Martin Rohner, Geschäftsleiter Max Havelaar-Stiftung: «Unser Ziel ist, dass der faire Handel einen fixen Platz auf dem Weltmarkt bekommt»

von Patrick Gunti


Herr Rohner, die europäische Fair-Trade-Bewegung ist vor gut 40 Jahren entstanden. Welches sind die langfristigen Auswirkungen des Fair Trade?


Der faire Handel ist ein Entwicklungsinstrument. Sein Ziel ist, die Situation von kleinen und mittleren Produzenten aus benachteiligten Regionen des Südens nachhaltig zu verbessern. Fairer Handel leistet einen wichtigen Beitrag zur Armutsbekämpfung, indem er über Instrumente wie den stabilen Mindestpreis und die Fair-Trade-Prämie die Arbeits- und Lebensbedingungen im Süden verbessert und die Unabhängigkeit der Bauern und Arbeitenden stärkt.


Für die Max Havelaar-Stiftung ist 2007 das 15. Jahr ihres Bestehens. Welche generelle Bilanz können Sie nach dieser Zeit ziehen?


Vier von fünf Schweizerinnen und Schweizern kennen das Max Havelaar-Gütesiegel und vertrauen ihm. In keinem anderen Land werden so viele Fair-Trade-zertifizierte Produkte konsumiert wie in der Schweiz. Darauf sind wir stolz. Unser Ziel ist aber, dass der faire Handel einen fixen Platz bekommt auf dem Weltmarkt. Da muss noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Und wir brauchen auch den Druck der Konsumentinnen und Konsumenten.


Die Max Havelaar-Stiftung hat 1997 die internationale Fairtrade Labelling Organization FLO mitbegründet. Was ist deren Aufgabe?


Die Bewegung des fairen Handels entstand in verschiedenen Ländern von der Basis heraus und hat sich dann in den letzten 20 Jahren stark entwickelt und vereinheitlicht. Zu FLO gehören heute 20 Labelinitiativen, darunter auch Max Havelaar (Schweiz). FLO ist unterteilt in die Organisationen FLO e.V. und FLO Cert GmbH. FLO e.V. ist für die Entwicklung der internationalen Standards des fairen Handels zuständig. Die FLO Cert GmbH zertifiziert die Produzenten. Durch diese Rollentrennung ist die Unabhängigkeit der Kontrolle gewährleistet.


«In keinem anderen Land werden so viele Fair-Trade-zertifizierte Produkte konsumiert wie in der Schweiz» (Martin Rohner, Geschäftsleiter Max Havelaar-Stiftung)


Welches sind die festgelegten Standards und wie werden Sie überprüft?


Es gibt je einen Basisstandard für Kleinbauern und für Arbeiterinnen und Arbeiter auf Plantagen. Zusätzlich gibt es für jede Produktkategorie spezifische Standards, welche zum Beispiel den Mindestpreis und andere produktbezogene Kriterien regeln. Die Inspektoren von FLO Cert überprüfen die Einhaltung der Standards im Süden.


Nimmt die Max Havelaar-Stiftung Einfluss auf die Verwendung der Gelder, die durch den Mehrerlös aus dem fairen Handel generiert werden?


FLO Cert prüft den Geld- und Warenfluss und die korrekte Verwendung der Gelder. So fliessen die Mindestpreise zu den Bauern, die Fair-Trade-Prämie in die Bauern-Genossenschaft oder – bei Plantagen – in einen separaten Fonds. Bauern und Arbeitende entscheiden selber, in welche Projekte sie das Prämiengeld investieren. Bedingung ist, dass möglichst viele Menschen davon profitieren können.


Punkto Marktdurchdringung und Pro-Kopf-Ausgaben für Fair-Trade-Produkte bleibt die Schweiz weltweit an der Spitze. Wie verläuft die Entwicklung international gesehen?


International erlebt die Fair-Trade-Bewegung einen wahren Boom. Andere Länder, wie England und Deutschland sind 2006 um fast 50% gewachsen allerdings auf einem viel tieferen Niveau als die Schweiz.


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Heute ist jede zweite in der Schweiz verkaufte Banane eine Banane mit dem Max Havelaar-Gütesiegel. Wie entwickelt sich der Absatz in den einzelnen Produktsegmenten?


2006 haben die Textilien sehr stark zugelegt. Auch Fruchtsäfte und Reis haben sich erfreulich entwickelt.


Welchen Einfluss auf den Absatz Ihrer Produkte hat der Preisdruck im Detailhandel durch den zunehmenden Wettbewerb?


