Martin Kallen, CEO UEFA EURO 2008: «Man geht von direkten und indirekten wirtschaftlichen Effekten von 550 Mio. Franken aus»
von Patrick Gunti
Herr Kallen, die WM ist vorbei – in zwei Jahren steht mit der UEFA EURO 2008? in der Schweiz und Österreich das nächste Fussball-Highlight an. Die Euphorie rund um die WM war riesig, auch in der Schweiz. Wie lässt sich diese Stimmung für die EURO 2008 nutzen?
Die Weltmeisterschaft war eine einzige grosse Party. Die Grenzen zwischen den Fangruppen verschwinden. Man feiert gemeinsam. Der Frauenanteil unter den Fans hat rasant zugenommen. Das sind alles Tendenzen, die wir schon bei Europameisterschaft 2004 ausgemacht haben und die sich jetzt weiter verstärkt haben. Diese Entwicklung wird auch 2008 weiter gehen.
Die WM erhielt punkto Organisation Bestnoten. Wie haben Sie die WM vor Ort erlebt und was lässt sich betreffend Organisation auf die Euro 2008 übertragen?
Die FIFA Weltmeisterschaft 2006 stand organisatorisch auf einem sehr hohen Niveau, das Beurteilung fiel allerorts sehr positiv aus. Das gilt auch für mich. Ich habe mich sehr wohl gefühlt und die Tage in Deutschland genossen. In vielen Bereichen gilt, dass wir ähnliche Massnahmen treffen werden. Eine Weltmeisterschaft ist von der Dimension her um einige Nummern grösser als eine Europameisterschaft, da lassen sich viele Dinge nicht 1:1 übertragen. Aber es ist beruhigend zu wissen, dass in vielen Bereichen unsere Ansätze fast deckungsgleich sind.
Was früher fast ein reines Fussball-Turnier war, hat sich mittlerweile zur völkerverbindenden Universal-Unterhaltung entwickelt. (Martin Kallen, CEO UEFA EURO 2008)
Die sogenannten Fanmeilen und Public Viewing-Bereiche waren ein riesiger Erfolg. In welchem Umfang sind solche Happenings auch in der Schweiz und Österreich geplant?
Letztlich waren gut 18 Millionen bei diesen Fanfesten, die Gastgeberstädte haben durchwegs bestmögliche Plätze zur Verfügung gestellt. Wie schon vorher gesagt, was früher fast ein reines Fussball-Turnier war, hat sich mittlerweile zur völkerverbindenden Universal-Unterhaltung entwickelt. Wir hoffen, gemeinsam mit unseren acht Partnerstädten den Trend fortsetzen zu können. Der Imagegewinn wäre für alle Beteiligten enorm. Die Verhandlungen laufen.
Der Verkauf der WM-Tickets war für die meisten Fans ein Ärgernis, und auch das Ziel der FIFA, den Schwarzmarkt zu unterbinden, wurde nicht erfüllt. Wie wird der Ticketverkauf für die EURO 2008 ablaufen und wann beginnt er?
Aus Sicht der Euro 2008 SA ist die Personalienkontrolle aller Ticketinhaber zwar ein guter Ansatz, der allerdings logistisch für uns während der Endrunde nicht durchführbar sein wird, ohne dass es zu zeitlichen Engpässen bzw. langen Wartezeiten käme. Somit wird nur der Name des Kartenkäufers verlangt, welcher wiederum für die Inhaber seiner Tickets haftet. Unser Kartenverkauf beginnt im Frühjahr 2007.
Bei Kontingenten von je 20 Prozent der Tickets für die an einem Spiel beteiligten Verbände und 23 Prozent der Tickets, die an Sponsoren, Medien und die UEFA gehen, kommen pro Spiel im Schnitt nur etwa 11.000 Tickets in den Verkauf. Fürchten Sie nicht, dass Sie den Ticketverkauf für die Fans gar nicht zufriedenstellend organisieren können?
