Martin Naville, Swiss-American Chamber of Commerce

von Patrick Gunti


Herr Naville, wann immer in den schweizerisch-amerikanischen Handelsbeziehungen etwas nicht nach Wunsch funktioniert, sind Sie als Vermittler gefragt. Wie sehen Sie diese Vermittlungsmöglichkeiten in der aktuellen Situation?

Vermittlung ist wohl übertrieben. Die Swiss-American Chamber of Commerce kann nicht inhaltlich vermitteln, aber wir können wertvolle Dienste leisten bei der Kommunikation und Information über komplexe Probleme. Vor allem können wir als privater Verein offen, neutral und ohne sektorielle Spezialinteressen die gegenseitigen Positionen erläutern und auf schwierige Probleme hinweisen.


Sie weilten Ende Februar an einem Treffen zwischen amerikanischen und Schweizer Parlamentariern in Washington, das allerdings lange vor dem UBS-Affäre resp. dem Aushändigen von Kundendaten an die US-Steuerbehörden vereinbart wurde. Welche Stimmung hat bei diesem Treffen geherrscht?

Die Stimmung zwischen den Schweizer und amerikanischen Exponenten waren herzlich und positiv. Das Verhältnis ist trotz der aktuellen Probleme im Steuer- und Informationsaustauschproblem sehr konstruktiv und positiv.


In der Schweiz und insbesondere in der schweizerischen Politik ist der Druck der USA auf die UBS und das Schweizer Bankgeheimnis das dominierende Thema. In der breiten amerikanischen Öffentlichkeit ist dies kein Thema ? wie aber ist die Wahrnehmung der ganzen Affäre auf politischer Ebene in den USA?

In der breiten amerikanischen Öffentlichkeit ist dies in der Tat kein Thema. Auf politischer Ebene wird die Schweiz aber offen konfrontiert mit der Frage, wieso die Schweiz amerikanische Steuerhinterzieher ? nach amerikanischer Sichtweise Kriminelle ? schützt, vor allem in diesen schwierigen Zeiten.


«Do not protect our crooks!», «Schützt unsere Verbrecher nicht!» heisst da die Devise.»


Versteht man in den USA die Bedeutung des Bankensektors für die hiesige Volkswirtschaft, das Bankgeheimnis als solches und die Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug, die hier vorgenommen wird?

Generell wird die grosse Bedeutung des Bankensektors verstanden und eine gewisse Pekuliarität wird unserem kleinen Staat zugestanden, aber nicht auf Kosten der amerikanischen Interessen. Die Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung wird überhaupt nicht verstanden. Dies ist in den USA beides ein Verbrechen, für welches man vom Arbeitsort in Handschnellen abgeführt werden kann.


Wie gross schätzen Sie im Gegenzug das Verständnis in der Schweiz für die amerikanische Position in dieser Affäre ein?

Auch hier ist ein gewisses Verständnis vorhanden. Aber zu wenig wird verstanden, dass die Amerikaner keine andere Gesetzgebung akzeptieren werden, die sich zwischen den amerikanischen Gerechtigkeitssinn und die Steuerkriminellen stellt. «Do not protect our crooks!», «Schützt unsere Verbrecher nicht!» heisst da die Devise.


Das schweizerisch-amerikanische Verhältnis ist eigentlich ausgezeichnet und die wirtschaftlichen Beziehungen sind in den letzten Jahren ebenfalls gut gelaufen. Hat Sie das Vorgehen der US-Justizbehörden gegen die UBS und letztlich auch die Schweiz überrascht?

Die Geschwindigkeit und Vehemenz der Justizbehörden hat sicher einige Personen überrascht.


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Es wird viel Kritik an der mangelnden Kommunikation der Schweiz gegenüber den USA, aber auch gegenüber der EU geäussert. Welches Vorgehen schlagen Sie vor,  um die zuständigen Stellen in Washington oder Brüssel davon zu überzeugen, dass die Schweiz keine Steueroase ist?

Wir müssen auf der einen Seite unsere vorbildlichen Leistung bei der Verhinderung von Geldwäscherei und Terroristenfinanzierung hervorheben, gleichzeitig aber auch in Sachen Informationsaustausch Zugeständnisse machen. Nur so können wir verhindern, dass wir nach den bereits erfolgten Zugeständnisse von Liechtenstein, Singapur und Hong Kong auf einmal ganz alleine gegen USA, EU, OECD und G-20 stehen. Ganz alleine gegen den Sturm ankämpfen ist wohl keine gute Strategie.