Im Schweizer Detailhandel ist Max Havelaar zu einer fixen Grösse geworden. Wer was auf sich hält, arbeitet mit dem fairen Handel zusammen. Aber es stimmt, dass der Konkurrenzdruck gewisse Marktpartner gezwungen hat, Sortimentsanpassungen vorzunehmen, die sich insbesondere auf den Absatz bei den Bananen ausgewirkt haben.


«Unser Ziel ist, dass der Ausschank von Max Havelaar-zertifziertem Kaffee so selbstverständlich wird wie das Sammeln von Altpapier.» (Martin Rohner)


Wie begegnen Sie dieser Herausforderung?


Wir müssen die Konsumentinnen und Konsumenten dort abzuholen, wo sie einkaufen respektive konsumieren und wir müssen ihnen jene Qualität anbieten, die sie suchen. Wir arbeiten daher mit unseren Partnern, um neue Angebotsformen zu entwickeln, z.B: Kaffeekapseln, welche heute zunehmend nachgefragt werden. Ausbaupotenzial sehen wir neben den nach wie vor wichtigen Eigenmarken auch bei Markenprodukten und in der Personalgastronomie. Wenn wir jedes Jahr fünf Unternehmen in der Grösse einer UBS überzeugen könnten, ihren Mitarbeitenden nur noch Max Havelaar-zertifizierten Kaffee auszuschenken, würde sich der Absatz dieses Kaffees in fünf Jahren verdoppeln. Unser Ziel ist, dass der Ausschank von Max Havelaar-zertifziertem Kaffee so selbstverständlich wird wie das Sammeln von Altpapier.


Mit McDonald’s schenkt in der Schweiz ein Gastronomieriese Max Havelaar-zertifizierten Kaffee aus. Wie haben sich Max Havelaar-Produkte generell in der Schweizer Gastronomie etabliert?


Erst 25% des Max Havelaar-zertifizierten Kaffees wird in der Gastronomie verkauft. Gesamtschweizerisch wird jedoch jeder zweite Kaffee ausser Haus konsumiert. Dies zeigt das vorhandene Potenzial.


2006 belief sich der Umsatz mit Max Havelaar-zertifizierten Produkten auf 223,4 Mio. Franken, was einer Steigerung von 1,2 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Von welchen Zahlen gehen Sie für 2007 aus und welche Entwicklung sehen Sie für die kommenden Jahre?


Wir erwarten, dass sich unsere neuen Marktstrategien bereits in diesem Jahr in der Entwicklung des Umsatzes mit Max Havelaar-zertifizierten Produkten niederschlagen werden. Letzlich haben es die Konsumentinnen und Konsumenten in der Hand, ob der faire Handel weiter wächst.


Herr Rohner, besten Dank für das Interview.





Zur Person:
Martin Rohner ist seit 1. Oktober 2005 Geschäftsleiter der Max Havelaar-Stiftung (Schweiz) und seit Mai 2007 Mitglied des Verwaltungsrates von FLO e.V. Rohner (lic. oec. HSG) verfügt über langjährige Erfahrung in der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit. Seit 2001 leitete er beim Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) das Ressort multilaterale Finanzinstitutionen. In dieser Funktion war er u.a. zuständig für die Förderung der Beziehungen zwischen der Schweizer Industrie und den internationalen Entwicklungsbanken. Zuvor arbeitete Rohner drei Jahre als Berater des Schweizer Exekutivdirektors bei der Weltbank in Washington sowie beim seco als Koordinator des Schweizer Entschuldungsprogramms für arme Länder. Zu Beginn seiner Karriere war Rohner als Projektmanager bei der Crossair tätig. Ein Nachdiplomstudium im Bereich Umwelt und Entwicklung in England inspirierte ihr für den Wechsel von der Privatwirtschaft in die Entwicklungszusammenarbeit.


Zur Max Havelaar-Stiftung:
Die Max Havelaar-Stiftung (Schweiz) wurde 1992 von den sechs grossen Schweizer Hilfswerken Brot für alle, Caritas, Fastenopfer, HEKS, Helvetas und Swissaid gegründet. Sie fördert den fairen Handel mit Produzenten, Arbeiterinnen und Arbeitern in benachteiligten Regionen des Südens und zeichnet fair gehandelte Produkte mit ihrem Gütesiegel (Label) aus. Die Einhaltung der international gültigen Standards des fairen Handels wird von einer unabhängigen Zertifizierungsstelle kontrolliert. Die Max Havelaar-Stiftung vergibt Importeuren, Verarbeitungsbetrieben und Händlern das Recht, gegen die Entrichtung einer Lizenzgebühr das Max Havelaar-Gütesiegel zu benutzen. Voraussetzung ist, dass sie die Standards des fairen Handels erfüllen. Die Max Havelaar-Stiftung ist nicht gewinnorientiert und seit 2001 selbsttragend.

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