Letztlich gehen pro Spiel mehr als drei Viertel aller Tickets an die Fans ? einerseits durch unsere Website und andererseits durch die teilnehmenden Verbände. Zudem werden auch ein grosser Teil der Sponsorenkarten durch Promotionen an die fussballbegeisterte Bevölkerung zurück gehen. Natürlich ist es so, dass unsere Stadien von der Grösse her mit jenen in Deutschland nicht zu vergleichen sind. Wie bei jeder Grossveranstaltung – wie auch bei vielen Länderspielen der Schweizer Nationalmannschaft – wird die Nachfrage grösser als das Angebot sein. Wir können nur an die Schweizer und österreichischen Fussball-Fans appelieren, gleich zu Beginn der Verkaufsphase sich um Tickets zu bemühen. Dann ist die Chance gross, auch Erfolg zu haben. Der Grossteil der ausländischen Fans bemüht sich traditionell erst später um Tickets, wenn feststeht, ob die betreffende Nationalmannschaft qualifiziert ist oder nicht.
In welcher Grössenordnung werden sich die Ticketpreise bewegen?
Sie werden unter jenen von Deutschland liegen. Mehr dazu im Frühjahr 2007.
An der WM gab es praktisch keine Ausschreitungen, die Stimmung war inner- und ausserhalb der Stadien friedlich. Wie weit wird das Sicherheitskonzept der WM auf die Euro 2008 übertragen?
Wir haben schon in Portugal 2004 diese Erfahrung gemacht. Die Fans der verschiedenen Länder gehen friedlich miteinander um. Vielleicht liegt es auch an der Urlaubsstimmung. Unsere Konzepte sind jenen in Deutschland sehr ähnlich.
Zwei Jahre vor Kick-off: Wie ist der Stand der Vorbereitungen auf die EURO 2008 generell?
Wir liegen sehr gut in der Zeit. Alles läuft in beiden Ländern nach Plan.
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Sie waren bereits OK-Chef der EURO 2004 in Portugal, können also Vergleiche ziehen. Wie weit sind die Schweiz und Österreich bei den Vorbereitungen im Vergleich zu Portugal vor vier Jahren?
Wie schon gesagt, wir liegen im Plan, sind in vielen Bereichen weiter. Aber die Situation lässt sich nur bedingt miteinander vergleichen. In Portugal wurden die meisten Stadien neu gebaut. Auch die organisatorische Struktur war eine andere.
Wir liegen sehr gut in der Zeit. Alles läuft in beiden Ländern nach Plan. (Martin Kallen)
Abgesehen davon, dass die Schweiz die wesentlich erfolgreichere Nationalmannschaft hat: Gibt es Unterschiede bei der Wahrnehmung der EURO 2008 in Österreich und der Schweiz?
Das Interesse wird in beiden Ländern nun spürbar grösser. Die Weltmeisterschaft ist Geschichte, die Qualifikation für die UEFA EURO 2008? hat begonnen. Der Countdown läuft.
Wie sieht es betreffend Sponsoring-Partnerschaften aus? Wie viele Partnerschaften sind vorgesehen und mit welchen Unternehmen konnten bereits entsprechende Verträge abgeschlossen werden?
Es wird zwischen drei Sponsorkategorien unterschieden:
A) EUROTOP-Partner (6) ? das Elite-Sponsoringprogramm. Carlsberg, Coca-Cola, Hyundai/KIA, JVC, MasterCard und McDonald?s geniessen vier Jahre lang weltweite Werberechte für sämtliche Nationalmannschaftswettbewerbe ? bis 2009 werden es insgesamt sieben Endrunden-Turniere sein: angeführt von der UEFA EURO 2008? über die Unter-21- und die Europameisterschaft für Frauen bis hin zur Futsal-(Hallen-)Europameisterschaft.
Die Rechte für die UEFA EURO 2008? beinhalten traditionelle Formen des Marketings wie Bandenwerbung, Veranstaltungswerbung (Plakate usw.), eigene VIP-Bereiche, First-Class-Catering und Kartenkontingente für sämtliche Spiele. Das EUROTOP-Programm bietet darüber hinaus auch Sponsoring von TV-Live-Übertragungen, Internetauftritte, das innovative «Match Partner»-Programm sowie je zwei exklusive Partnerprogramme.
B) EURO-Sponsoren (4, z. B. Continental, Adidas) ? ihre ebenfalls weltweiten Rechte beziehen sich nur auf die UEFA EURO 2008?.