Wie beurteilen Sie die Zusammensetzung der mit Fachleuten ergänzten bundesrätlichen Task Force um Bundespräsident Hans-Rudolf Merz sowie den Bundesrätinnen Widmer-Schlumpf und Calmy-Rey?

Angesichts des sehr engen Zeitrahmens ist die Zusammensetzung sinnvoll. Der Zeitplan erlaubt keine paritätische Beteiligung aller interessierten Parteien. Ich bin auch überzeugt, dass die Mitglieder der Expertengruppe die relevanten Informationen und Anliegen berücksichtigen werden.


«Die Kosten-/Nutzenanalyse der Verweigerung von Informationsaustausch bei ausgewiesener Steuerhinterziehung muss aber endlich offen diskutiert werden.»


Wie wichtig für den Erfolg auf dem amerikanischen Markt ist das Bankgeheimnis für die Schweizer Banken in den USA?

Ich beurteile die Wahrung der Privatsphäre von unbescholtenen Bürgern als ein sehr wichtiges Element des Schweizer Vermögensverwaltungsgeschäfts. Die Kosten-/Nutzenanalyse der Verweigerung von Informationsaustausch bei ausgewiesener Steuerhinterziehung muss aber endlich offen diskutiert werden.


In der Schweiz hat sich Übermittlung der UBS-Kundendaten an die US-Steuerbehörde zu einer Staatsaffäre ausgeweitet. Wie gross ist die Gefahr, dass die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den USA und der Schweiz generell beschädigt werden?

Es muss alles daran gesetzt werden, dass die Schweiz nicht auf eine Schwarze Liste der G-20 kommt. Ohne solche Listen, die formelle Erschwernisse nach sich ziehen würden, werden die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen weiterhin positiv sein und die offenen Punkte in partnerschaftlicher Diskussion gelöst werden können.


Wie sehr haben sich die immensen wirtschaftlichen Probleme in den USA auf die Handelsbeziehungen zur Schweiz ausgewirkt?

Die Schweizer Wirtschaft ist als grosser Exporteur und als bedeutender Investor in den USA eng mit dem Verlauf der amerikanischen Wirtschaft verbunden, im Guten und im Schlechten. Im Moment wird sie negativ beeinflusst.


Im neuen Konjunkturprogramm von Präsident Obama wurden protektionistische Klauseln («buy american»)zwar noch abgemildert, für wie gross stufen Sie dennoch die Gefahr ein, dass die USA ? wie andere Länder auch ? ihre Konjunkturprogramme mit protektionistischen Massnahmen verknüpfen?

Wie in vielen anderen Ländern bewirken staatlich Unterstützungsprogramme schleichenden Protektionismus. Populismus will verhindern, dass staatliche Gelder an ausländische Firmen gehen, auch wenn es aus US-volkswirtschaftlicher Sicht sinnvoll wäre. Es ist darum für Schweizer Firmen wichtig, ihre Trümpfe in USA auszuspielen, wie z.B. die Anzahl Arbeitsplätze in USA oder den grossen Beitrag der Schweizer Firmen an amerikanischen Forschungs- und Bildungsprogrammen hervorzuheben. 


Herr Naville, besten Dank für das Interview.





Der Gesprächspartner
Martin Naville ist CEO der Swiss-American Chamber of Commerce, einer führenden schweizerischen Business Organisationen, die für ihre 2500 Mitgliedern (Schweizer und US Firmen) wirtschaftspolitische Brücken zwischen den USA und der Schweiz baut und unterhält, sowie für optimale Standortbedingungen für Schweizer und ausländische Mulitinationals einsteht. Bevor Martin Naville am 1. Oktober 2004 die Leitung der Chamber übernahm, war er 16 Jahre bei The Boston Consulting Group (BCG) in München, Zurich and New York. In 1995 wurde er zum Partner und Director der BCG gewählt. Bei BCG war er spezialisiert auf die Bereiche Wealth Management und Telecommunications. Martin Naville startete seine berufliche Laufbahn als Corporate Banker bei JP Morgan in Zurich and New York in 1984.


Martin Naville hat als Jurist an der Universität Zürich abgeschlossen. Er ist Präsident des Verwaltungsrates der Zoo Zürich AG und Mitglied des Verwaltungsrates bei Swissquote, dem Schweizer Leader im e-Banking, und bei Lombard International, der führenden Lebensversicherungsgesellschaft in Luxemburg. Herr Naville ist verheiratet. Seine Frau und er haben zwei Söhne im Alter von 11 und 13 Jahren. Sie leben in Küsnacht ZH.

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