Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Bisang, die Zahlen der Bellevue Group fielen für 2009 ernüchternd aus. Ein Verlust von 95,1 Millionen Franken nach Abschreibungen von 101,8 Millionen, ein immer noch hoher, wenn auch gebremster, Neugeldabfluss von 320 Millionen Franken, ein kleiner Gewinn mit der Bank (12,7 Millionen Franken) und ein Verlust mit dem Asset Management (1,4 Millionen Franken). Was sind die Gründe für dieses offenbar auch für Sie enttäuschende Resultat?
Martin Bisang: Die von uns beeinflussbaren Gründe sind unsere Vorwärtsstrategie im Asset-Management sowie die Verstärkung des Brokerage Teams. Diese unternehmerischen Entscheide haben dazu geführt, dass die Kosten anstiegen.
«Im Moment stehen die Etablierung und das Wachstum der bestehenden Produkte im Vordergrund, Ziel ist die verwalteten Vermögen im Bereich der Publikumsfonds, Hedge Funds und spezialisierten Mandate auf über CHF 5 Mrd zu entwickeln.» Martin Bisang, CEO Bellevue Group
Die von uns weniger beeinflussbaren Gründe sind das negative Marktumfeld (rückläufige / eingebrochene SWX-Volumen), der Margendruck aufgrund der Konkurrenzsituation und die allgemein reduzierteren Zukunftsaussichten der Finanzbranche.
Zusammenfassend weise ich darauf hin, dass die letzte Stunde vor der Dämmerung immer die kälteste ist!
Nach der Abschreibung und einer Neubeurteilung der Entwicklung, welche konkreten Ziele setzen Sie für die Bellevue Group im 2010?
Für die Bank am Bellevue gilt es, die Top-Position im Brokerage und Corporate Finance für Schweizer Aktien zu behaupten.
Bei der Bellevue Asset Management geht es nach dem Um- und Aufbaujahr 2009 darum, die Investitionen und neu geschaffenen ausgezeichneten Voraussetzungen zu materialisieren. Im Vordergrund steht dabei die breite Markteinführung und -bearbeitung für das stark ausgebaute Produktangebot im In- und Ausland. Wir werden überdies weiter an Produkt- und Servicequalität arbeiten, um uns mittelfristig als Qualitätsbrand im Bereich Asset Management zu positionieren.
In Ihrem Firmengebäude, einem offenen, hellen, modern umgebauten ehemaligen Fabrikgebäude direkt am Zürichsee, erinnert nichts an eine Bank, ebenso wenig entsprechen Sie selbst der typischen Vorstellung eines Schweizer Bankers. Was ist die Bellevue Group und wie würden Sie sich selbst charakterisieren?
Die Bellevue Group ist ein hochspezialisiertes Team, das institutionellen Anlegern durch Beratung ermöglicht, in Schweizer Aktien sowie in Spezialgebieten wie Gesundheitswesen und Schwellenländer überdurchschnittliche Renditen in Aktienanlagen zu erzielen. Ich selber sehe uns als ein Rudel von Trüffelschweinen, das sehr systematisch unterbewertete Aktien aufspürt. Dabei sind die meisten Mitarbeiter mit einem grossen Teil ihres Privatvermögens direkt am unternehmerischen Erfolg der Bellevue Group beteiligt, was den Spürsinn nach Trüffeln erhöht.
Bei Ihnen scheint das schlechte Resultat nicht den üblichen Ruf nach Stellenabbau auszulösen. Sie haben in den letzten zwei Jahren den Personalbestand um 50% erhöht und sehen auch jetzt von Entlassungen ab. Ebenso wollen Sie die Aktionäre, fast die Hälfte davon sind Ihre Mitarbeiter, weiterhin mit einer gleichbleibenden Dividende von 4 Franken pro Aktie belohnen. Welche Strategie und Markteinschätzung liegt diesen erfreulichen Entscheiden zugrunde?
Unser Bestreben, die wiederkehrenden Erträge massiv zu erhöhen, sollte darin fruchten, dass schon bald die Dividende wieder aus operativen Erträgen berappt werden kann. Wie schnell das möglich sein wird, hängt zum einen von der Marktentwicklung ab, zum anderen, wie gut wir die Strategie umsetzen.
Im Gegensatz zu vielen Kantonal-, Regional- und mittleren Privatbanken konnte die Bank am Bellevue nicht von der Schwäche der Grossbanken profitieren, obschon die Bellevue Gruppe keinen Eigenhandel betreibt und auch in den toxischen Produkten kaum investiert ist. Weshalb sind Ihrer Gruppe nicht mehr Neukundengelder zugeflossen?
