Martin Zenhäusern: Risiko

Wenn ein durchtrainierter junger Athlet wie Daniel Albrecht stürzt, wie in Kitzbühel geschehen, dann ist dies auf den ersten Blick wohl ein Risiko, das jeder Sportler in Kauf nehmen muss, wenn er diesen Beruf ausüben will. Nur: Darf es sein, dass durch einen einzigen Fehler nicht nur möglicherweise eine Karriere, sondern sogar die Gesundheit ruiniert wird? Die fadenscheinige Erklärung, früher seien die Abfahrer ohne Fangnetze noch schneller gefahren, entlarvt die Verantwortlichen des Skizirkus› als Funktionäre, die für das Spektakel offenbar jeden Preis zu bezahlen bereit sind. Ich bin auch Publikum. Ich will diese Art von Spektakel nicht.


Zweites Beispiel: In der Finanzbranche sind Risiken eingegangen worden, die letztlich zur Weltwirtschaftskrise geführt haben, in der wir jetzt stecken und von der niemand weiss, wie lange sie anhalten wird. Getrieben von der Aussicht auf grossen persönlichen Gewinn haben sich bei vielen Verantwortlichen gesunder Menschenverstand und Augenmass verabschiedet. Warnlichter sind, teils willentlich, teils aus blinder Gier, ausgeblendet worden. Als der Krug, der zum Brunnen ging, bis er brach, dann in Scherben vor uns lag, war von den Köpfen der Finanzbranche zu hören, es hätte weniger an ihnen, als am System gelegen. Oder wie es der ehemalige Chef der Deutschen Bank, als das Institut durch einen Immobilien-Spekulanten für damalige Verhältnisse viel, für heutige Verhältnisse wohl nur «Peanuts» verloren hatte, vor laufender Kamera sagte: «Es hätte ja auch gut gehen können.» Soviel zur Einschätzung der Lage durch die Verantwortlichen.


Drittes Beispiel: Am WEF in Davos haben sich die Spitzen von Wirtschaft und Politik versammelt und über Lösungen der Krise gesprochen. Man mag dem WEF zugute halten, dass es eine hervorragende Plattform bietet für den informellen Austausch vieler Manager aus unterschiedlichsten Branchen und Märkten. Was allerdings nachdenklich stimmte, war das Ergebnis: Der Berg hat, bezogen auf Lösungsansätze, eine Maus geboren. Warum hat niemand der anwesenden Wirtschaftsführer, namentlich aus der Finanzbranche, soviel Zivilcourage bewiesen und seine Kollegen aufgefordert, in dieser besonderen Lage auch besondere Massnahmen zu ergreifen? Warum nicht Regeln definieren, an die sich die Branche künftig halten wolle? Warum wollte niemand das Risiko eingehen, persönlich Mut zu zeigen? Eine Initiative zu starten? Etwas zu wagen, auch wenn der Versuch schief gehen würde?


Suchen wir eine Antwort auf die Frage, warum sich niemand aus dem Fenster gelehnt hat. Die Manager fühlen sich in erster Linie ihrem Unternehmen verpflichtet und sehen deshalb kaum über den Tellerrand hinaus. Sie pflegen ein statisches Selbstbild, was sich in der fehlenden Dynamik in Krisenzeiten manifestiert. Sehr aufschlussreich war ihre völlig unterschiedliche Körpersprache im Vergleich zu ihrer Glanzzeit und heute in der Krise. Es brauche viel Phantasie, von diesen Managern, welche uns die Suppe eingebrockt hätten, auch eine Lösung zu erwarten, meinte ein Kritiker angesichts deren Auftritts. In Davos wäre es weniger auf das tatsächliche Ergebnis angekommen, als vielmehr auf den Willen, wirklich etwas tun zu wollen. Diese Chance haben die Manager verpasst.


Noch etwas: Warum wohl niemand die Zügel in die Hand genommen hat? Der deutsche Politologe Thomas Ellwein hat möglicherweise eine Antwort darauf: «Führen heisst wissen, was man will.»

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Martin Zenhäusern
Martin Zenhäusern ist Gründer und Inhaber der Zenhäusern & Partner AG, welche Unternehmen in allen Fragen der Kommunikation berät sowie Inhaber der Zenhäusern Akademie AG, welche Führungskräfte in Führung und Krisen-Management ausbildet. Persönlicher Ratgeber mehrerer CEOs, u.a. persönlicher Berater des VR-Präsidenten beim grössten Schweizer Börsengang. Autor der Publikationen «Der erfolgreiche Unternehmer» und «Chef aus Passion», beide 2008 im Orell Füssli-Verlag erschienen.

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