C) Nationale Partner (4 pro Veranstalterland, z. B. UBS für Schweiz, Austria Telekom für Oesterreich) ? mit ausschliesslich nationalen Werberechten.
Neu ist, dass es für EURO-Sponsoren erstmals auch die Möglichkeit gibt, ab August 2006 schon in der Qualifikationsphase der Europameisterschaft aktiv zu werden. Die UEFA bietet in Zusammenarbeit mit den Verbänden ? vertreten durch die Sportmarketing-Agentur SportFive ? Bandenwerbung und Kartenkontingente für über 170 Spiele an. So kann der zeitliche Rahmen für Werbeaktivitäten von knapp vier Wochen auf zwei Jahre ausgedehnt werden.
Welche direkten und indirekten wirtschaftlichen Effekte erwarten Sie von der EURO 2008 für die Schweiz?
Man geht ? gemäss einer Studie von Rütter & Partner ? von direkten und indirekten wirtschaftlichen Effekten in der Höhe von CHF 550 Millionen (EUR 370 Mio.) bzw. einer Bruttowertschöpfung von rund CHF 320 Millionen (EUR 213 Mio.) aus. Bis zu 900’000 zusätzliche Hotel-Übernachtungen und mindestens 3500 neue Vollzeitjobs (auf ein Jahr gerechnet) dürfen erwartet werden.
Letzte Frage: Am 29. Juni 2008 findet das Finale der EURO 2008 statt. Haben Sie schon Pläne, was Sie ab dem 30. Juni 2008 tun werden?
Meine Arbeit für die UEFA EURO 2008 endet nicht mit Schlusspfiff des Endspiels, die Nachbearbeitung dauert Monate.
Herr Kallen, wir bedanken uns für das Interview.
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Zur Person:
Verantwortungsbereiche: Operative Aufgaben im Zusammenhang mit der UEFA EURO 2008TM, Tagesgeschäft der Euro 2008 SA. Werdegang: Die Karriere des Berner Oberländers bei der UEFA begann 1994. Zunächst war er in der Marketingabteilung als Leiter für Corporate Identity und anschliessend als Event Manager für alle kommerziellen Aspekte zuständig. Als stellvertretender Leiter der Marketingabteilung befasste er sich mit der Vermarktung der Rechte der UEFA in den Bereichen TV, Sponsoring und neue Medien. Nach seiner Beförderung zum Senior Manager der neu geschaffenen Abteilung Eventmanagement im Jahr 2000 war er für die erfolgreiche Durchführung aller UEFA-Endspiele und ?Turniere verantwortlich. Im Jahr 2002 wurde er zum COO der Euro 2004 SA ernannt und zog nach Portugal. Dort organisierte er die beste Fussball-Europameisterschaft aller Zeiten. Diesen Erfolg will er an der UEFA EURO 2008? noch übertreffen.
Zur Organisation:
Die UEFA hat die eigens für diesen Zweck gegründete Firma Euro 2008 SA mit der Organisation der UEFA EURO 2008?-Finalrunde beauftragt. Die Geschäftsführung der Euro 2008 SA arbeitet bei der Vorbereitung der EM eng mit dem Schweizerischen Fussballverband und dem Österreichischen Fussball-Bund zusammen. Seit Mai 2005 arbeiteten 30 Personen für die Euro 2008 SA ? jeweils vier von ihnen sind in den Turnier-Büros in Bern und Wien tätig. Zirka 400 Mitarbeiter werden bis 2008 beschäftigt sein ? 25 in jedem Turnierbüro und ungefähr 120 im Hauptquartier von Nyon.
Die Mission der Euro 2008 SA
«Die Mission der Euro 2008 SA ist es, neue Standards bei der Durchführung des Finalturniers und aller Veranstaltungen zu setzen, die mit der UEFA-Europameisterschaft 2008 in Österreich und in der Schweiz zusammenhängen. Mit der zentralen Lage und der berühmten Gastfreundlichkeit der beiden Gastgeber-Länder wollen wir das Turnier so vielen Menschen wie möglich zugänglich machen. Wir wollen, dass sie unvergessliche Momente in wunderbaren Orten erleben.»