzeugt, gegenseitig viel profitieren zu können.
Wenn Sie am Ende Ihres ersten Geschäftsjahres wiederum eine Auszeichnung für Maurice Lacroix entgegen nehmen könnten – für welche Leistung oder Innovation hätten Sie sie am liebsten?
Letztendlich sind all unsere Anstrengungen auf den Maurice Lacroix Konsumenten ausgerichtet. Wenn wir am Ende des nächsten Jahres, während dem wir durch gewiss sehr stürmische Gewässer navigieren werden müssen, zur Kenntnis nehmen dürften, dass wir mit innovativen, fair positionierten Produkten, mit persönlichen Dienstleistungen und mit authentischer und transparenter Kommunikation die Markenbindung verstärkt und neue Zielgruppen begeistert haben, wäre dies für meine Mitarbeiter und mich die grösste Auszeichnung.
Herr Bachmann, besten Dank für das Interview.
Zur Person
Martin Bachmann (46) studierte an der Swiss Business School in Zürich und machte einen Abschluss in BBA. Seine Karriere in der Uhrenindustrie begann er 1993 als Direktor und Mitglied des Executive Managments bei Desco Hong Kong Ltd. Von 1996 bis 1999 arbeitete er als Managing Director bei S.A. Desco Singapore Pte Ltd und wurde später zum Managing Director bei S.A. Desco Australia Pty Ltd in Sydney ernannt. Seit März 2001 ist er Mitglied des Executive Management am internationalen Hauptsitz der Maurice Lacroix SA in Zürich. Per 1. November 2008 übernahm er als CEO den Vorsitz der Geschäftsleitung dieser Schweizer Luxusuhren-Manufaktur.