Hierfür gibt es eine einfache Erklärung: Die Verschiebung von Geldern aufgrund des Vertrauensverlustes in die Grossbanken hat vordergründig im Privatkundenbereich stattgefunden. In diesem Segment ist unsere Gruppe nicht tätig.
«Wir sind jedoch überzeugt, uns als unabhängiger Produktanbieter in diesen Kanälen längerfristig positionieren zu können. Dafür hilft uns, dass wir mit CHF 90 Mio. Anschubhilfe für unsere Produkte leisten, was der beste Vertrauensbeweis in die eigenen Produkte ist.»
In unserem Kerngeschäft, welches sich auf institutionelle und intermediäre Kunden ausrichtet, sind wir mit unserem neuen, erweiterten Produkt- und Dienstleistungsangebot erst seit rund einem Jahr unterwegs. Der Track-Record der Produkte ist in Teilbereichen noch zu kurz, um von der sich akzentuierenden Öffnung des Bankenmarktes für Drittprodukte (Stichwort: «Open Architecture») unmittelbar profitieren zu können. Wir sind jedoch überzeugt, uns als unabhängiger Produktanbieter in diesen Kanälen längerfristig positionieren zu können. Dafür hilft uns, dass wir mit CHF 90 Mio. Anschubhilfe für unsere Produkte leisten, was der beste Vertrauensbeweis in die eigenen Produkte ist.
Der Kern der Bellevue Gruppe bildet die tiefgehende Analyse von Schweizer Aktien durch Ihre unabhängigen Spezialisten. Während bei den Grossbanken die erfolgreichen Analysten meist ins Management abwandern, bilden Sie mit diesen Experten ein exklusives Research-Team. Wie können Sie die Kosten dafür in einem Markt mit schrumpfenden Transaktionskosten und -Volumen auffangen und in neue Produkte ummünzen?
Nachdem sowohl die Bank als auch unser Asset Management ihr Geschäftsmodell auf der fundamentalen Analysen von Aktien und einem ausgeprägten «stock-picking»-Ansatz fundieren, bestehen grosse Synergien zwischen diesen Geschäftseinheiten. So profitieren wir bei der Verwaltung spezifischer institutioneller Mandate als auch verschiedenen Anlageprodukten vom kombinierten Know-how der ganzen Gruppe. Ein gutes Beispiel hierfür ist der letztes Jahr aufgelegte Luxemburger Fonds, BB Selection, welcher die besten Anlageideen aller unserer in der Gruppe beschäftigten Analysten und Portfoliomanager in einer gemeinsamen Strategie vereint.
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Nach der Umwandlung Ihrer Beteiligung BB Medtech in einen Fond nach Luxemburgischen Recht verbleibt die BB Biotech als einzige Beteiligungsgesellschaft. Welche Pläne haben Sie für diese Beteiligung und wie beurteilen Sie den nun von 25,45 auf 17% gesunkenen Discount?
BB Medtech war zu klein, um parallel als Beteiligungsgesellschaft und als Fond zu existieren. Im Fall des «flag ships» BB Biotech können wir uns eine Dual-Strategie leisten, das heisst, die Beteiligungsgesellschaft BB Biotech AG mit 1.5 Milliarden Franken und der bereits lancierte schnellwachsende Lux Fond BB Biotech mit über CHF 50 Millionen können problemlos nebeneinander existieren. Der Investor kann aussuchen, in welcher Form er am grossen Entwicklungspotenzial der Biotechnologie teilhaben will.
«Aus meiner Zuschauerrolle in diesem Kampf der Giganten erwarte ich leider eher ein tragisches Ende als ein schweizerisches Happy End. In unseren Nischen werden wir weiter auf «Champions-League» Niveau mitwirken.»
Während für viele Marktbeobachter Afrika wegen seiner unstabilen politischen Verhältnisse, der hohen Korruption, den sozialen und gesundheitlichen Problemen ein «verlorener» oder «vergessener» Kontinent ist, sehen Sie vor allem das Wirtschaftswachstum und die sich daraus ergebenden Chancen, die Sie mit dem BB African Opportunities Fund bewirtschaften möchten. Welches sind die grössten Potentiale Afrikas und wie hoch sind die Chancen, dass diese Potentiale auch zum Tragen kommen?
