Martin Zenhäusern: Stärke
Damit läuft er Gefahr, dass er zu wenig für seine Sache kämpft, womit er den Eindruck erweckt, es fehle ihm an Durchsetzungskraft und Selbst-Vertrauen. Wenn dann aus politischer Aktualität seine bisher erfolgreiche «Fünfer-und-Weggli-Politik» einigen Grossen nicht mehr in den Kram passt, gerät er unter Druck. Plötzlich steht er einer Übermacht gegenüber, die ihre Muskeln spielen lässt. Der Kleine stellt dann zu seiner Überraschung fest, dass er bei den Grossen keinen Kredit mehr hat und kaum noch Gehör für seine Anliegen findet. Zudem wird ihm bewusst, dass er verlernt hat, seine Zähne zu zeigen. Aus dem einstmals hilfreichen David, der dank seiner guten Dienste und Neutralität weit herum beliebt war, ist ein lästiger Zwerg geworden.
Die eigenen Reihen schliessen
Die Geschwindigkeit dieser Entwicklung hat die Schweiz überfordert. Wenn ein Land von aussen unter Druck gesetzt wird, müssen die eigenen Reihen geschlossen werden. Dies ist schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, da im schweizerischen System der Konkordanz-Politik alle grossen Parteien von rechts bis links in die Regierung eingebunden sind. Konkret zeigt sich dies etwa darin, dass ein Bundesrat sich ausdrücklich dagegen ausspricht, mit einem Minister eines Nachbarlandes das Gespräch zu suchen, während ein anderer Bundesrat genau dies als absolut notwendig erachtet. So entsteht sowohl im eigenen Land, als auch bei den umliegenden Staaten der Eindruck schwacher Führung und fehlender Stärke. Der Schweizer Bundesrat ist bisher den Beweis schuldig geblieben, dass er über ein wirkungsvolles Krisen-Management verfügt und absehbare Entwicklungen antizipieren konnte. Er ist zu lange der Illusion nachgehangen, dass der Unterschied zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung nachvollziehbar vermittelt werden könnte. Wenn er auch aus seiner Sicht in der Sache recht haben mochte, hat er dennoch unterschätzt, dass es einen gewaltigen Unterschied in der öffentlichen Wahrnehmung macht, ob man recht hat oder recht bekommt.
Entsorgen der Auslaufmodelle
Was wäre jetzt zu tun? Die Schweiz muss sich den neuen Realitäten stellen. Sie sollte sich eingestehen, dass die lange erfolgreich praktizierte «Fünfer-und-Weggli-Politik» ein Auslaufmodell ist. Das Bankgeheimnis wird oder ist bereits gefallen, je nach Interpretation. Also tut die Schweiz gut daran, sich wieder ihrer Stärken zu besinnen. Gerade das handwerklich saubere und langfristig ausgerichtete Private Banking mit einer engen und persönlichen Kundenbetreuung war eine Domäne der Schweizer Banquiers. Dieses Terrain gilt es jetzt mit guter Leistung und dem Aufbau neuen Vertrauens nachhaltig zu besetzen. Die Schweizer Unternehmen stellen qualitativ hochstehende Produkte her und sind international gesehen äusserst innovationsstark. Die typischen Schweizer Qualitäten wie Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Stabilität finden weltweit Anerkennung. Deshalb ist es notwendig, dass die Schweiz ihre Kräfte bündelt, sich weltweit als starke Marke präsentiert und ihre Leistungen und Qualitäten wirkungsvoll inszeniert. Deshalb steht der Bundesrat als Kollegium in der Pflicht, seine Führungsrolle wahrzunehmen, persönliche Animositäten hintanzustellen und im Interesse des Landes eine Politik der Stärke und des Selbst-Bewusstseins zu vertreten. Ebenso sind die grossen Wirtschaftsverbände gefordert, nicht nur ihre Brancheninteressen zu berücksichtigen, sondern die Schweizer Wirtschaft insgesamt als weltweit bedeutenden Faktor darzustellen. Jetzt sind Führung und Stärke gefragt, in Politik und Wirtschaft. Dann kann endlich der deutsche Aphoristiker Nikolaus Cybinski widerlegt werden, der sagte: «Kein Volk bekommt die Politiker, die es verdient. Aber es verdient die, die es bekommt.» Was im übrigen auch in Bezug auf die Wirtschaftsführer gilt.
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Martin Zenhäusern
Martin Zenhäusern ist Gründer und Inhaber der Zenhäusern & Partner AG, welche Unternehmen in allen Fragen der Kommunikation berät sowie Inhaber der Zenhäusern Akademie AG, welche Führungskräfte in Führung und Krisen-Management ausbildet. Persönlicher Ratgeber mehrerer CEOs, u.a. persönlicher Berater des VR-Präsidenten beim grössten Schweizer Börsengang. Autor der Publikationen «Der erfolgreiche Unternehmer» und «Chef aus Passion», beide 2008 im Orell Füssli-Verlag erschienen.