Auch die Afrikaner sind nicht blind und sehen täglich, was die BRIC Länder in den letzten 20 Jahren erreicht haben. Aufgrund des Ressourcen-Reichtums und des stetigen Bevölkerungswachstums braucht es nun keinen Nobelpreisträger, um das Potenzial des afrikanischen Kontinents zu erkennen.
Um dieses Potential für Anleger auch sinnvoll zu erschliessen, braucht es erfahrene Portfoliomanager, die über ausgezeichnete Kenntnisse dieses Kontinentes und seiner Unternehmen verfügen und einen äusserst risikokontrollierten und risikobewussten Anlageansatz verfolgen. Bellevue Asset Management ist es gelungen, vor einem Jahr genau ein solches Team zu rekrutieren, welches mitunter über einen der besten und längsten Leistungsausweise für Anlagen in diesem Wachstumsmarkt verfügt.
Welche Eigenschaften als ehemaliger Spitzensportler (Orientierungslauf) kommen Ihnen in diesen schwierigen Zeiten als Unternehmer zugute und wo hören die Parallelen von Sport zum Unternehmertum auf?
Beim Orientierungslauf musste ich eine (Routenwahl-) Entscheidung bei jedem Posten treffen; insofern hat es mir bestimmt geholfen, als junger Unternehmer schnell zu entscheiden UND schnell zu korrigieren, wenn ich von der Ideallinie abkam. Erst im Ziel wird die Zeit gemessen. Bellevue ist ein Marathonläufer und nicht ein Sprinter.
Der Schweizer Finanzplatz steht nach wie vor unter immensem Druck. Die Forderungen der USA gegenüber der UBS, die Auflösung des Bankkundengeheimnisses durch die führenden EU-Länder und die uneinheitlichen Signale der politischen Führung verheissen keine schnelle Wende zum Besseren. Wie beurteilen Sie die Zukunft des Schweizer Finanzplatzes und damit verbunden Ihre Strategie, Spitzenleistungen für die Analyse von Schweizer Unternehmen zu liefern?
Es gibt viele Unternehmensleiter, Behörden- und Regierungsvertreter und Politiker, die sich gerne über den ersten Teil der Frage kundtun. Aus meiner Zuschauerrolle in diesem Kampf der Giganten erwarte ich leider eher ein tragisches Ende als ein schweizerisches Happy End. In unseren Nischen werden wir weiter auf «Champions-League» Niveau mitwirken.
Mit dem aktuellen Fokus auf Healthcare (BB Biotech, BB Medtech), auf neue Märkte (BB African Opportunities, BB Silk Road Opportunities) und einzelne selektive Nischen (BB Entrepreneur Europe), wie wird sich die weitere Entwicklung gestalten? Gibt es vor allem eine weitere Diversifizierung oder ein Ausbau der bestehenden Positionen?
Im Moment stehen die Etablierung und das Wachstum der bestehenden Produkte im Vordergrund, Ziel ist die verwalteten Vermögen im Bereich der Publikumsfonds, Hedge Funds und spezialisierten Mandate auf über CHF 5 Mrd zu entwickeln.
Serge Monnerat wird ab April 2010 neuer CEO der Bank am Bellevue. Jürg Schäppi, seit zehn Jahren CEO der Bank am Bellevue und einer der Mitgründer der Bellevue Group, gibt die Führungsfunktion ab. Was werden seine zukünftigen Aufgaben sein und ist dies der Beginn der Ablösung der «Gründergeneration» zu der Sie ja auch gehören?
Die «Gründergeneration» wird nicht jünger, da haben Sie recht. Jürg Schäppi wird sich ab April wieder ausschliesslich auf die Betreuung der Broker-Kunden konzentrieren, was eigentlich in sich eine Steigerung der Kommissionsvolumen ergeben sollte. Ich selber habe nicht vor abzutreten.
Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. Wie sehen die aus?
Erstens: Noch mehr Kunden, die mit unseren Produkten und Dienstleistungen zufrieden sind.
Zweitens: Dass die junge Generation der Bellevue-Führung mehr Erfolg hat als die alte.
Der Gesprächspartner
Martin Bisang CEO Bellevue Group
– lic. rer. pol. Universität Basel
– MBA Harvard Business School, Boston, USA
– seit 1993 bei der Bellevue Group
– zuvor bei der BZ-Gruppe, Zürich/Wilen
– Mandate: Mitglied des Verwaltungsrates der Metalor Technologies International SA
Das Unternehmen
Bellevue Group ist eine unabhängige, in Küsnacht/Zürich domizilierte Schweizer Finanzgruppe, die an der Schweizer Börse SIX notiert ist.